
Die Tempelberg-Krise: Kontrollen und Kameras
Eskalation zwischen Israelis und Palästinensern Ein Berg voll Hass
Drei Tage, sieben Tote und Hunderte Verletzte - das ist die Bilanz des blutigen Wochenendes in Israel und Palästina. Die jüngste Eskalation der Gewalt kam mit Ansage: Nach dem tödlichen Angriff auf zwei israelische Polizisten in Jerusalem errichteten die Behörden Metalldetektoren an den Eingängen zum Tempelberg und änderten damit den Status quo der heiligen Stätte. Für die Palästinenser ist das nicht hinzunehmen.
Nach dem Freitagsgebet kam dann der Ausbruch der Gewalt: Israelische Sicherheitskräfte erschossen zunächst vier Palästinenser bei Demonstrationen rund um die Altstadt von Jerusalem. Noch am gleichen Tag erstach ein junger palästinensischer Attentäter drei Israelis in der Siedlung Halamisch im Westjordanland.
Die Bilder von den gewaltsamen Ausschreitungen in der heiligen Stadt und ein Foto des Tatorts in Halamisch heizen den Konflikt seither auf beiden Seiten an - der durch die innenpolitische Gemengelage in Jerusalem und Ramallah zusätzlich befeuert wird.

Die Tempelberg-Krise: Kontrollen und Kameras
Auf der einen Seite ist da Mahmoud Abbas. Die Macht des Palästinenserpräsidenten erodiert seit Langem, und er steht innenpolitisch unter Druck, zumal in diesem symbolisch so aufgeladenen Jahr: Im Juni jährte sich der Sechstagekrieg - und damit die israelische Besatzung - zum fünfzigsten Mal, im Dezember werden die Palästinenser zwischen den Städten Khan Junis und Jenin des Ausbruchs der ersten Intifada zum dreißigsten Mal gedenken. Aus ihrer Sicht ist das Jahr 2017 eine kalendarische Vorlage für Werbung in eigener Sache.
Abbas rückt kein Jota von palästinensischer Forderung ab
Abbas' Widersacher trauen ihm aber nicht zu, dieses Momentum zu nutzen. Zum einen ist da die radikal-islamische Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht. Sie verachtet Abbas für seinen in ihren Augen zu laschen Kurs gegenüber Israel. Zum anderen ist da Marwan Barghouti, der populäre Fatah-Politiker. Er verbüßt gegenwärtig in Israel eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ihn wünschen sich viele Palästinenser als Erben von Abbas.
Um die Gunst seines Volkes zurückzugewinnen, weicht der 82-jährige Abbas kein Jota von der palästinensischen Position ab. "Wir lehnen die Metalldetektoren ab, weil sie ein politischer Akt unter dem Deckmantel von Sicherheitsmaßnahmen sind, der auf eine Kontrolle der Aksa-Moschee abzielt", sagte der Präsident am Wochenende. Er warf Israel vor, es wolle "den Konflikt von einem politischen in einen religiösen verwandeln" - und kappte alle Beziehungen zu Israel.
Religiöse Macht- statt sicherheits orientierter Realpolitik
Auf diese markigen Worte und Taten reagierte der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman auf seine Weise. Er sagte der Nachrichtenseite "ynet" am Sonntag: "Wir sind viele Jahre lang ohne Sicherheitszusammenarbeit ausgekommen, wir werden es auch jetzt schaffen."
Lieberman ist einer von vielen ultrarechten Politikern im Kabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Sie pochen auf eine religiöse Macht-, nicht auf eine sicherheitsorientierte Realpolitik und beharren weiter auf den Metalldetektoren am Tempelberg - obwohl Sicherheitsexperten der Armee und des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet das Kabinett vor deren Einsatz gewarnt hatten.
Um seinen fragilen Koalitionsfrieden nicht zu gefährden, hält Netanyahu bislang ebenso an den Detektoren fest. Zudem plädierte er dafür, das Haus des Attentäters von Halamisch zu zerstören. Und er lässt seine Minister rhetorisch eskalieren: Bildungsminister Naftali Bennett etwa forderte nach dem Dreifachmord die Todesstrafe für den Angreifer. Bis zum heutigen Tag hat der jüdische Staat nur ein einziges Mal darauf zurückgegriffen - 1962, im Fall des NS-Verbrechers Adolf Eichmann.
Stichwort: Tempelberg
"Lieber Gott, nicht schon wieder"
Die internationale Staatengemeinschaft reagiert angesichts des neuerlichen Ausbruchs der Gewalt reflexhaft: Das Nahost-Quartett rief die Konfliktparteien zu "maximaler Zurückhaltung" auf, die Vereinten Nationen kommen zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen und US-Präsident Donald Trump hat seinen Nahost-Sondergesandten Jason Greenblatt nach Israel geschickt.
Es ist vorerst eine Mission ohne Aussicht auf Erfolg. Zwischen Israelis und Palästinensern steht ein Berg voll Hass. Vor diesem Hintergrund hat selbst die säkulare Redaktion der linksliberalen Tageszeitung "Haaretz" um höheren Beistand gebeten. Am Wochenende schrieb das Blatt: "Lieber Gott, nicht schon wieder."