Eritrea und Äthiopien Wie nachhaltig ist der Frieden?

Eritrea gilt als brutale Diktatur, jedes Jahr fliehen Zehntausende aus dem Land. Jetzt hat die Regierung Frieden mit dem Nachbarn Äthiopien geschlossen - nach 20 Jahren. Wird sich das Regime öffnen?
Präsident Isayas Afewerki (r.) und Premier Abiy Ahmed in Addis Abeba

Präsident Isayas Afewerki (r.) und Premier Abiy Ahmed in Addis Abeba

Foto: TIKSA NEGERI/ REUTERS

Eritreas Präsident Isayas Afewerki, 72, zeigt der Welt gerade sein freundliches Gesicht. Der großgewachsene Herr mit dem markanten Schnauzer hat vor wenigen Tagen Frieden geschlossen - mit dem Erzrivalen Äthiopien.

Am Sonntag kam Afewerki in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba an. Danach nahm er die Schlüssel der seit 20 Jahren verlassenen Botschaft entgegen und hisste, mitten in der Hauptstadt des bisherigen Feindes, Eritreas grün-rot-blaue Flagge.

Afewerki (r.) vor Eritreas Botschaft in Addis Abeba

Afewerki (r.) vor Eritreas Botschaft in Addis Abeba

Foto: STRINGER/ EPA-EFE/ REX/ Shutterstock

Zwei Jahrzehnte befand sich Afewerkis Land in einem eingefrorenen Grenzkonflikt mit Äthiopien. Dann machte der neue Regierungschef Äthiopiens, Ahmed Abiy, eine Offerte zum Frieden. Ein unerwarteter Schritt.

Noch überraschender: Afewerki schlug fast umgehend ein. Der Äthiopier Abiy reiste ins eritreische Asmara, und unterschrieb die gemeinsame "Friedenserklärung".. Äthiopien will demnach ein umstrittenes Grenzgebiet an Eritrea abtreten. Im Gegenzug soll Äthiopien Zugang zum Roten Meer erhalten, Handels- und Personenverkehr sollen folgen.

Ethiopian-Airlines-Maschine vor dem Flug nach Asmara

Ethiopian-Airlines-Maschine vor dem Flug nach Asmara

Foto: TIKSA NEGERI/ REUTERS

Am Mittwoch setzte der erste kommerzielle Flug der staatlichen äthiopischen Fluglinie Ethiopian Airlines in der eritreischen Stadt Asmara auf. Es kann zudem wieder von Äthiopien nach Eritrea telefoniert werden. Viele schöne Geschichten - und historisch ist der Frieden auf jeden Fall.

Doch all das kann nicht überdecken, welche beiden Länder da wieder zueinander gefunden haben. Außerdem gibt es auch dem Weg zu einer echten Kooperation noch einige Hindernisse.

Äthiopiens hundert Millionen Einwohner werden in einem starren Vier-Parteien-System autokratisch regiert. Der jugendlich wirkende Premier Abiy hat in seinen ersten hundert Amtstagen seit April bereits für Aufregung gesorgt: Er versprach die Privatisierung von Staatsbetrieben, ließ politische Gefangene frei, beendete den Ausnahmezustand.

Aber Spannungen in dem multiethnischen Riesenland in Ostafrika bestehen weiter, und werden die gut klingenden Zukunftspläne des früheren Geheimdienstchefs Abiy noch auf harte Probe stellen.

Widerstand gegen Abiys Kurs

Abiy ist, wie die Premiers vor ihm, Regierungschef von Gnaden der TPLF. Diese Partei aber repräsentiert nur eine Minderheit im Land, gibt aber in dem Vierparteienbündnis EPRDF den Ton an. Ein Anschlag auf eine Veranstaltung mit Abiy Ende Juni in Addis Abeba zeigte, dass es offenbar auch Gegner der radikalen Wende gibt, die der Premier wohl einleiten will.

Und Eritrea? Es gilt als eine Art Nordkorea auf dem afrikanischen Kontinent: arm, extrem militarisiert, ohne freie Presse. Bis vor Kurzem war es völlig isoliert, es dringen kaum Informationen nach außen. Es ist nicht einmal bekannt, wie viele Menschen überhaupt dort leben.

Neue politische Kontakte ins Ausland gibt es erst, seit Eritrea mit seinem Hafen Assab für die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien eine Marinebasis für den Jemenkrieg stellt. Kürzlich nahmen auch die USA wieder Kontakt auf, als deren Afrikakoordinator Donald Yamamoto nacheinander Eritrea, Dschibouti und Äthiopien bereiste.

Die Uno attestierte Eritrea im Jahr 2009, somalische Islamisten gegen Äthiopien zu unterstützen, der Sicherheitsrat verhängte ein Embargo. Außerdem berichten Flüchtlinge von systematischer Folter und willkürlichen Verhaftungen. Alles nicht überprüfbar, aber die Uno hält es für so glaubwürdig, dass sie die Menschenrechtsverletzungen in ihren Eritrea-Berichten auflistet.

Nationaler Wehr- und Arbeitsdienst

Die Folgen: Monat für Monat fliehen etwa 5000 Eritreer außer Landes, gut 60.000 also jedes Jahr. Die meisten ziehen weiter nach Europa. in den vergangenen zwei Jahren beantragten allein in Deutschland knapp 30.000 Eritreer Asyl.

Neben der staatlichen Willkür fürchten die Menschen vor allem den sogenannten nationalen Dienst: Bei diesem Wehr- und Arbeitsdienst, der auch in Bergwerken geleistet werden muss, ist offen, wie lange er dauert. Wer eingezogen wird, kann ein oder viele Jahre mit Zwangsarbeit verbringen. Treffen kann es Frauen und Männer, auch Minderjährige oder Eritreer über 50 Jahren.

Junge Wehrpflichtige bei der Unabhängigkeitsparade im Jahr 2007

Junge Wehrpflichtige bei der Unabhängigkeitsparade im Jahr 2007

Foto: Stringer ./ REUTERS

Präsident Afewerki versprach im Jahr 2015 der EU, den Zwangsdienst auf 18 Monate zu begrenzen. Dafür erhielt er 200 Millionen Euro, doch geändert hat sich bislang nichts.

"Versöhnung ist nicht in Sicht"

Für den ehemaligen Marxisten und Freiheitskämpfer Afewerki war der kalte Krieg mit Äthiopien immer die Begründung für den unbegrenzten Wehrdienst. Fällt die Bedrohung nun weg, verliert der Staatschef sein zentrales Argument dafür, zwischen 300.000 bis 500.000 Menschen in Wehrdienst und Zwangsarbeit zu halten.

Auch dass die eritreische Verfassung seit Mitte der Neunzigerjahre außer Kraft und das Parlament seit 1998 aufgelöst ist, hat Afewerki stets mit der äthiopischen Gefahr gerechtfertigt.

Eritreische Oppositionelle im Ausland glauben trotzdem nicht an einen tiefgreifenden Wandel. Die Hoffnung, dass der Friedensschluss Afewerki letztlich die Führerrolle kosten könnte, haben sie nicht.

Der Präsident sehe sich nun vielmehr als Sieger im äthiopischen Machtkampf, auch und gerade gegen die von ihm verhasste Partei TPLF, der sein neuer äthiopischer Partner Abiy nicht angehört. Ein Exilant in Deutschland, der vor mehr als 30 Jahren mit Anfang 20 nach Deutschland kam, sagt dazu: "Versöhnung ist nicht in Sicht."

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