Frankreichs Beteiligung an den Luftangriffen "Nichts tun ist schlimmer"

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich bisher nicht persönlich zu den französischen Raketenangriffen auf Syrien geäußert - offenbar auch aus Rücksicht auf Deutschland.
Emmanuel Macron

Emmanuel Macron

Foto: GONZALO FUENTES/ REUTERS

Die Befehlshaber zeigten sich, doch einer fehlte. US-Präsident Donald Trump verkündete die Raketenangriffe auf Syrien bereits am Freitagabend, die britische Premierministerin Theresa May am Samstagmorgen. Doch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron trat nicht auf. Obwohl es der erste französische Militäreinsatz unter seinem Kommando war.

Stattdessen will Macron erst in einem seit Langem geplanten Fernsehinterview am Sonntagabend Stellung beziehen. Der Präsident twitterte in der Nacht der westlichen Militärschläge gegen Syrien nur ein Bild aus den Kellern des Elysee-Palasts, wo er im Kreis mit seinem wichtigsten außenpolitischen Berater, dem ehemaligen Botschafter in Berlin, Philippe Etienne, und einigen Generälen saß.

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Man kann das durchaus als Signal von Macron an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verstehen, die erst vor zwei Tagen angesichts der Lage in Syrien sagte: "Einfach nur gar nichts zu tun, ist manchmal auch schwierig." Macrons Antwort auf Merkel lautet: Schau' her, ich halte keine großen Reden, ich spiele mich nicht zum Feldherrn auf, an meiner Seite sitzt der Mann, der ständig an Deutschland denkt - aber glaube mir, der Westen musste etwas tun.

Statt selbst zu reden, schickte Macron am Tag nach den Angriffen auf Syrien seinen Außenminister Jean-Yves Le Drian vor die Kameras. Le Drian ist ein alter Haudegen von 70 Jahren, der schon unter Macrons Vorgänger François Hollande fünf Jahre Verteidigungsminister war und als junger Mann im Kabinett des sozialistischen Präsidenten François Mitterrand diente.

Le Drian ist ein bodenständiger Bretone, der bei vielen Franzosen Vertrauen erweckt - was Militärschläge betrifft vermutlich mehr als der junge Präsident. Also erklärte Le Drian den Franzosen am Samstagmorgen per Fernseh-Direktschaltung aus dem Pariser Außenministerium: "Das Ziel ist erreicht. Ein großer Teil der syrischen Chemiewaffen wurde zerstört."

Jean-Yves Le Drian

Jean-Yves Le Drian

Foto: MICHEL EULER/ AFP

Zu der Frage, ob Syrien tatsächlich am 7. April Chemiewaffen gegen Rebellen in der syrischen Stadt Duma eingesetzt hat, sagte Le Drian: "Wir haben wichtige Hinweise, die darauf hindeuten." Er zählte Zeugenaussagen, Videos und Krankenhausberichte auf. Er sagte aber auch, dass man nicht wisse, ob der syrische Präsident Baschar al-Assad den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz selbst befohlen habe.

So erklärte Le Drian im Grunde sehr genau, dass es keine absoluten Beweise für die Verantwortung des syrischen Regimes gegeben habe, aber jede Menge glaubwürdiger Informationen. Auf dieser Basis habe man sich mit den Vereinigten-Staaten und Großbritannien für den Angriff entschieden.

Macron will am liebsten alles mit Deutschland machen

"Und wo ist Deutschland dabei?" wurde Le Drian vom französischen Fernsehreporter gefragt. "Ich werde die Außenminister der Europäischen Union am Montag treffen und sie werden uns folgen", lautete die ausweichende Antwort des französischen Außenministers.

Hier blitzte kurz eine seit Langem bekannte Meinungsverschiedenheit zwischen dem Präsidenten und dem erfahrenen Außenminister auf. Macron will am liebsten alles zusammen mit Deutschland machen. Le Drian zweifelt, dass das möglich und sinnvoll ist. Von ihm ist bekannt, dass er im privaten Kreis manchmal davor warnt, Deutschland zu einer militärischen Großmacht hochzurüsten.

Spätestens seit der britischen Entscheidung über den Brexit aber hat Le Drian die Aufgabe, eine engere deutsch-französische Verteidigungszusammenarbeit zu koordinieren, erst als Verteidigungsminister unter Hollande, heute als Außenminister Macrons.

Macrons Deutschland-Bezogenheit steht außer Zweifel. Ständig betont er, dass Europa seine Souveränität in Zukunft selbst verteidigen muss und Frankreich und Deutschland dafür die größte Verantwortung tragen. "Deutschland muss sich im Klaren sein, welches große politische Kapital Macron auf das Bündnis mit Merkel gesetzt hat", sagte am Freitag der ehemalige französische Strategie-Kommissar, Jean Pisani-Ferry, dem SPIEGEL.

"Merkel will sich keine Abenteuer geben"

Pisani-Ferry schloss sich im vergangenen Jahr Macron an und verfasste große Teile von dessen Wahlprogramm. Nun hoffte Pisani-Ferry, dass die unterschiedlichen Haltungen Merkels und Macrons in der Syrien-Frage ihr gemeinsames europäisches Engagement nicht überschatten würden.

Doch wie sollte es anders sein? "Trotz des Brexits hat Deutschland Großbritannien nicht als wichtigster sicherheitspolitischer Verbündeter in Europa abgelöst. Die Angriffe auf Syrien liefern den Beweis", analysierte der französische Außenpolitik-Experte und langjährige Havard-Dozent Dominique Moisi gegenüber dem SPIEGEL.

Moisi ist Berater des französischen Instituts für Internationale Beziehungen in Paris und spricht für einen einflussreichen Teil des französischen diplomatischen und militärischen Establishments. "Nichts tun ist schlimmer", wies Moisi die deutsche Haltung gegenüber dem mutmaßlichen syrischen Chemiewaffeneinsatz streng zurück. "Das spiegelt eine deutsche Tradition, die von der Pastorentochter Merkel noch verstärkt wird: Sie will sich in keine Abenteuer begehen, die sie nicht kontrolliert, sie hat das Temperament von Barack Obama, der jedes Risiko mied, einen neuen Krieg auszulösen."

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