Rede zur Zukunft der EU Macron fordert "Neugründung Europas"

Zwei Tage nach der Bundestagswahl hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine Reformpläne für die EU vorgestellt. Derzeit sei die Europäische Union "zu langsam, zu schwach, zu ineffizient", kritisierte er in einer Grundsatzrede vor Studenten an der Pariser Universität Sorbonne. Nur ein starkes Europa könne sich den Herausforderungen einer globalisierten Welt stellen. "Wir wollen ein starkes Europa in der Welt", sagte der Präsident unter dem Beifall der Zuhörer.
Er drängte außerdem auf einen eigenen Etat für die 19 Staaten der Eurozone, um gegen finanzielle Turbulenzen gewappnet zu sein. "Wir brauchen ein gestärktes Budget im Herzen von Europa, im Herzen der Eurozone", sagte Macron. Bisher umfasst der Haushalt der gesamten EU knapp 160 Milliarden Euro pro Jahr und es gibt keine eigenen Schulden.
Er forderte auch einen eigenen Finanzminister für die Eurozone. In Deutschland und bei der EU-Kommission gibt es Bedenken gegen solche weitgehenden Reformvorhaben. Widerstand gegen einen Eurozonenhaushalt gibt es vor allem bei der FDP, die nach der Bundestagswahl als potenzieller Koalitionspartner gilt.
Macron forderte darüber hinaus ein europäisches Verteidigungsbudget und eine gemeinsame Interventionstruppe. Diese soll zum Beginn des kommenden Jahrzehnts geschaffen werden. Europa solle dann auch eine "gemeinsame Doktrin" haben. Europa müsse im Verteidigungsbereich eine gemeinsame strategische Kultur entwickeln. Er schlage vor, in den nationalen Armeen der Mitgliedstaaten freiwillig Soldaten aus allen anderen europäischen Ländern aufzunehmen, sagte Macron. Frankreich werde mit dieser Initiative in seinen Streitkräften beginnen.
Macron schlug auch vor, eine "europäische Staatsanwaltschaft" zu schaffen, um den Kampf gegen den Terrorismus zu verstärken. Außerdem will er eine "europäische Asylbehörde" ins Leben rufen, um schneller über die Anträge von Flüchtlingen entscheiden zu können. Zudem schlug der Präsident einen europäischen Zivilschutz vor, um die EU besser gegen Naturkatastrophen zu wappnen.
Macron startete auch einen neuen Anlauf für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa. Er sprach sich dafür aus, die Steuer auf Börsengeschäfte auch in anderen EU-Ländern einzuführen. In Frankreich gibt es die Börsensteuer bereits. Er sei bereit, diese Einnahmen in die Entwicklungshilfe zu stecken.
Paris hält den Zeitpunkt der Rede offenbar für günstig. Macron will nach Meinung von Beobachtern nicht abwarten, bis in Berlin nach der Bundestagswahl ein Koalitionsvertrag unter Dach und Fach ist. Dann sei es möglicherweise zu spät, die Europadebatte zu beeinflussen. Nach der Wahl in Deutschland öffne sich für Europa ein neues Kapitel, die Debatte müsse sofort beginnen; es sei keine Zeit zu verlieren, hieß es aus dem Élysée-Palast.
Nikolaus Meyer-Landrut, deutscher Botschafter in Paris, hatte die Vorlage der Pläne und eine öffentliche Debatte zwar begrüßt. "Deutschland wird (aber) derzeit nicht in der Lage sein, auf die Vorschläge im Detail zu antworten, denn dafür ist eine Mehrheit, eine Regierung nötig", sagte der Spitzendiplomat beim Nachrichtensender BFMTV.
Bei der Präsidentenwahl im Frühjahr war Macron gegenüber dem rechtsextremen Front National (FN) als klarer Europabefürworter angetreten.