Eklat im Europaparlament Britischer Rechtspopulist bepöbelt EU-Ratspräsidenten

Es war eine gezielte Provokation im Europaparlament: Der britische Rechtspopulist Nigel Farage verhöhnte den neuen EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy als "feuchten Lappen" und Belgien als "Nichtland". Nun musste er beim Parlamentspräsidenten antreten - und legte noch einmal nach.
Nigel Farage: Der Eklat gehört für ihn zum politischen Geschäft

Nigel Farage: Der Eklat gehört für ihn zum politischen Geschäft

Foto: Virginia Mayo/ AP

Europaparlament

London - Er trug zwar keine Shorts und Schulmütze, wie er ironisch angekündigt hatte, aber zurückzunehmen hatte Nigel Farage nichts. Der Fraktionsvorsitzende der rechtspopulistischen UK Independence Party im musste am Dienstag beim Parlamentspräsidenten Jerzy Buzek antreten, um sich für seine jüngsten Ausfälle im Parlament zu rechtfertigen. Doch auf eine Entschuldigung wartete Buzek vergeblich.

Herman van Rompuy

Er habe sich nicht zu entschuldigen, sagte Farage. Er habe vergangene Woche bloß seine Meinung geäußert, eine Beleidigung könne er nicht erkennen. Beim ersten Auftritt des neuen EU-Ratspräsidenten vor versammeltem Plenum hatte Farage dem Belgier das "Charisma eines feuchten Lappens" und das "Auftreten eines kleinen Bankangestellten" attestiert. Zudem hatte er Belgien als "Nicht-Land" verhöhnt und van Rompuy unterstellt, er sei der "stille Mörder" der europäischen Demokratie.

"Wer sind Sie?", hatte er dem Belgier entgegengerufen. "Ich kenne Sie nicht. Niemand kennt Sie".

Die Pöbelei des Briten hatte für scharfe Proteste in Belgien gesorgt. Premierminister Yves Leterme schrieb einen Beschwerdebrief an Buzek. Als belgischer Politiker müsse er auf die "unhöflichen Kommentare" über sein Land reagieren, erklärte Leterme. Er forderte den Präsidenten des Europaparlaments auf, solche "Zwischenfälle" in Zukunft zu unterbinden.

Buzek zitierte Farage zu sich, doch der nutzte die Gelegenheit nur, um weiter zu provozieren. Er habe sich weder bei van Rompuy noch beim Parlament noch bei den Belgiern zu entschuldigen, sagte Farage nach dem Gespräch. Grinsend fügte er hinzu: "Nur bei allen Bankangestellten in der Welt".

Catherine Ashton

Für Farage gehört der Eklat zum politischen Geschäft. Er sichert sich Aufmerksamkeit und beifälliges Gelächter bei den Wählern daheim. Zuletzt war er im Dezember zu Buzek zitiert worden, nachdem er die neue Außenministerin als "politische Pygmäe" bezeichnet hatte.

Farage, seit 1999 im Europaparlament, liebt es, seine Brüsseler Kollegen zu reizen. Für viele ist er ein rotes Tuch. Seine Partei UKIP will den Austritt Großbritanniens aus der EU. Bei den Europawahlen 2009 erzielte sie viel beachtete 16,5 Prozent der Stimmen. Bei der anstehenden Unterhauswahl will Farage einen Sitz im britischen Parlament erringen. Dafür braucht er Öffentlichkeit, und die sollen seine schrillen Auftritte in Brüssel herstellen.

"Eine Schande für Großbritannien"

In der Heimat sorgt der UKIP-Mann regelmäßig für Beschämung. "Nigel Farage ist eine peinliche Figur, die nicht für Großbritannien spricht", kommentierte die "Times" den jüngsten Zwischenfall. "Guardian"-Blogger Michael White fragte: "Warum nur sind die Briten heute so oft unhöflich in der Öffentlichkeit, wo sie doch einst auf dem Kontinent als Inbegriff der guten Manieren und des Understatements galten?" Für die liberaldemokratische Europaparlamentarierin Fiona Hall ist Farages Benehmen "pubertär", der Abgeordnete Graham Watson nennt ihn "eine Schande für Großbritannien".

Es gibt jedoch auch andere Stimmen auf der Insel - der rechte Boulevard amüsiert sich prächtig über die Attacken auf "Rumpy Pumpy", wie der EU-Ratspräsident bei einigen Blattmachern heißt. Die "Sun" fand die Beleidigungen gegen van Rompuy "absolut brillant", und "Daily Mail"-Kolumnist Quentin Letts regte sich über die "weinerliche" Kritik an Farage auf.

Farage durfte seine Sprüche vergangene Woche in der BBC-Talkshow "Question Time" wiederholen. Als der Moderator ihm sein Zitat vorlas, Belgien sei ein "Nichtland" und damit Lachen im Saalpublikum auslöste, sagte Farage: "Das ist absolut richtig." Das Land sei eine "künstliche Konstruktion" und damit ein Prototyp für das mangelhafte EU-Modell. Belgien werde sich in den nächsten Jahren aufspalten.

Parlamentspräsident Buzek erlegte Farage am Dienstag eine Geldbuße von 3000 Euro auf. Das dürfte den Briten enttäuschen, hatte er doch mit einer Suspendierung oder dem Entzug des Fraktionsvorsitzes gerechnet. Doch auch so hat er sein Ziel erreicht: Krach mit europäischen Autoritäten gilt in manchen Kreisen als Ritterschlag, und in den Augen seiner Wähler kann ihn das nur aufwerten.

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