
Gröhe und Müller in Liberia Zwei Minister beim "Ebola-Check"
Hermann Gröhe hat auf seinem Einreiseformular 17-mal ein Nein angekreuzt. Nein, er hatte in den vergangenen Tagen kein Fieber und hat sich nicht erbrochen. Nein, er hatte keinen Kontakt zu Ebola-Patienten. Nein, er hat auch keiner Bestattungszeremonie für Seuchenopfer beigewohnt.
Wer nach Liberia reisen will, muss diesen Fragebogen bei seiner Ankunft ausfüllen - auch, wenn er Bundesgesundheitsminister ist. Wer nur die kleinsten Anzeichen von Ebola zeigt oder wer beim Fiebermessen vor dem Flughafengebäude eine erhöhte Temperatur hat, wird in Quarantäne geschickt.
Am Donnerstagnachmittag ist Gröhe mit Entwicklungsminister Gerd Müller in Monrovia gelandet. Zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Ebola-Seuche reisen Bundesminister in die Krisenregion nach Westafrika - und das gleich zu zweit.
Die Deutschen haben einiges gutzumachen. Als die Krise im vergangenen Frühjahr ausbrach, reagierte die Staatengemeinschaft nur zaudernd. Auch die Bundesregierung zögerte lang und verhedderte sich im Abstimmungschaos, bevor ihre Unterstützung anlief.
Es brauchte einen Weckruf der liberianischen Staatspräsidentin: "Ohne mehr direkte Hilfe Ihrer Regierung werden wir diese Schlacht gegen Ebola verlieren", hatte Ellen Johnson Sirleaf Anfang September an Kanzlerin Angela Merkel geschrieben. Im Oktober liefen die deutschen Hilfseinsätze dann an.
Sie nennen es den "Ebola-Check"
Liberia ist inzwischen zum doppelten Symbol geworden. Kein Land zählte mehr Ebola-Tote, mehr als 4300 Liberianer sind der Seuche zum Opfer gefallen. Allerdings war auch kein Land bei der Bekämpfung der Seuche erfolgreicher. Verglichen mit Liberia ist die Lage in Sierra Leona und Guinea noch immer katastrophal.
Nach Liberia kehrt das normale Leben langsam zurück. Die Ausgangssperren sind Geschichte, seit Februar gehen die Kinder wieder zur Schule. Im März wurde bei einer letzten Patientin Ebola festgestellt. Zwar verstarb die Frau bald darauf, doch gilt nach Interpretation der Weltgesundheitsbehörde WHO ein Land als seuchenfrei, wenn binnen 42 Tagen keine neue Ansteckung auftritt. Anfang Mai hätte Liberia demnach Grund zum Feiern.
Den Ministern geht es jetzt darum zu zeigen, dass sie einiges verstanden haben. Als Gröhe und Müller die Gangway hinuntersteigen, wartet auf dem Rollfeld der deutsche Botschafter. Ralph Timmermann streckt Gröhe zur Begrüßung die Hand entgegen. Doch der CDU-Politiker reagiert nach neuerer liberianischer Sitte: Er hält dem Diplomaten nur den abgewinkelten rechten Ellbogen hin. Arm an Arm - so begrüßen sich die Liberianer, seit mit der Seuche die Berührungen aus ihrem Leben verschwanden. Sie nennen es den "Ebola-Check".
Die Fahrt mit dem Botschafter führt die Minister vorbei an Hütten aus Wellblech, an fauligen Tümpeln, vorbei am Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen, vor dem einst die Menschen elendig im Staub verreckten, weil die Behelfsklinik völlig überfüllt war. Heute packen die Hilfskräfte dort ihre Kisten. Die akute Notfallhilfe braucht es nicht mehr.
37 Millionen Euro aus Berlin
In Liberia hat nun eine zweite Phase begonnen: Was kommt, wenn Ebola gegangen ist? Der Ausbruch der Epidemie hat nur sichtbar gemacht, woran es mangelt: an einem funktionierenden Gesundheitssystem, einer angemessenen medizinischen Versorgung, Zugang zu Wasser und Strom, Straßen und Bildung. Die Seuche hat das Land, das nach dem Bürgerkrieg ohnehin schon litt, nach Schätzung von Entwicklungsexperten noch einmal um fünf bis zehn Jahre zurückgeworfen.
Müller und Gröhe haben daher ein paar Versprechen im Gepäck. Aus der akuten Nothilfe soll jetzt wieder Entwicklungszusammenarbeit werden. Rund 37 Millionen Euro für den Ausbau von Infrastruktur und Gesundheitswesen will Berlin nun zusätzlich bereitstellen.
Allerdings sind in Liberia nicht alle glücklich darüber, dass Behelfskliniken abgebaut werden und substanzieller Hilfe weichen sollen. Am frühen Abend rollt der kleine Bus mit Gröhe und Müller vor der temporären Behandlungsstation in Monrovia vor, die einst die Bundeswehr mit aufgebaut hat und die nun vom Deutschen Roten Kreuz betrieben wird. Bis das mobile Krankenhaus aufgestellt werden konnte, war der Höhepunkt der Epidemie in der Hauptstadt schon vorbei. Seit Januar wird das Zeltgelände daher als temporäre Infektionsklinik genutzt.
Heute kommen Patienten, die fiebern oder sich erbrechen, die an Malaria, Gelbfieber oder an Typhus leiden - und die kein normales Krankenhaus aufnehmen will, weil das Personal fürchtet, es könne sich doch um Ebola handeln. Für das marode Gesundheitssystem ist die Zeltklinik eine Entlastung, für viele Kranke die letzte Hoffnung.
Hinter einer durchsichtigen Plane sitzen drei Patientinnen auf Plastikstühlen und warten. Von der anderen Seite werfen die Ärzte das Fieberthermometer für Neuankömmlinge durch ein Rohr, damit sie sich nicht anstecken.
Liberias Helfer bangen um ihre Jobs
An diesem Donnerstag ist die einheimische Belegschaft aufgebracht, darüber kann auch ihr Ständchen für die Minister nicht hinwegtäuschen. Neben 50 deutschen Kräften arbeiten 200 Liberianer für die Klinik. Ausgerechnet am Vortag hatten sie erfahren, dass das Krankenhaus Ende April den Betrieb einstellen soll. Denn wo kein Ebola, da auch keine Notfallhilfe mehr.
Boaka S. Kamara bangt nun um seine Arbeit. Der schmale 42-Jährige trägt einen blauen Kittel, seine Stiefel stecken in Gummistiefeln, damit sie sich leichter desinfizieren lassen. Der Pflegeexperte sorgt dafür, dass die Mitarbeiter lernen, wie sie sich vor einer Ansteckung schützen. "Wir sind nicht glücklich", sagt er. "Wenn Ebola geht, bleiben viele Probleme. Es ist wichtig, die Leute hier gut zu versorgen." Für den Besuch aus Deutschland haben die Mitarbeiter eine Petition verfasst. Was als temporäre Klinik geplant war, soll für länger bleiben.
Als Gröhe und Müller mit nassgeschwitzten Hemden wieder Richtung Ausgang laufen, recken ihnen die liberianischen Mitarbeiter Plakate entgegen. "We are jobless" steht darauf. Oder: "please, please stay".
Was aus den liberianischen Fachkräften wird, ist ungewiss. Sie fragen sich, wie sie künftig ihre Familien ernähren sollen. Auch die Deutschen machen sich darüber Gedanken. Immerhin hat sich die temporäre Klinik einen guten Ruf damit erworben, Infektionskrankheiten möglichst schnell zu diagnostizieren, um Ebola-Fälle gleich herauszufiltern. Könnte man das dauerhaft auf große Krankenhäuser übertragen, wäre das liberianische Gesundheitssystem ein Stück weiter.
Zusammenfassung: Die Bundesminister Hermann Gröhe (CDU) und Gerd Müller (CSU) haben das von der Ebola-Epidemie betroffene Liberia besucht - nach der Nothilfe wollen sie nun die Entwicklungszusammenarbeit stärken. Die Minister versprechen, rund 37 Millionen Euro für den Ausbau von Infrastruktur und Gesundheitswesen zusätzlich bereitzustellen.