Entführung am Hindukusch Deutsche Geisel in Afghanistan befreit
Kabul - Sichtlich stolz präsentierte der afghanische Geheimdienst NDS am Donnerstagmorgen seine erfolgreiche Operation und auch die befreite Geisel auf einer Pressekonferenz in Kabul. Offenbar hatten die afghanischen Sicherheitskräfte sehr genaue Informationen, wo sich die Kidnapper mit ihrem Opfer aufhielten. Der afghanische Dienst NDS habe in der Nacht gegen 2 Uhr ein Haus nördlich von Kabul gestürmt. Dabei seien drei sehr junge Männer gefasst worden.
Nach Angaben des NDS hatten die Entführer von der Familie des Mannes drei Millionen Dollar Lösegeld gefordert. Um ihre Forderungen zu untermauern, hatten sie gedroht, dem Deutsch-Afghanen ein Ohr oder mehrere Finger abzuschneiden.
Der 33-jährige entführte Afghane mit einem deutschen Pass stammt aus Hamburg und war vor einigen Monaten nach Kabul zu seiner Familie gezogen. Die afghanischen Behörden gaben seinen Namen mit Azizullah an. In der afghanischen Hauptstadt arbeitete er als Manager einer sogenannten "Wedding Hall" mit dem Namen "Heart of the Bride", in der große Hochzeiten stattfinden.
Vor zwei Wochen dann war der Deutsche nach der Arbeit entführt worden. Recht schnell wandten sich die Entführer mit einer Geldforderung an die Familie des Kidnapping-Opfers. Diese wiederum schaltete die deutsche Botschaft ein. In den vergangenen Tagen mussten die Experten aus dem Krisenstab jedoch fürchten, der Entführte könnte möglicherweise umgebracht worden sein, da sich die Entführer nicht mehr meldeten.
Auch wenn im Westen fast ausschließlich über die Kidnapping-Fälle von Ausländern berichtet wird, sind Fälle wie des Deutsch-Afghanen am Hindukusch tägliche Routine. Hunderte, wenn nicht Tausende Afghanen, so die Schätzungen, sind aktuell in der Hand von Entführern. Diese wollen entweder viel Geld oder versuchen, Angehörige bei Geschäften zu bedrängen kaum ein größerer Deal wird ohne eine oder mehrere Entführung abgeschlossen.
Diese "Entführungsindustrie" hat in den letzten Jahren überall in Afghanistan schier unglaubliche Ausmaße angenommen. So setzten in Herat im Westen des Landes im Frühjahr fast alle Ärzte die Arbeit aus: Die Mediziner streikten quasi gegen Entführungen - immer wieder waren ihre Kinder gekidnappt worden, da die Kriminellen auf hohe Lösegeldsummen spekulierten.
Dass man mit Geiseln, die neben dem afghanischen Pass noch einen zweiten aus dem westlichen Ausland besitzen, noch mehr Geld machen kann, wissen die Entführerbanden. Deshalb versuchen die sogenannten Doppelstaatler in Afghanistan, ihre doppelte Nationalität geheim zu halten. Auch wenn Afghanen Besuch aus dem Ausland bekommen, verpflichten sie alle Verwandten aus Angst zum Stillschweigen.
Im vergangenen Sommer waren die deutschen Ingenieure Rudolf Blechschmidt und Rüdiger D. am Hindukusch verschleppt worden. Blechschmidt war im Oktober nach fast drei Monaten Geiselhaft in Afghanistan freigekommen, sein Kollege war kurz nach der Entführung im Juli 2007 erschossen worden.
mgb/als