Addis Abeba/Mogadischu - Die islamistische Schabab-Miliz terrorisiert die Bevölkerung von Somalia seit Jahren, doch jetzt, in der schweren Hungersnot, wird ihre Brutalität erst richtig deutlich: Die Radikalen wollen keine Hilfslieferungen mehr zulassen.
2,8 Millionen Menschen leiden in dem Herrschaftsgebiet der Schabab unter der Dürre. Trotzdem weigern sich die Militanten, überhaupt von einer Hungersnot zu sprechen. Die Berichte der Vereinten Nationen darüber seien "kompletter Nonsens, 100 Prozent ohne Grundlage und pure Propaganda", sagte Schabab-Sprecher Ali Mohammed Rage dem britischen Sender BBC. Es gebe zwar eine Dürre in Somalia, und der Regen sei ausgeblieben, aber die Situation sei nicht so schlimm wie von der Uno beschrieben.
"Die Organisationen, denen wir die Arbeit verboten haben, dürfen auch weiterhin nicht hier arbeiten. Sie sind in politische Aktivitäten involviert", erklärte Rage.
Die Erklärung bedeutet eine Kehrtwende der Schabab. Erst Anfang Juli hatte die Miliz erklärt, sie werde angesichts der katastrophalen Lage erstmals seit zwei Jahren wieder internationale Organisationen in Südsomalia zulassen - "ob muslimisch oder nicht-muslimisch", wie es hieß. Uno-Organisationen hatten daraufhin geplant, trotz Sicherheitsbedenken zumindest per Luftbrücke wieder Lebensmittel nach Südsomalia zu bringen.
Auch die USA hatten am Donnerstag angekündigt, erstmals wieder Lebensmittel in die von der Schabab kontrollierten Gebiete zu schicken. Die Regierung in Washington machte es zur strikten Bedingung, dass die Rebellen nicht von den Spenden profitierten, sagte Donald Steinberg von der US-Agentur für Internationale Entwicklung gegenüber der BBC.
Öffentliche Amputationen, Auspeitschungen und Steinigung
Die Schabab kontrolliert große Teile Süd- und Zentralsomalias. Die Miliz, die Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida unterhält, hat die Macht auch in einigen Bereichen der Hauptstadt Mogadischu an sich gerissen. In ihrem Herrschaftsgebiet hat sie ein strenges islamistisches Regime durchgesetzt: Menschen werden mit öffentlichen Amputationen, Auspeitschungen und Steinigung bestraft. Als Grund dafür reicht es schon, Musik zu hören.
Die Uno hatte am Mittwoch in zwei somalischen Regionen - auch im Schabab-Gebiet - offiziell eine Hungersnot ausgerufen. Mehr als zehn Millionen Menschen in Somalia, Äthiopien und Kenia brauchen wegen extremer Dürre dringend Hilfe. Besonders schlimm betroffen sind Kinder.
Die Vereinten Nationen riefen zu Spenden auf, sie seien dringend nötig, da die kommenden zwei Monate besonders kritisch für das Überleben von Hunderttausenden Menschen seien. Die Hilfsorganisation Oxfam schätzte zuletzt, dass bis zum Januar eine Milliarde Dollar - umgerechnet 700 Millionen Euro - nötig sind, um die Krise zu bekämpfen. Bisher sei nur ein Bruchteil dieser Summe an Spenden eingegangen.
Tausende verzweifelte Somalier versuchen nun, aus dem Süden nach Mogadischu zu kommen. Nur wenige Kilometer außerhalb der somalischen Metropole lägen Camps mit unzähligen Zelten und Notunterkünften, in denen die Menschen Zuflucht suchten, berichtete die BBC. "Sie riskieren die gefährliche Reise, um Hilfe zu finden, aber für viele ist es schon zu spät", sagte ein Journalist vor Ort.
Ärzte hätten in den somalischen Lagern allein in den vergangenen neun Tagen mehr als tausend schwer unterernährte Kinder behandelt. Mütter mit ihren vom Hunger gezeichneten Kindern stünden stundenlang Schlange, um eine Erstversorgung für ihre Babys zu bekommen. Nach Uno-Angaben sind in Somalia bereits Zehntausende Menschen verhungert.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Zehn Millionen in Somalia, Äthiopien und Kenia sind von der schweren Hungersnot bedroht. Sie brauchen dringend Hilfe - wie diese Menschen in Kenia.
Besonders Kinder leiden, sie sind die Schwächsten - und viele sterben. Diese somalische Frau weint in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Mogadischu um ihr totes Kind.
Doch die somalische Schabab-Miliz zeigt keine Gnade. Sie hat nun angekündigt, keine Hilfslieferungen in die von ihr kontrollierten Gebiete mehr zuzulassen. Hier ein Bild von den Islamistan bei einer Übung in Mogadischu im Februar 2011.
Ein Soldat der Afrikanischen Union hilft bei der Evakuierung eines Sammelpunktes für Flüchtlinge in Mogadischu. Die unterernährten Menschen sollen zur Notbehandlung ins Krankenhaus gebracht werden. Die wenigen Hilfskräfte in Somalia sind angesichts des Bürgerkriegs in dem Land und der Dürre in Ostafrika vollkommen überfordert.
Langer Weg ins Flüchtlingscamp: Diese Gruppe aus Somalia hat den Weg ins Lager Dadaab fast geschafft. Die Flüchtlinge sind oft ohne Proviant wochenlang durch die Savanne unterwegs.
Das Lager ist das größte Flüchtlingscamp der Welt. Es ist für 90.000 Personen ausgelegt, inzwischen sind fast 400.000 da. Das Bild zeigt eines der drei Teillager von Dadaab.
Täglich kommen mindestens tausend weitere Flüchtlinge an.
Viele der Flüchtlinge, insbesondere Kinder, sind stark unterernährt und oft zu schwach, Fliegen aus ihrem Gesicht zu scheuchen. Eine halbe Million Kinder sind laut Uno-Kinderhilfswerk Unicef vom Tod bedroht.
Dieser zweijährige Junge ist eines von Tausenden Kindern, das in Dadaab wegen Unterernährung behandelt wird.
Viele der Neuankömmlinge finden im Lager keinen Platz mehr und siedeln sich entlang der Lagergrenzen an - in provisorischen Hütten.
Aus Ästen, Bäumen, Plastikplanen und Schnüren bauen sich die Menschen Unterkünfte.
Krankenhäuser im Lager sind mit dem Ansturm der Flüchtlinge überfordert.
Flüchtlinge haben ihr Lager außerhalb von Dadaab aufgeschlagen: Die kenianische Regierung wehrt sich bislang dagegen, ein neues Lager zu errichten. Selbst wenn es eines gäbe: Es wäre sofort voll - und die alten immer noch überfüllt.
UNHCR-Chef António Guterres sagte, die Hungersnot sei die "größte humanitäre Katastrophe der Welt".
Ein Mann schaufelt nahe dem Camp Dadaab ein Grab für seinen vierjährigen Sohn: Der kleine Junge starb nach heftigen Durchfällen.
Ein Flüchtling aus Somalia läuft im Lager Dadaab in Kenia an Hütten vorbei. Viele Flüchtlinge sind schon seit vielen Jahren im Lager.
Hilfslieferungen sind dringend nötig, um eine größere Katastrophe zu verhindern. Die Hilfsorganisation Oxfam schätzt, dass bis zum Januar eine Milliarde Dollar nötig sind, um die Hungerkatastrophe zu lindern.
So notwendig diese Hilfe kurzfristig ist - langfristig ändert sie nichts. "Wir sehen kein Indiz dafür, dass der derzeitige Trend der Neuankömmlinge nachlassen wird", sagt Bettina Schulte, die für das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR im Lager Dadaab arbeitet.
Somalische Nomaden mit einer Ziegenherde nahe einem kenianischen Flüchtlingscamp: Viele Tiere sterben oder sind krank - die Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage und sind zur Flucht ins Lager gezwungen.
In Somalia ist die Lage dramatisch: Die Übergangsregierung kontrolliert nur kleine Teile des Landes. Dort verteilt sie Hilfspakete an Hungernde. Südlich der Hauptstadt wird das Land von den islamitischen Schabab-Milizen beherrscht.
Seit 20 Jahren herrscht in Somalia Bürgerkrieg. Der dauernde bewaffnete Konflikt verschärft die Not zusätzlich.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden