Drohgebärden Richtung Iran Israel setzt auf Brachial-Diplomatie

Ein Raketentest, militärische Manöver, Verbalattacken der Regierung - Israel startet massive Drohgebärden gegen Iran. Vieles scheint auf einen baldigen Krieg mit dem Regime hinzudeuten, doch womöglich ist alles nur ein Polit-Poker um Teherans Atomprogramm.
Israels Premier Netanjahu: Druck aufbauen vor dem Iran-Report?

Israels Premier Netanjahu: Druck aufbauen vor dem Iran-Report?

Foto: Tara Todras-Whitehill/ AP

Wo Rauch ist, ist auch Feuer: Glaubt man diesem Sprichwort, könnte ein israelischer Angriff auf das iranische Atomprogramm unmittelbar bevorstehen. Denn selten wurde so offen und so heftig über eine mögliche Attacke auf das mutmaßliche Atomwaffenprogramm Teherans debattiert wie in den vergangenen Tagen in Israel. Minister der Regierung, Moderatoren der großen Fernsehshows, der einfache Mann in Straßenumfragen: Es schien, als könne bald jeder Israeli darüber mitentscheiden, ob Israel Iran angreifen soll oder nicht.

Der ehemalige Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad warnte am Mittwoch schließlich davor, die Diskussion über einen so schwerwiegenden Entschluss weiter in aller Öffentlichkeit zu führen. "Das Bild ist wesentlich komplexer, als es erscheint", mahnte er in einer Rede vor Wirtschaftsvertretern in Tel Aviv. "Man muss auch mit einbeziehen, was am Tag danach geschehen wird. Es ist sehr einfach, schlaue Ratschläge zu geben", so der Mossad-Chef.

Dagans Versuch, der Iran-Diskussion ein Ende zu setzen, dürfte vergeblich sein - denn diese scheint von höchster Stelle angezettelt: Die Debatte trägt die Handschrift einer von den Strategen der Regierung Netanjahu betriebenen Kampagne, die ganz bewusst und nach Drehbuch geführt wird. Die Abfolge der Ereignisse bislang war denn auch zu schön, um nicht aus dem Handbuch für politische Stimmungsmache zu stammen: Am Morgen berichtete die Zeitung "Haaretz" unter Berufung auf regierungsnahe Quellen, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu werbe bei seinen Kabinettskollegen für einen Angriff auf Iran. Auch Verteidigungsminister Ehud Barak dränge demnach zu einer Attacke auf die iranische Atomanlagen.

Vorbereitungen für einen Schlag gegen Iran?

Am Nachmittag dann testete die israelische Armee (IDF) auf dem Stützpunkt Palmachim südlich von Tel Aviv erfolgreich ein atomwaffenfähiges Raketensystem vom Typ "Jericho 3", das Atomwaffen tragen und mit rund 7000 Kilometern Reichweite auch Iran treffen könnte. Weniger als drei Stunden nach dem Waffentest gab das Militär dann bekannt, dass die israelische Luftwaffe in der vergangenen Woche über Sardinien ein Manöver absolviert hat, bei dem unter anderem drei F-16-Kampfflugzeuge den Angriff auf weit entfernte Ziele, Betankung in der Luft und die Abwehr von Boden-Luft-Raketen geübt hätten. Zeitgleich mit dem Bericht über das Manöver veröffentlichte die Pressestelle der Armee bedeutungsschwere Zitate zweier anonymer Luftwaffenoffiziere. "Die Zeit ist gekommen, sich mit dem Unbekannten auseinanderzusetzen", wurde der eine zitiert. "Wir trainieren für Langstrecken-Szenarien und bereiten uns auf alle Eventualitäten vor", sagte der andere.

Auch die Briten haben laut "Guardian" bereits sehr konkrete Pläne, sich an einem möglichen Krieg zu beteiligen. Armeestrategen überlegen dem Bericht zufolge, wo sie ihre Militärschiffe und U-Boote - bestückt mit "Tomahawk"-Marschflugkörpern - am besten stationieren könnten. Offenbar gehen die Briten davon aus, dass die USA in den kommenden Monaten einen Militärschlag per Luft und See gegen einige iranische Atomanlagen durchführen könnten.

Doch trotz allem zur Schau gestellten Aktionismus: Israel sei einem Angriff auf Iran nicht näher als sonst, sagen israelische Beobachter. "Mindestens einige dieser Schachzüge sind Teil einer sorgfältig orchestrierten Kampagne, deren Ziel nicht unbedingt ein israelischer Angriff ist", schreiben Amos Harel und Avi Issacharoff, die Sicherheitsexperten der Zeitung "Haaretz". Die israelische Debatte könne nur ein Instrument sein, um eine breite diplomatische Debatte über weitere Sanktionen gegen Iran auszulösen. Auch die "Yedioth Ahronoth" wiegelte am Donnerstag ab: Die zeitliche Nähe des Raketentests und der Bekanntgabe der Manöver in Sardinien seien vermutlich ein Spin, mit dem die öffentliche Diskussion über den Iran-Angriff angeheizt werden solle.

Tatsächlich könnte Jerusalem versuchen, vor der Veröffentlichung eines neuen Iran-Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in der kommenden Woche durch die jetzige Angriffsdebatte Druck auf die Weltgemeinschaft auszuüben. Israel drängt seit langem darauf, dass der Westen Teheran mit weiteren Sanktionen belegen müsse. Indem Jerusalem nun vorgibt, konkrete Pläne für einen Angriff auf Iran zu haben, könnte es seiner Forderung nach Sanktionen Nachdruck verleihen.

Nato hat "nicht einmal die entfernteste Absicht" zu intervenieren

Das neu erwachte Interesse Israels an Strafmaßnahmen gegen Iran scheint mit den Fortschritten zusammenzuhängen, die das iranische Atomprogramm offenbar jüngst gemacht hat. Dem Bericht des "Guardian" zufolge könnte Iran in den nächsten zwölf Monaten das Material zur Herstellung einer Atombombe so gut versteckt haben, dass es mit Flugkörpern nicht mehr erreichbar sei, zitiert die Zeitung eine namentlich nicht genannte Quelle. Versuche des Westens, das Anreicherungsprogramm Irans zu unterminieren, seien weniger erfolgreich gewesen, als zunächst gedacht, sagte ein anderer Informant dem Blatt. "Iran scheint eine neue Aggressivität an den Tag zu legen, und wir wissen nicht genau, warum", wird der Informant zitiert.

Die Nato ist nach Angaben von Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen nicht in etwaigen Angriffsplänen gegen Iran beteiligt. Das Bündnis, so Rasmussen, habe keinerlei Pläne, ja noch nicht mal die entfernteste Absicht, gegen Iran zu intervenieren. Allerdings unterstrich Rasmussen die weltweite Forderung, das Land müsse die diplomatische Krise rund um sein Atomprogramm lösen und sich an die Vorgaben der Vereinten Nationen halten. Israel gehört nicht zur Nato, allerdings steht das Land in intensivem Dialog mit dem Bündnis. Rasmussen hatte Israel dieses Jahr bereits besucht.

Die Aussagen Rasmussens illustrieren, dass mögliche Angriffspläne - wenn es diese überhaupt gibt - von einzelnen Ländern wie den USA kommen. Innerhalb der Nato wären solche Pläne nach Aussagen von Diplomaten nicht durchsetzbar. In Brüssel hieß es von kundigen Beobachtern vielmehr ebenfalls, durch solche Pläne wolle man in Washington weiteren Druck auf Teheran machen, sich bei den Verhandlungen um das Atomprogramm endlich zu bewegen. Dass die Briten ihrem strategischen Partner jedoch im Fall des Falls Schützenhilfe geben würden, sei eine Selbstverständlichkeit. Daher seien die Aussagen aus dem "Guardian" wenig überraschend.

Mitarbeit: Matthias Gebauer
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren