
Privilegien für EU-Beamte: Darf's noch ein bisschen mehr sein?
Privilegien für EU-Beamte Brüssels Bürokraten kassieren in der Krise
Berlin/Hamburg - José Manuel Barroso gibt derzeit gern den Zuchtmeister. In Athen ermahnte der EU-Kommissionschef gerade den griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras mit deutlichen Worten zu noch mehr Sparbemühungen. Die Griechen müssten endlich "liefern, liefern, liefern", forderte Barroso.
Wenn es um die eigenen Finanzen geht, ist der Chef der europäischen Exekutive weniger streng. Barroso möchte den EU-Etat für das kommende Jahr kräftig aufstocken, um 6,8 Prozent auf 138 Milliarden Euro. Andernfalls könne er die geplanten Wachstumsprogramme nicht bezahlen. Doch Barroso braucht die Milliarden nicht nur für die Krisenbekämpfung. Er muss auch seinen Verwaltungsapparat am Laufen halten. Und die EU-Beamten sind nicht billig. Sie werden ausgesprochen gut bezahlt und genießen dazu weitreichende Privilegien - Zulagen, freie Tage, Fortbildungsansprüche. Privilegien, die knallhart verteidigt werden.
Zwar verhandeln Kommission, Europaparlament und Nationalregierungen derzeit über eine Reform des EU-Beamtenstatuts. So soll die Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden angehoben werden. Doch darüber hinaus sieht es nicht danach aus, als sei man in Brüssel zu größeren Einschnitten bereit. Die Bundesregierung sei vom "Einsparvolumen der Reformvorschläge enttäuscht und wünscht sich erhebliche Nachbesserungen", heißt es aus dem für das Beamtenrecht zuständigen Bundesinnenministerium gegenüber SPIEGEL ONLINE.
Die CDU-Europaabgeordnete Inge Gräßle, die seit Jahren für einen Abbau der Vorteile kämpft, verweist auf den Spardruck, dem der Öffentliche Dienst in der Euro-Krise in allen Mitgliedstaaten unterliege. "Die EU tut so, als ginge sie all das nichts an", sagt Gräßle. Die Bürger in Europa hätten das Gefühl, "dass sich in Brüssel eine Kaste schamlos und ohne Kontrolle selbst bedient", klagt der europäische Steuerzahlerbund.
Im Vergleich etwa mit ihren deutschen Kollegen sind die rund 45.000 EU-Beamten deutlich besser gestellt. Schon die Grundgehälter liegen zwischen 2600 und mehr als 18.000 Euro - das ist deutlich höher als in Deutschland. Das Gehalt wird nach einer noch bis Ende 2012 gültigen Berechnungsmethode jährlich erhöht. Zuletzt gab es darüber immer wieder Streit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten. Wohl auch deshalb sollen letztere nach dem Willen Brüssels künftig nicht mehr mitreden - was man in Berlin nicht akzeptieren will. Statt einer automatischen Anpassung fordere man, "dass die jährliche EU-Gehaltserhöhung in Zukunft gedeckelt wird", heißt es im Innenministerium.
Zulagen und Sonderurlaub
Einsparpotentiale sieht die Bundesregierung auch an anderer Stelle. Denn den Brüsseler Beamten versüßt eine Vielzahl von Zulagen und Vergünstigungen das Leben, die im deutschen Beamtenrecht ihresgleichen sucht. Das wird am Beispiel eines verheirateten Bundesbeamten mit zwei Kindern deutlich. Er erhält lediglich einen Familienzuschlag von insgesamt rund 220 bis 335 Euro. Wird er zum Beispiel von München nach Berlin versetzt, bekommt er keinen dauerhaften Aufschlag für die Arbeit in der Ferne.
Würde derselbe Beamte aber zur EU, etwa nach Brüssel wechseln, stellte sich seine Situation ungleich freundlicher dar. Zu den monatlichen Sonderleistungen zählten dann:
- eine Auslandszulage von 16 Prozent; Spitzenverdiener bekommen so rund 3000 Euro extra - steuerfrei; Deutschland und 17 weitere Staaten wollen die Zulage auf zehn Prozent absenken und binnen zehn Jahren auslaufen lassen.
- eine einkommensabhängige, steuerfreie Haushaltszulage von mindestens 201 Euro
- eine steuerfreie Kinderzulage von rund 660 Euro
- Zulagen für Schul- bzw. Studiengebühren der Kinder von bis zu rund 440 Euro, bei weit entfernten Bildungsstätten bis zu rund 880 Euro - ebenfalls steuerfrei.
Aber auch jenseits der Bezahlung zeigt man sich in Brüssel großzügig:
- Die Kosten einer Heimreise im Jahr werden den EU-Beamten erstattet - für ein Bahn-Ticket erster Klasse oder einen Flug in der Business Class; und das pauschal, unabhängig davon, ob sie die Reise wirklich antreten oder nicht.
- Für die Heimreise gibt es Sonderurlaub - je nach Entfernung bis zu sechs zusätzliche Tage. In der Kommission hat man lange dafür gebraucht, um die Regel für inzwischen "antiquiert" zu halten. Künftig soll es maximal drei Reisetage frei geben. Die soll aber schon bekommen, wer nur von Brüssel nach Madrid muss - ein Flug von zweieinhalb Stunden.
- Überhaupt ist man mit freien Tagen nicht knauserig: Zum Jahresurlaub zwischen 24 und 30 Tagen und Feiertagen kommen "Büroschließtage", Gründonnerstag etwa oder der Brücken-Freitag nach Christi Himmelfahrt. Zwischen Weihnachten und Neujahr macht die Kommission Betriebsferien. 2012 gibt es für Kommissionsmitarbeiter so 18 zusätzliche freie Tage.
- EU-Beamte haben einen Anspruch auf zehn Tage Fortbildung im Jahr. Deren Nutzen aber wird nicht ausreichend geprüft, bemängelt der Europäische Rechnungshof. CDU-Europaparlamentarierin Gräßle spricht von einer "jahrzehntelangen Verschwendung von Ressourcen im Personalbereich".
- Statt wie bisher mit 55 sollen EU-Beamte künftig mit 58 in Vorruhestand gehen, das reguläre Pensionsalter wird von 63 auf 65 angehoben - was allerdings erst 2036 voll wirksam sein soll. Laut Bundesregierung werden sich EU-Pensionslasten bis 2045 von 1,2 Milliarden auf 2,4 Milliarden Euro jährlich verdoppeln. Ein größerer Sparbeitrag der EU-Pensionäre sei "unverzichtbar und zumutbar", sagt ein Sprecher des Innenministeriums.
- Die EU gibt in diesem Jahr 169 Millionen Euro für 14 sogenannte Europäische Schulen aus, die Kinder von EU-Beamten kostenlos besuchen können - für externe Schüler wird Schulgeld von rund 13.000 Euro im Jahr fällig.
All das summiert sich - im Haushaltsplan sind die Kosten für die Kommissionsverwaltung mit 3,3 Milliarden Euro veranschlagt. Rechnet man jedoch weitere Ausgaben, etwa für die Europäischen Schulen sowie die Pensionszahlungen hinzu, steigen sie laut Berechnung des europaskeptischen Think-Tanks Open Europe auf 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2012 - wohlgemerkt, alleine für den Verwaltungsapparat der EU-Kommission. Die entsprechenden Kosten für andere EU-Organe sind in dieser Summe nicht enthalten.
Die EU-Kommission will von Verschwendung nichts wissen. "Die Kommission hat einen ausgewogenen Vorschlag vorgelegt", sagt Carsten Lietz, Sprecher der Berliner Kommissionsvertretung. Bis 2017 soll demnach in allen EU-Institutionen fünf Prozent Personal abgebaut werden, bis 2020 will die Kommission bei den Verwaltungsausgaben etwas mehr als 800 Millionen Euro einsparen. Zu groß dürften die Kürzungen aber nicht sein, meint man in Brüssel. "Natürlich leben wir in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und reagieren darauf", sagt Lietz. "Zugleich müssen wir auch dafür sorgen, dass die EU-Institutionen als Arbeitgeber interessant bleiben."
Das lassen Kritiker nicht gelten. CDU-Politikerin Gräßle sagt: "Wer diese Privilegien zu brauchen meint, setzt die falschen Anreize und zieht die falschen Leute an."