

Kairo - Imam Abu Omar ist über die Urteile im Prozess gegen seine Entführer frustriert. Der 2003 in Italien von der CIA verschleppte islamische Prediger Abu Omar ist enttäuscht über die Urteile im Prozess gegen seine Entführer. Auch der frühere Chef des italienischen Militärgeheimdienstes, Nicolò Pollari, und der damalige Chef des US-Geheimdienstes CIA in Mailand, Robert Lady, hätten verurteilt werden müssen, sagte der 2003 in Italien von der CIA verschleppte Prediger. Doch beide blieben straffrei. "Lady war sogar einmal dabei gewesen, als man mich gefoltert hatte", sagte der Islamist, der inzwischen in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria lebt, der arabischen Zeitung "Al-Hayat".
Auch die US-Regierung hatte die Urteile des Mailänder Gerichts kritisiert, allerdings aus anderen Gründen. Ein Sprecher des Außenministeriums hatte am Mittwoch erklärt: "Wir sind enttäuscht."
Im weltweit ersten Prozess um die Verschleppung von Terrorverdächtigen durch die CIA während der Ära von US-Präsident George W. Bush hatte ein Gericht in Mailand am vergangenen Mittwoch 20 CIA-Agenten in Abwesenheit zu Haftstrafen zwischen fünf und acht Jahren verurteilt. Zwei italienische Agenten verurteilte der Richter zu jeweils drei Jahren Gefängnis. Außerdem müssen sie an Abu Omar und seine Ehefrau als Entschädigung insgesamt 1,5 Millionen Euro zahlen.
Laut den Ermittlungen des Mailänder Staatsanwaltes hatte die CIA den ägyptischen Islamisten entführt und über den deutschen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein nach Ägypten gebracht, wo er ohne Prozess inhaftiert und gefoltert wurde. Der Ägypter, dem man letztlich keine terroristischen Aktivitäten nachweisen konnte, kam erst 2007 endgültig frei. Nach seinen Angaben wurde gegen ihn ein Reiseverbot verhängt.
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Ein Gericht in Mailand befand am 4. November 2009 23 US-Bürger der Entführung des muslimischen Geistlichen Abu Omar für schuldig. Auf dem Bild aus dem Jahr 2007 zeigt Abu Omar eine Narbe auf seinem Arm. Die Amerikaner sollen den gebürtigen Ägypter 2003 auf offener Straße in Mailand überwältigt und in einen Lieferwagen gestoßen haben.
Anschließend wurde er über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland nach Ägypten ausgeflogen und dort monatelang in einem CIA-Geheimgefängnis festgehalten - ohne Anklage, ohne Anwalt.
Abu Omar auf einem Bild mit seiner verschleierten Frau Nabila. Der Geistliche gab später an, während der Gefangenschaft gefoltert worden zu sein. Gegenüber SPIEGEL ONLINE schilderte er seine Erlebnisse: Seine Peiniger hätten Elektroden an seine Genitalien angeschlossen, ihn mit lauter Musik fast in den Wahnsinn getrieben, ihn tagelang an den Armen aufgehängt.
Ein undatiertes Archivfoto von Abu Omar. Ein Pazifist war der Imam nicht: Jahrelang hatte er in der Mailänder Islamisten-Szene gegen die USA gehetzt, selbst in Afghanistan gekämpft. Für die CIA war er eine Zielperson, auf den Rechtsstaat wollten die amerikanischen Terrorjäger nicht warten. Männer wie ihn wollten sie rasch und möglichst lautlos aus dem Verkehr ziehen.
Selten zuvor ist eine verdeckte CIA-Operation so minutiös rekonstruiert worden wie bei dem Mailänder Prozess: Allein für den ersten Teil seines Plädoyers Anfang Oktober benötigte der Staatsanwalt Armando Spataro sieben Stunden. Fünf Jahre lang hat er in dem Fall Puzzleteilchen an Puzzleteilchen gefügt. Zu Beginn der Ermittlungen hatte er nur eine Liste mit mehr als 10.000 verschiedenen Handy-Verbindungen, schließlich konnte er 26 Personen wegen des Entführung anklagen.
Das Urteil ist das erste im Zusammenhang mit dem geheimen CIA-Programm zur außerordentlichen Überstellung von Terroverdächtigen ("secret renditions").
Robert Lady war der verantwortliche CIA-Mann in Mailand - hier ein Bild seines Hauses in Penango, Piemonte. Lady lehnte die unrechtmäßige Entführung des Islamisten wohl ab, koordinierte sie aber trotzdem. Er sei unschuldig, hatte Lady noch im Juni dieses Jahres beteuert. Die Entführung von Abu Omar sei eine Staatsangelegenheit gewesen - "entschieden und ausgeführt im Namen des Kriegs gegen den Terror. Ich war nur ein Soldat in diesem Krieg".
Nach zwei Jahren des Prozesses fällte Richter Oscar Magi das Urteil: Mit dem verhängten Strafmaß blieb er weit hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. 22 Angeklagte wurden zu Gefängnisstrafen von je fünf Jahren verurteilt - die Staatsanwaltschaft hatte bis zu 13 Jahren gefordert. Drei Amerikaner und sieben italienische Agenten wurden freigesprochen.
In Mailand ging es nicht nur um die gezielte Entführung eines Terrorverdächtigen ohne richterliche Anordnung, sondern immer auch um die politische Unabhängigkeit der italienischen Justiz. "Dieser Prozess wird auch zeigen", hatte Staatsanwalt Armando Spataro vor dem Urteil gesagt, "ob die politische Macht in Italien inzwischen in der Lage ist, unabhängige Ermittlungen zu beeinflussen. Und ob ein Staatsanwalt eine Straftat noch immer als solche verfolgen darf."
Staatsanwalt Spataro hat in den vergangenen Jahren zu spüren bekommen, welche Folgen so viel Ausdauer haben kann: Er wurde abgehört, der italienische Geheimdienst ließ ihn beobachten, es gab sogar Ermittlungen wegen Geheimnisverrats gegen ihn.
Bei dem Prozess sagte auch Abu Omars Ehefrau, Nabila Ghali, vor Gericht aus. Auf dem Bild verlässt sie im Mai 2008 das Gerichtsgebäude in Mailand.
"Gerechtigkeit für Abu Omar" steht auf einem Poster vor dem Mailänder Gericht.