Ende des Zweikampfs Erst Clinton hat Obama stark gemacht
Washington - Die Vorwahlschlacht dauerte fast anderthalb Jahre, jetzt ist Barack Obama Kandidat der Demokraten. Doch als er am Dienstagabend zu seiner Siegesrede ansetzt, gelten die schwungvollsten Passagen nicht ihm selber - sondern seiner Nemesis der vergangenen Wochen: Hillary Clinton. "Sie hat Geschichte geschrieben", lobt Obama. Und: "Ich bin ein besserer Kandidat dank ihr." Einen Tag später legt er in einer Rede in Washington euphorisch nach: "Sie ist eine außergewöhnliche Dienerin des Gemeinwohls."
Viele Beobachter werteten Obamas Sätze als geschickten taktischen Schachzug - das erste Buhlen um 18 Millionen Wähler, die Clinton unterstützt haben. Wahrscheinlicher ist aber, dass der demokratische Hoffnungsträger das Lob ernst meint. Denn er muss Hillary Clinton tatsächlich sehr dankbar sein.
Sicher: Die Rivalin hat ihm immer wieder unterstellt, er sei nicht vorbereitet für das Weiße Haus. Er sei zu jung, zu unerfahren, vielleicht gar zu schwarz. Obama, stichelte Clinton, halte schöne Reden - aber sei doch eigentlich ein Leichtgewicht.
Doch ihre Verdienste für Obama überwiegen - wenn auch nicht alle so gewollt waren. Nicht nur haben Clintons heftige Attacken den Wahlkampf-Novizen abgehärtet. Vor allem aber hat erst die Art und Weise, wie sie ihren eigenen Wahlkampf führte, Obama so hell strahlen lassen. Der Kandidat wird seine zähe Parteifreundin noch vermissen, wenn es ernst wird im Wahlkampf gegen John McCain. Denn sein Image, das er im Vergleich mit Hillary Clinton gewonnen hat, könnte im Duell mit John McCain rasch verwischen.
Stichwort "Change in Washington"
Clinton trat an als die "Unvermeidbare". Sie verwies auf ihre Erfahrung im Senat, auf ihre acht Jahre als First Lady im Weißen Haus. Erst in den letzten Wochen ihrer Bewerbung präsentierte sie sich eher als "underdog". Umso leichter war es für Obama, sich als Stimme des Wandels zu präsentieren. Das wird gegen McCain schwieriger. Der 71 Jahre alte Republikaner ist zwar seit Jahrzehnten in Washington und trägt die Bürde der Bush-Präsidentschaft. Doch ihn schmückt (berechtigt oder nicht) das Etikett des "Maverick": eines mutigen Politikers, der die Washingtoner Trenngräben zwischen den Parteien ignoriert und die Mauscheleien der Hauptstadt nicht mitmacht.
Stichwort Leichtigkeit
Bei seinen Auftritten tänzelte Obama oft auf die Bühne - ein schönes Bild für die Leichtigkeit seines politischen Aufstiegs. Immer schien dem eleganten Redner alle Sympathien zuzufliegen. Clinton hingegen gab sich als detailbesessene Polit-Arbeiterin, die auch den achten Unterpunkt eines Politvorschlags akribisch erläuterte. Im Laufe des Vorwahlduells verstärkte Clinton den Eindruck noch: Sie schwor, noch um drei Uhr morgens im Weißen Haus das Telefon abzunehmen, und krempelte ständig verbal die Ärmel hoch.
Weil Clinton so engagiert zu Werke ging, musste Obama eher selten die Frage beantworten, ob er denn nicht auch ein übermäßig ehrgeiziger Bewerber ist - der mit gestärkten Hemden und bisweilen gestelzter Rhetorik bemüht wirken kann. Der bei seine ersten Wahlkämpfen in Chicago nicht zögerte, Rivalen mit formalen Beschwerden auszustechen.
McCain kann ihm eigene Leichtigkeit entgegen setzen: Er galt in seiner Jugend als Draufgänger und Frauenheld, er kokettiert mit seinen schlechten Noten in der Militärakademie. Heute noch deckt er Senatskollegen mit undruckbaren Schimpfwörtern ein, seine lockeren Gesprächsrunden im Wahlkampfbus sind bei US-Journalisten legendär.
Stichwort Lebensgeschichte
Obamas Lebensgeschichte ist so eindrucksvoll, dass er schon mit 33 Jahren eine erste Bestseller-Biographie verfasste: Sohn eines schwarzen Vaters aus Kenia und einer Mutter aus Kansas, aufgewachsen in Hawaii und Indonesien. Aufstieg aus einfachen Verhältnissen bis zum Star-Studenten in Harvard. Sozialarbeiter in Chicago. Polit-Rockstar. Diese Stationen strahlten noch heller, weil Clinton trotz eigener eindrucksvoller Biographie nie eine vergleichbare Geschichte über sich erzählte - zu sehr war sie auf bekannte Meilensteine wie den Senat und das Weiße Haus fixiert. Auch hier muss Obama bald die Bühne teilen: McCains Erinnerungen an seine fünf Jahre lange Einzelhaft in Vietnam dürften die Wähler sehr bewegen.
Stichwort Prinzipientreue
Obama stimmte einst gegen den Irak-Krieg. Clinton war dafür - und versuchte, dann ihre Position politisch zu verkaufen. In Umfragen hielten 60 Prozent der Wähler sie für nicht vertrauenswürdig und opportunistisch. So konnte der Senator aus Illinois sich als prinzipientreu darstellen, obwohl seine spätere Haltung zur Bush-Invasion auch politisches Kalkül verriet. McCains bedingungslose Unterstützung etwa des Irak-Kriegs mag störrisch erscheinen - doch niemand unterstellt ihm Prinzipienlosigkeit. McCain weiß um diese Stärke. "Ich habe oft unbequeme Positionen", lobt er sich selbst.
Stichwort "Big Money"
Obama und Clinton haben beide Rekorde beim Spendensammeln gebrochen. Doch weil Clinton das Internet und Kleinspender vernachlässigte, konnte Obama sich trotz seiner vielen Spenden-Millionen als Gegner von "big money" präsentieren. Clinton umgab sich zudem so offen mit Washington-Lobbyisten, dass Obamas Unschlüssigkeiten im Umgang mit denen nicht auffielen. McCain hingegen fühlt sich bei Spenden-Galas unwohl - und macht den Kampf gegen Lobbyisten selbst zum Wahlkampfthema (auch wenn viele in seinem Wahlkampfteam arbeiten).
Das Duell mit McCain birgt also Fallen für Obama. Doch er kann auf Vorteile bauen, die er ebenfalls der Zähigkeit seiner Rivalin verdankt. Ohne den Kampf mit Clinton in ländlichen Bundesstaaten wie Pennsylvania oder Ohio hätte Obama wohl erst weit später realisiert, dass einfache weiße Wähler sich schwer tun mit ihm. Dass er oft eher zu Wählern spricht als mit ihnen. Seine Helfer haben darauf reagiert: Mittlerweile tritt Obama oft in kleineren Runden auf, er lockert häufiger die Krawatte, trinkt vor laufenden Kameras Bier. Außerdem hat die Vorwahlschlacht in 50 Bundesstaaten schon Demokraten im ganzen Land für den November mobilisiert. Der Endlos-Zweikampf zwischen Obama und Clinton hat zudem John McCain bislang weitgehend aus den Schlagzeilen verdrängt.
Sollte Obama die Parteirivalin also aus Dankbarkeit gleich zur Vizepräsidentin ernennen? Eher unwahrscheinlich, aus verschiedenen Gründen. Doch Clinton könnte Obamas wichtigste Wahlhelferin werden. Immerhin muss auch sie Obama dankbar sein: Das harte Duell hat ihre Emanzipation von Ehemann Bill beschleunigt - hin zu einer eigenständigen politischen Figur, die sich als erstaunlich gute Wahlkämpferin entpuppte.
Die kommenden Monate könnten glatt der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden.