Estland-Russland Denkmalsstreit - Tallinn beklagt Sowjet-Mentalität

Im Denkmalstreit zwischen Russland und Estland haben sich die Fronten wieder verhärtet: Der baltische Nachbar warf Moskau vor, eine Politik wie zu Sowjet-Zeiten zu führen. Nach Ende der Belagerung durch eine kreml-nahe Jugendgruppe ist die estnische Botschaft wieder geöffnet.

Tallinn/Moskau - Estlands Ministerpräsident Andrus Ansip hielt dem Nachbarn in einem Reuters-Interview vor, die Proteste gegen die Verlegung des sowjetischen Kriegerdenkmals aus dem Zentrum der estnischen Hauptstadt gezielt unterstützt zu haben. "Ein solches Verhalten ist nicht akzeptabel bei einem strategischen Partner der Europäischen Union", betonte Ansip.

Die Regierung in Moskau plant wiederum Industrievertretern zufolge eine drastische Reduzierung ihrer Ölexporte über das baltische Nachbarland. Demnach wird Russland seine Ölexporte über Estland in den nächsten zwei Monaten um zwei Millionen Tonnen drosseln und die Menge stattdessen über den russischen Hafen in St. Petersburg ausführen. Damit dürfte Russland bald kaum noch Öl über Estland nach Nordeuropa exportieren. Über die Route ging bisher mit etwa 25 Millionen Tonnen im Jahr rund ein Viertel der russischen Ölexporte.

Die nun offenbar geplante Umleitung der Ausfuhren dürfte angesichts des Denkmalstreits auch die Bedenken im Westen verstärken, dass Russland seinen Rohstoffreichtum gezielt als politische Waffe gegen ehemalige Sowjet-Republiken einsetzt.

Estlands Außenminister Paet kritisierte in einem Gastbeitrag für die schwedische Zeitung "Svenska Dagbladet" Russlands Verhalten in dem Konflikt als überholt: "Nach einigen wahren Willensbekundungen für Partnerschaft und Zusammenarbeit benimmt sich Russland nun so, als hätte der jüngst verstorbene Boris Jelzin die Sowjetunion 1991 nie aufgelöst." Russland betrachte Estland wie eine "frühere Kolonie". Dennoch sei Estland zu einem Dialog mit Russland bereit, um den Konflikt zu lösen.

Ministerpräsident Ansip begrüßte Vermittlungsbemühungen des Westens: "Ich möchte der EU und insbesondere der deutschen Präsidentschaft wärmstens für ihre starke Unterstützung danken." Dies sei echte Solidarität. Einem Zeitungsbericht zufolge hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in dem Konflikt vermittelt. Die Spannungen hatten am Donnerstag erstmals etwas nachgelassen.

Die Bundesregierung begrüßte das Ende der Blockade der estnischen Botschaft in Moskau. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes zeigte sich aber zurückhaltend zu Berichten, wonach Steinmeier als Vermittler dabei die entscheidende Rolle spielte.

Estnische Botschaft wieder geöffnet

Nach dem Ende der Blockade durch kremltreue Jugendorganisationen hat die Konsularabteilung der estnischen Botschaft in Moskau wieder ihre Arbeit aufgenommen. Seit dem Morgen würden nach zweitägiger Unterbrechung wieder Visa ausgestellt, teilte Botschaftsprecher Franek Persidski mit.

Die Jugendorganisationen hatten gesten Abend ihre tagelangen Proteste gegen die Verlegung eines sowjetischen Kriegerdenkmals in Tallinn eingestellt. Als Begründung nannten die russischen Jugendlichen die Abreise der estnischen Botschafterin Marina Kaljurand.

flo/Reuters/dpa

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