Einsatz gegen Mönche Massenverhaftungen in Burma - Major verweigert Schießbefehl
Rangun - Der geflohene Major will zusammen mit seinem Sohn politisches Asyl in Norwegen oder Schweden beantragen. Das berichtet der Stockholmer Rundfunksender SR. Der 43-Jährige halte sich derzeit im thailändischen Bangkok auf. Es ist die erste bekannt gewordene Flucht eines Militärangehörigen ins Ausland.
Von Bangkok aus habe der Mann berichtet, dass er mit seiner Einheit in Burmas größter Stadt Rangun den Befehl zum Schusswaffeneinsatz gegen Mönche und andere Demonstranten erhalten hatte. Diesen Befehl habe er verweigert. Unmittelbar danach sei er nach Thailand geflüchtet. Auf dem Weg sei gerüchteweise von 200 Toten bei den Protesten in mehreren burmesischen Städten die Rede gewesen.
Diese Zahl bestätigt auch der in Oslo ansässige Exilsender Democratic Voice of Burma. Der Sender meldet außerdem, dass die Lage in Rangun "still und gespannt" sei. Die vom Militärregime unterbrochenen Internet- und Telefonverbindungen seien nach wie vor instabil. Am Dienstag habe es 80 neue Festnahmen gegeben. Außerdem hätten Militäreinheiten begonnen, bei ihren Razzien Fleisch und andere Lebensmittel zu konfiszieren.
Von nächtlichen Todeskommandos berichtete auch ein Einwohner dem Journalisten, der für SPIEGEL ONLINE vor Ort ist: "Die Unterdrückung geht jede Nacht weiter. Wenn es keine Zeugen mehr gibt, dann fahren sie nachts durch die Vorstädte und bringen die Leute um."
Heute Morgen fuhren nach Angaben von Nachrichtenagenturen Militärpolizisten durch die Straßen von Rangun und drohten über Lautsprecher mit der Festnahme von Regimegegnern: "Wir haben Fotos. Wir werden Verhaftungen vornehmen."
Bewohner in der Umgebung der Schwedagon-Pagode berichteten, dass die Polizei in der Nacht einige Dutzend Häuser durchsucht und mehrere Männer festgenommen habe. Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen wurden heute Nacht wahrscheinlich sogar mehrere Tausend Menschen verhaftet. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt. Unter den Verhafteten ist nach Angaben der Uno auch eine ihrer Mitarbeiterinen. Die Frau sei heute mit ihrem Mann, ihrem Schwager und ihrem persönlichen Fahrer festgenommen worden, sagte Uno-Sprecherin Michèle Montas in New York. Über den Verbleib der Frau gibt es bisher keine Informationen. Das Uno-Entwicklungsprogramm (UNDP), für das die Frau arbeitete, bemühe sich um ihre Freilassung, sagte sie.
"Sie gehen in die Häuser und nehmen Leute mit", sagte die amtierende US-Botschafterin in Burma, Shari Villarosa. Mitarbeiter der Botschaft hätten mehrere Klöster aufgesucht und festgestellt, dass sie völlig menschenleer seien. Einige seien von Soldaten abgeriegelt gewesen. "Es gibt wesentlich weniger Mönche auf den Straßen", sagte Villarosa. "Was ist mit ihnen geschehen?"
Der Widerstand in der Bevölkerung geht trotzdem weiter. Viele Bewohner von Rangun entwickelten nach Angaben der US-Botschaft eine neue Form des Protests: Während der abendlichen Nachrichtensendung im staatlichen Fernsehen schalteten sie die Fernsehgeräte und das Licht aus.
Nach Angaben von Dissidenten wurden bei den Demonstrationen bis zu 200 Menschen getötet und 6000 verhaftet. Die Behörden geben die Zahl der Toten mit zehn an. Einer der Toten ist der japanische Kameramann Kenji Nagai, dessen Leiche heute nach Tokio geflogen wurde. Japans Außenminister Masahiko Komura sagte, dass sein Land eine Einschränkung der Entwicklungshilfe für Burma erwäge.
Mahnende Worte kamen auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Ich hoffe, dass China seinen Einfluss in Burma nutzt, damit die notwendigen Bedingungen für ein gewaltfreies Demonstrieren und eine demokratische Entwicklung entstehen können", sagte sie der "Zeit".
Experten warnen vor Hungersnot
Als eine erste Konsequenz wird die Europäische Union die Sanktionen gegen das Militärregime verschärfen. Die Außenminister der 27 EU-Staaten würden am 15. Oktober Einzelheiten beschließen, teilte die portugiesische Ratspräsidentschaft in Brüssel mit. Zugleich sei die EU-Kommission beauftragt worden, die Möglichkeiten für eine Verstärkung der humanitären Hilfe zu prüfen.
Hilfe von auswärts wird immer dringender: Beobachter warnen mittlerweile vor einer Hungersnot. Durch das Vorgehen der Militärjunta gerate die Nahrungsmittelhilfe ins Stocken, sagte der Asien-Direktor des Welternährungsprogramms (WFP), Tony Banbury. Schon jetzt sei jedes dritte burmesische Kind unterernährt. Die akute Sorge sei, dass Preiserhöhungen und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Menschen "die ohnehin schlechte Lage noch schlimmer machen".
Banbury zufolge sind die Burmesen auch wegen gestiegener Lebensmittelpreise auf die Straße gegangen. So habe sich der Reispreis seit Jahresbeginn verdoppelt. Der in Thailand lebende burmesische Flüchtling Win Min sagte, schon jetzt gäben seine Landsleute rund 70 Prozent ihres Einkommens für Essen aus.
Auslöser der Proteste in Burma war im August die Verteuerung von Benzin. Erst allmählich entwickelten sich daraus friedliche Kundgebungen gegen die Militärführung. Die Sicherheitskräfte machten der Massenbewegung mit unerbittlichem Vorgehen vorläufig ein Ende. Nach Angaben der Uno wurden in einem Lagerhaus in Rangun mindestens tausend Demonstranten festgehalten, sie sollen keinerlei Zugang zu Sanitäranlagen haben.
Heute waren in den Straßen Ranguns weniger Sicherheitskräfte zu sehen als in den vergangenen Tagen. Soldaten mit Spürhunden patrouillierten aber an Bushaltestellen und auf Marktplätzen. Am Rathaus und an der Sule-Pagode, wo die Proteste ihren Anfang nahmen, waren Militärfahrzeuge in Stellung.
wal/dpa/AFP/AP