
Alexander Lukaschenko: Der letzte Diktator Europas
EU-Debatte über Sanktionen Lukaschenko lassen Drohungen aus Brüssel kalt
Europas letzter Diktator sieht sich gerne als fürsorglichen Staatsmann. "Batka" nennt ihn die Landbevölkerung in Weißrussland, Väterchen. Eine Rolle, in der sich Alexander Lukaschenko besonders gefällt. Dank seiner Politik gebe es im Land keine Massenarbeitslosigkeit, keine Oligarchie, keine Verarmung, sagte er nach seiner Vereidigung in Minsk vor zwei Wochen und bedankte sich bei den Wählern für "Vertrauen und Unterstützung".
Seine Wahlergebnisse fälschte er trotzdem.
Mit fast 80 Prozent der Stimmen hatte sich Lukaschenko nach der Präsidentschaftswahl vom 19. Dezember zum Sieger erklärt. Proteste von Zehntausenden ließ er blutig niederschlagen, Journalisten und Oppositionelle verhaften - darunter auch sieben der neun Präsidentschaftskandidaten. "Das Virus der Revolution befällt nur schwache Länder, in Weißrussland gibt es hierfür keinen Nährboden", verkündete Lukaschenko bei seiner Vereidigung. Der Mann mit dem markanten Schnauzer hält sein Land im Würgegriff.
Im Gegenzug hat der Westen die Beziehungen zu Weißrussland auf Eis gelegt. Als Lukaschenko Ende Januar zu seiner vierten Amtseinführung in den Minsker Palast der Republik lud, schlugen Vertreter aus Europa und USA die Einladung demonstrativ aus. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz ist der weißrussische Außenminister Sergej Martinow im Februar unerwünscht. Der Leiter der Konferenz, Wolfgang Ischinger, lud ihn aus Protest gegen die Menschenrechtslage aus.
EU-Außenminister beraten über Sanktionen
Am Montag beraten nun die EU-Außenminister über eine Wiederaufnahme von Sanktionen. "Wir sind entschlossen, gemeinsam gegen das weißrussische Regime vorzugehen", sagte Außenminister Westerwelle der "Süddeutschen Zeitung". Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder, hält es für notwendig, rasch zu handeln. "Unsere wichtigste Forderung ist es, dass die inhaftierten Oppositionellen unverzüglich freigelassen werden. Deshalb plädiere ich dafür, auch harte Sanktionen durchzusetzen", sagt Mißfelder. "Die EU, die USA und Russland müssen jetzt gemeinsam gegen den letzten Diktator Europas arbeiten."
"Um Menschenrechte ist es so schlecht bestellt wie seit Jahren nicht mehr", klagt auch die in Minsk lebende Journalistin Iryna Vidanova. "Journalisten und Oppositionelle werden systematisch schikaniert." So würde die Polizei beispielsweise Redaktionen unabhängiger Zeitungen ausräumen, Computer und sogar Mobiliar konfiszieren, erzählt Vidanova, deren wöchentliches Magazin "34Mag" vor fünf Jahren verboten wurde.
"Bei Oppositionellen und Journalisten tritt der Geheimdienst nachts die Tür ein, manche werden sogar in Unterhosen verschleppt", erzählt Vidanova. Studenten, die an den Protesten beteiligt waren, würden von den Universitäten verwiesen. Besonders besorgt sei sie um die inhaftierten Regimekritiker. Die Journalistin Irina Chalip beispielsweise wurde gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Präsidentschaftskandidaten Andrej Sannikow, in der Wahlnacht verhaftet. Chalip, die 2005 mit dem Henri-Nannen-Preis für Pressefreiheit ausgezeichnet wurde, habe nach Angaben von Reporter ohne Grenzen einen Monat lang keinen Anwalt sprechen dürfen und werde psychisch unter Druck gesetzt: Zeitweise wollten die Behörden ihr das Sorgerecht ihres dreijährigen Sohnes entziehen. Zwar wurde Chalip am Samstag freigelassen, steht jetzt aber unter Hausarrest. Nach Angaben des Portals Charter97.org befinden sich zwei Bewacher in ihrer Wohnung. "Der Druck auf die Journalisten und deren Verteidiger, sowie das Bestreben der Behörden, Informationen über die Situation der Inhaftierten zurückzuhalten, erinnert an die Sowjet-Zeit", sagt Anja Viohl von Reporter Ohne Grenzen.
Einen Monat nach den Wahlen ist die Lage kritisch
Dabei ist es gar nicht lange her, da hatte man den Eindruck, Weißrussland bewege sich in Richtung Westen. Zur Präsidentschaftswahl wurden Kandidaten aus der Opposition zugelassen. Europäische Politiker gaben sich in Minsk die Klinke in die Hand. Silvio Berlusconi besuchte Lukaschenko, im November folgte ihm Guido Westerwelle (FDP), als erster deutscher Außenminister seit 15 Jahren. "Trotz einer gewissen Skepsis waren wir uns innerhalb der EU einig", sagt Westerwelle. "Größeres Engagement ist möglich, wenn das Land weitere Fortschritte zur Annäherung an internationale Standards unternimmt."
Diese Zeiten sind nun vorbei.
Einen Monat nach den Wahlen ist die Lage in Weißrussland kritisch. Es befinden sich immer noch 30 Personen in Haft, über deren Zustand kaum Informationen nach außen dringen. Vergangenen Mittwoch hat die Staatsanwaltschaft in Minsk Anklage erhoben, gegen insgesamt 37 Oppositionelle und Journalisten. Nach weißrussischem Recht drohen ihnen bis zu 15 Jahre Haft, wegen "Anstiftung zu Massenunruhen". Die Urteile sollen Anfang Februar fallen. "Die Anklage ist völlig unverhältnismäßig", sagt Markus Löning (FDP), seit 2010 Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. "Die Angeklagten haben keinen Zugang zu Ärzten, Anwälten und Familie, was sogar der Rechtslage in Weißrussland widerspricht."
Schockierend findet das auch der Weißrussland-Experte Stephan Malerius, der im litauischen Exil das Auslandsbüro Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung leitet. "Niemand versteht die Willkür und Brutalität mit der Lukaschenko gegen seine Gegner vorgeht." Dabei manövriere sich der weißrussische Staatschef zusehends in eine diplomatische Sackgasse, glaubt Malerius. In der Vergangenheit habe Lukaschenko immer eine Politik der Pendelbewegung betrieben. "Wenn er sich wirtschaftliche Vorteile vom Westen erhoffte, lockerte er die Repression. Wenn er sich Unterstützung von den Russen versprach, stellte er sich auf deren Seite", sagt Malerius. Jetzt bleibt ihm nur noch Russland.
Alexander Lukaschenko gibt indes ganz den starken Staatsmann, Sanktionen der EU hat er ja bereits schon einmal ausgesessen. Und für den Westen hält er auch eine Warnung parat: "Wenn Europa und die USA den gleichen Fehler ein zweites Mal machen wollen, dann soll Gott ihnen helfen."
Am Montag entscheiden die EU-Außenminister wer wirklich Hilfe braucht.