Eskalation in Kiew Regierung und Opposition schieben sich Schuld für Todesschüsse zu
Kiew - Bei blutigen Ausschreitungen zwischen gewaltbereiten Demonstranten und der Polizei sind in Kiew mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft bestätigte, dass zwei Personen erschossen worden sind.
Die genauen Todesumstände sind bislang ungeklärt. Regierung und Opposition machen sich gegenseitig verantwortlich. Ministerpräsident Nikolai Asarow sagte ukrainischen Medien zufolge bei einer Kabinettssitzung: "Als ukrainischer Premierminister teile ich offiziell mit, dass die Verantwortung für die Opfer, die es leider bereits gibt, bei den Organisatoren und Teilnehmern der Massenunruhen liegt."
Niemand könne die Teilnehmer dieser Ausschreitungen als friedliche Demonstranten bezeichnen, sagte Asarow. "Sie sind Kriminelle, die für ihre Handlungen die Verantwortung übernehmen müssen."
Premier kündigt hartes Durchgreifen an
Die Opposition teilte hingegen mit: "Für die Erschießung ukrainischer Bürger werden sich Präsident Wiktor Janukowitsch und Innenminister Vitali Sachartschenko verantworten müssen."

Regierungschef Asarow widersprach und kündigte ein hartes Durchgreifen an. Die Anschuldigungen gegen die Vertreter der Sicherheitskräfte "entbehren jeder Grundlage, da sie keine Schusswaffen einsetzen", sagte er. "Die Regierung wird Anarchie und die Spaltung des Landes nicht zulassen", so der 66-Jährige.
Eine Sondereinheit der Polizei stürmte am Morgen die Barrikaden der Regierungsgegner vor dem Dynamo-Stadion. Dabei setzten die Milizionäre Tränengas und Blendgranaten ein. Dutzende Oppositionelle seien festgenommen worden, hieß es. Die Demonstranten leisteten Widerstand und bewarfen die Polizei mit Brandsätzen und Steinen. Nach kurzer Zeit zogen sich die Milizionäre zunächst zurück.
US-Botschaft storniert Visa ukrainischer Vertreter
Am Dienstag war ein Gesetzespaket in Kraft getreten, das die Rechte der Demonstranten einschränkt. Unter anderem sind nun Geld- oder Haftstrafen für das Tragen von Masken oder Helmen möglich, auch das ungenehmigte Aufbauen von Bühnen oder Zelten sowie die Blockade öffentlicher Gebäude können nun härter bestraft werden.
Die Regierungsgegner demonstrieren seit November. Sie fordern unter anderem eine Annäherung an die EU, vorgezogene Präsidenten- und Parlamentswahlen sowie die Rücknahme umstrittener Gesetze. In den vergangenen Tagen kam es wiederholt zu Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften und gewaltbereiten Demonstranten.
Wegen brutaler Polizeieinsätze annullierte die US-Botschaft die Visa mehrerer ukrainischer Behördenvertreter. Das teilte die Vertretung am Mittwoch mit. Es handele sich um eine Reaktion auf Übergriffe gegen friedliche Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) im November und Dezember 2013.
Gegen wen sich die Sanktionen konkret richten, teilte die Botschaft nicht mit. Die US-Gesetzgebung lasse eine solche detaillierte Veröffentlichung nicht zu, hieß es.
Barroso warnt ukrainische Regierung
EU-Kommissionschef José Manuel Barroso drohte der ukrainischen Regierung angesichts der Gewalt mit Konsequenzen. "Wir sind geschockt von den Nachrichten aus der Ukraine", sagte er. "Wir werden die Entwicklungen weiter aufmerksam verfolgen und außerdem mögliche Maßnahmen der Europäischen Union und Konsequenzen für unsere Beziehungen zu dem Land prüfen."
Welche konkreten Maßnahmen die EU ergreifen könnte, sagte Barroso jedoch nicht. Das litauische Außenministerium gab in Vilnius eine Erklärung heraus, nach der die EU Strafmaßnahmen gegen Kiew prüft. "Die Möglichkeit von gezielten Sanktionen ist nicht ausgeschlossen, wenn die Gewalt nicht endet", heißt es in der Erklärung. Der Sprecher von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle kündigte in Brüssel an, dass Füle am Freitag und Samstag zu Gesprächen mit Regierung, Opposition und der Zivilgesellschaft in Kiew sein werde.