Einladung EU bietet Island Beitritt in Rekordzeit an

Island hat ein freundliches Angebot aus Brüssel bekommen: Sollte das Land einen Beitrittsantrag stellen, könnte es im Expresstempo in die Europäische Union aufgenommen werden. Doch in der neuen Regierung in Reykjavík gibt es Zweifel, ob das der richtige Schritt wäre.

Hamburg - Island könnte in Rekordzeit 29. Mitglied der Europäischen Union werden. Unter Berufung auf politische Kreise in Brüssel und der isländischen Hauptstadt Reykjavík berichtet der britische "Guardian", dass die EU Island schon 2011 aufnehmen wolle.

Das Beitrittsgesuch erwartet die EU demnach bereits in den nächsten Monaten. Der für die Erweiterung zuständige finnische Kommissar Olli Rehn sagte, Island könne zusammen mit Kroatien aufgenommen werden, das bereits Beitrittskandidat sei. "Island ist eine der ältesten Demokratien der Welt und seine strategischen und ökonomischen Positionen würden für die EU ein Gewinn sein", sagte Rehn. Tschechien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat und Nachfolger Schweden befürworten die Ausweitung der EU ebenfalls.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte in Brüssel über den Bericht: "Bisher haben wir keine Anfrage von Island erhalten." Die Insel sei "ein sehr freundliches Land", und die Entwicklungen zeigten, dass die EU attraktiv bleibe für andere Länder.

Vieles hängt nun von dem neuen isländischen Mitte-Links-Bündnis mit der künftigen Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir ab, das ab diesem Wochenende bis zu den voraussichtlichen Neuwahlen am 9. Mai die Regierungsgeschäfte übergangsweise leitet. Die Sozialdemokraten mit Sigurdardottir setzen sich für eine Volksabstimmung über ein EU-Beitrittsgesuch im Frühjahr ein. Sie sehen die Mitgliedschaft als einzigen Ausweg aus der akuten Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskrise an.

Die Grünen sind dagegen auf einem strikt antieuropäischen Kurs. "Eigentlich wäre doch eine Währungsunion mit Norwegen für uns das Natürliche", meinte der rotgrüne Parteichef Steingrimur Sigfússon. Als Finanzminister der neuen Übergangsregierung soll der populäre Linkspolitiker dafür sorgen, dass Islands seit anderthalb Jahren weitgehend wertlos gewordene Mini-Währung wieder an Kaufkraft gewinnt.

Die Bürger Islands sind klar für eine EU-Mitgliedschaft. Fast zwei Drittel der von 18 Prozent Inflation und 18,6 Prozent Leitzinsen gebeutelten Inselbewohner halten die EU-Mitgliedschaft für den einzigen Weg, um diese Zahlen wieder in erträgliche Bereiche zu drücken. Das erscheint ihnen viel wichtiger als die Souveränität über heimische Fischereirechte - bisher das gewichtigste Argument gegen einen Beitritt. In Reykjavík gilt als sicher, dass die Rotgrünen längerfristig ihre ablehnende Haltung zum EU-Beitritt revidieren.

Die konservative Regierung unter Ministerpräsident Geir Haarde war vor einer Woche zurückgetreten. Im Zuge der internationalen Finanzkrise waren die drei größten Banken Islands zusammengebrochen. Der Bankenkrach hatte eine Staatskrise ausgelöst, in Reykjavík gab es zuletzt heftige Ausschreitungen bei Protesten gegen die Regierung. Der Staatsbankrott konnte nur durch internationale Kredithilfen verhindert werden.

sew/dpa

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