Einsatz in Libyen Opposition entrüstet sich über deutsche Kriegsbeteiligung
Berlin - Ist es ein Verfassungsbruch, oder ist der Vorgang völlig normal zwischen militärisch kooperierenden Bündnispartnern? Dass Bundeswehrsoldaten in die Nato-Leitzentralen für den Libyen-Einsatz entsendet wurden, bringt die Bundesregierung unter massiven Zugzwang - zumal der Fall erst auf gezielte Nachfrage hin publik geworden ist.
Möglicherweise wird die Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an der Auswahl von Bombenzielen in Libyen sogar zum Fall für das Bundesverfassungsgericht: Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele beharrte am Freitag darauf, dass der Bundestag dem Engagement von elf Soldaten der Luftwaffe in die Nato-Einsatzführung hätte zustimmen müssen.
"Lenkt die Bundesregierung nicht ein, müsste gegebenenfalls erneut das Bundesverfassungsgericht die Rechtslage klarstellen", erklärte er.
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass die deutschen Soldaten zur Verstärkung für den Libyen-Einsatz in Nato-Stäbe in Italien entsendet wurden. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte die verfassungsrechtlichen Bedenken Ströbeles bereits zurückgewiesen. Die Mitarbeit in Nato-Stäben und die Bereitstellung von Infrastruktur für den Einsatz sei selbstverständlich. Das bedürfe auch keines Bundestagsmandats. "Andernfalls können wir aus der Nato austreten", sagte der CDU-Politiker.
Ströbele argumentiert dagegen, dass die Soldaten nicht einfach in den Stäben belassen wurden, sondern eigens für den Libyen-Einsatz nach Italien geschickt wurden. Er sprach von einem "adhoc-Einsatz zu konkreten Kriegszwecken".
Westerwelles Versprechen "eine Farce"
Die SPD hat wie de Maizière zwar keine verfassungsrechtlichen Bedenken. An Operationen des transatlantischen Bündnisses seien immer deutsche Soldaten in irgendeiner Form beteiligt, ob mit oder ohne Bundestagsmandat, sagte der verteidigungspolitische Fraktionssprecher Rainer Arnold. "Das Verfassungsgericht würde uns nicht zwingen können, die Nato mehr oder minder zu blockieren."
Arnold warf der Bundesregierung aber Unehrlichkeit in der Libyen-Frage vor. Seiner Meinung nach wäre es richtig gewesen, auch Besatzungen von Awacs-Aufklärungsflugzeugen und deutsche Schiffe für den Einsatz zur Verfügung zu stellen. Das wäre eine echte Einsatzbeteiligung gewesen, die der Bundestag hätte beschließen müssen. "Dann wären wir aber in dem Prozess drin und hätten auch Einfluss", sagte Arnold. "So haben wir jetzt auch Personal im Prozess, aber Gewicht und Gehör haben wir bei diesem Einsatz überhaupt keines."
Schärfere Kritik übte der Vize-Fraktionschef der SPD, Gernot Erler: "Die jetzt bekannt gewordene Beteiligung deutscher Soldaten bei der Auswahl militärischer Ziele in Libyen entlarvt die großspurigen Ankündigungen von Außenminister Westerwelle, sich unter keinen Umständen am Libyen-Einsatz zu beteiligen, als Farce", sagte Erler. Westerwelles Nein sei endgültig als Wahlkampfmanöver enttarnt worden.
Auf maßgebliches Betreiben von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte sich Deutschland im Frühjahr bei der Abstimmung über den internationalen Militäreinsatz zu Libyen im Uno-Sicherheitsrat der Stimme enthalten. Dies hatte Irritationen bei westlichen Verbündeten ausgelöst.
Aus Awacs-Aufklärungsflugzeugen der Nato wurden deutsche Soldaten sogar abgezogen. Auch deutsche Schiffe waren vorübergehend aus Nato-Verbänden ausgeschert, um nicht mit der Libyen-Mission in Berührung zu kommen.
Die mit der Führung des Einsatzes befassten Nato-Hauptquartiere befinden sich in Neapel und in Poggio Renatico in Norditalien. Für die Mission forderte die Nato laut Bundesverteidigungsministerium insgesamt 250 Soldaten zur Verstärkung an, von denen elf von der Bundeswehr gestellt werden.