Supreme-Court-Kandidat Gorsuch "Nuklear-Option" soll Trumps Favoriten ins Amt zwingen

Neil Gorsuch
Foto: JAMES LAWLER DUGGAN/ REUTERSGlaubt man der einen Seite, ist Neil Gorsuch - neben Donald Trump natürlich - die übelste Gruselfigur der Nation. "Viel zu extrem", "eine Gefahr für das ganze Land", twittern US-Demokraten. Frauenrechte, Arbeitnehmerrechte, Antidiskriminierung würden leiden, dürfe Gorsuch die Gesetzgebung prägen.
Glaubt man der anderen Seite, könnte es keinen besseren Anwärter auf einen der einflussreichsten Posten der USA geben. Gorsuch sei "der Richter unter den Richtern", schwärmt der republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell. Werbespots zur Primetime zeigen Gorsuch und Trump in Zeitlupe und männlichem Händedruck vereint.
Trump hatte den Spitzenjuristen im Januar als Kandidat für den Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof der USA, präsentiert. Doch die Demokraten im US-Senat blockierten Gorsuch, bis zuletzt kämpften sie gegen ihn an.
Am Ende ohne Erfolg - denn die Republikaner machten den Weg für Gorsuch am Donnerstag mit der Brechstange frei. Durch eine radikale Verfahrensänderung, die US-Medien als "nukleare Option" bezeichnen.
Nach wochenlangem Machtkampf will der US-Senat die Beförderung Gorsuchs an diesem Freitag offiziell bestätigen. Die Mehrheit der Republikaner ist ihm sicher, die Demokraten haben kein Druckmittel mehr. Doch der Fall dürfte die US-Politik noch lange beschäftigen.
Wofür steht Gorsuch, wer verfolgt welche Interessen - und welche Konsequenzen drohen jetzt? Der Überblick.
Was ist die "nukleare Option"?
Ohne Zustimmung des Senats kann Gorsuch kein Oberster Richter werden. Um ihn zu verhindern, nutzten die Demokraten ein Instrument ihrer Minderheitenrechte: das sogenannte Filibustern, mit dem sie finale Abstimmungen unendlich verzögern können. Ein Senator stand 15 Stunden am Stück am Rednerpult.
Die Republikaner griffen daraufhin zu einer radikalen Verfahrensreform - und schafften die Filibuster-Option für Besetzungen höchster Richterposten ab. Jetzt brauchen die Republikaner nicht mehr 60 Stimmen - acht mehr, als sie im Senat haben - , sondern nur noch 51 Stimmen, um ein Votum anzusetzen.
Ähnlich agierten die Demokraten 2013, als es um die Besetzung niedriger Richterposten ging. Doch im Zusammenhang mit Supreme-Court-Kandidaten kommt die Neuerung einem Tabubruch, einer "nuklearen Option", gleich. Auch die Hürde für kommende Besetzungen Oberster Richter ist gesenkt: Künftig genügt eine einfache Mehrheit, um einen Wunschkandidaten durchzusetzen. Die Rechte der Minderheit im Senat sind dauerhaft beschnitten.
Warum ist Gorsuch umstritten?
Der Supreme Court, in den der 49-Jährige aufrücken soll, ist eine der mächtigsten Institutionen des Landes. Hier landen Streitfragen, für die die Politik keine Lösung findet: Die neun Mitglieder, die auf Lebenszeit ernannt werden, entscheiden von Einwanderung über Todesstrafe bis Waffenbesitz oder Cannabis-Legalisierung.

Fachlich ist der Berufungsrichter aus Colorado und Elite-Uni-Absolvent qualifiziert für den Job. Im Justizausschuss, wo er tagelang gegrillt wurde, trat er als smarter Silberfuchs auf, umschiffte geschickt klare Positionen zu kontroversen Justizfällen. Gemessen an Urteilen aus seiner Richterkarriere gilt er als strammer Konservativer und Traditionalist.
Die Demokraten fürchten, dass Gorsuch der Trump-Regierung in letzter Instanz behilflich sein wird, wenn sie etwa das Abtreibungsrecht oder die gleichgeschlechtliche Ehe angreifen wollen. Und tatsächlich könnte Gorsuch den Gerichtshof nach rechts rücken. Seit dem Tod des konservativen Richters Antonin Scalia herrscht ein Patt im Gerichtshof, vier Konservative sitzen vier Linksliberalen gegenüber. Durch Gorsuch wären die Konservativen wieder in der Mehrzahl.
Super für Trump, der genau das im Wahlkampf versprochen hatte. Schlecht für die Demokraten, die zu Obama-Zeiten einen eigenen, liberalen Kandidaten aufgestellt hatten - der aber von den Republikanern blockiert wurde.
Welche Folgen hat der Fall Gorsuch?
Sollten in nächster Zeit weitere Posten im Supreme Court frei werden - zwei Oberste Richter sind mindestens 80 Jahre alt (siehe Tabelle) - hat es Trump leicht, seine Kandidaten zu installieren. Gleiches gilt freilich umgekehrt für mögliche demokratische Regierungen und Senatsmehrheiten.
So oder so wurde durch den Einsatz der "nuklearen Option" mit historischen Regeln der US-Politik gebrochen, die jahrzehntelang als unverrückbar galten. Denn der Senat ist traditionell auf Konsens bedacht, parteipolitische Interessen werden eher runtergedimmt.
Inzwischen haben sich die Streitigkeiten zwischen den Lagern strategisch und ideologisch extrem aufgeladen, nach dem Motto: Hauptsache Sieg. Egal wie, egal um welchen Preis.
Der Fall Gorsuch zeigt deshalb, wie schnell der Machtkampf zwischen Demokraten und Republikanern in Trump-Zeiten eskalieren kann. Das hat konkrete Folgen für die Arbeit, für die Konsensfähigkeit und den respektvollen Umgang miteinander im US-Senat. Schon das wochenlange "Blame Game" zwischen Demokraten und Republikanern, mit gegenseitigen Beschimpfungen und Wutreden, grenzte an Würdelosigkeit.
Am Ende wurde die Glaubwürdigkeit beider Lager beschädigt. Die Demokraten wollten ihrer verunsicherten Basis krampfhaft eine Portion Anti-Trump-Rebellion servieren. Doch der Widerstand dürfte wohl eher die Geschlossenheit der Republikaner gestärkt haben. Und die Republikaner haben offenbart, wie dringend sie nach den ersten Trump-Chaoswochen eine Erfolgsmeldung brauchen.
Als Gewinner bleibt nur Trump, der nach seiner vorerst geplatzten Gesundheitsreform wenigstens ein Versprechen einlösen kann. Und Gorsuch selbst, der, wenn es für ihn gut läuft, ein halbes Leben im Supreme Court verbringen kann.