Konflikt mit den USA Wird Europa zum Spielball anderer Mächte?

Wie reagiert die EU auf die Herausforderung durch US-Präsident Trump? In Brüssel und Paris fällt in dieser Woche eine Vorentscheidung darüber, ob Europa außenpolitisch erwachsen wird.
Europäisches Parlament

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Foto: Vincent Kessler/ REUTERS

Für die EU geht es in diesen Tagen ums Ganze. Das sagt zumindest Peter Altmaier: "Wir sind am Beginn einer entscheidenden Woche", erklärte der Bundeswirtschaftsminister am Montag vor einem Treffen mit seinen Amtskollegen in Brüssel. Zeitgleich tagten dort die EU-Außenminister. Es folgt die OECD-Jahreskonferenz in Paris.

Die Themen sind höchst unterschiedlich, doch im Hintergrund steht bei allen das Gleiche: die Herausforderung durch den Kurs von US-Präsident Donald Trump. Ab Freitag werden die USA, sollte nicht noch ein kleines Wunder geschehen, Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus Europa erheben; die EU droht mit Vergeltungszöllen. Für zusätzlichen Ärger sorgt Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen mit Iran - verbunden mit der Sanktionsdrohung gegen europäische Unternehmen, die ihre Iran-Geschäfte nicht umgehend einstellen.

Die Empörung ist entsprechend groß: Wenn die EU das mit sich machen lasse, "wird sie zum Spielball anderer Mächte", warnt der Handelsausschuss-Vorsitzende Bernd Lange (SPD). "Europa kann das nicht hinnehmen", sagt Manfred Weber (CSU), Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion. "Europa muss reagieren."

Manfred Weber

Manfred Weber

Foto: Daniel Karmann/ picture alliance / Daniel Karmann/dpa

"Existenzieller Moment für die EU"

Aber wie? Die Antwort dürfte zeigen, ob Europa außenpolitisch erwachsen wird. Nehmen die Europäer wirklich ihr Schicksal in die eigene Hand, wie Kanzlerin Angela Merkel es schon vor einem Jahr gefordert hat, oder scheitern sie an ihrer Uneinigkeit und der Angst vor den USA?

Bisher haben die Europäer reagiert, wie sie so oft auf Zumutungen aus den USA reagieren: mit starken Worten. Doch politisch sind die Möglichkeiten begrenzt. Den Iran-Deal etwa will die EU retten, indem sie Ölimporte aus Iran an den USA vorbei mit Direktzahlungen an Irans Zentralbank begleicht. Zudem soll ein Abwehrgesetz EU-Unternehmen verbieten, die neuen US-Sanktionen gegen Iran umzusetzen und eventuelle Schäden ausgleichen.

Die Erfolgsaussichten sind überschaubar. "Man kann die ökonomischen Entscheidungen von Konzernen kaum beeinflussen", sagt SPD-Handelspolitiker Lange. Für die meisten Firmen dürfte die Angst vor dem Verlust des US-Geschäfts größer sein als das Vertrauen in die Schutzversprechen der EU. Sein Urteil über den Zustand der Beziehungen zu Washington fällt vernichtend aus: "Dis bisherige Partnerschaft läuft nicht mehr." Die US-Regierung folge nur noch nationalen Interessen.

"Die Europäer verlassen sich lieber auf die USA als aufeinander"

In den USA dagegen sieht man die Dinge weniger dramatisch. Eine transatlantische "Krise" gebe es seit Jahrzehnten alle paar Jahre, schrieb  Jeremy Shapiro vom European Council on Foreign Relations kürzlich in "Foreign Affairs", dem Zentralorgan des amerikanischen Außenpolitik-Establishments. Deshalb werde auch der aktuelle Streit ohne größere Folgen bleiben.

Aus zwei Gründen: Die Europäer bräuchten die Allianz mit den USA mehr als die Amerikaner, insbesondere in Sicherheitsfragen. Zudem wollten diverse EU-Staaten die USA nicht nur als Schutzmacht vor äußeren Feinden, sondern auch als politisches Gegengewicht zu anderen EU-Staaten. Theoretisch könnten die wirtschaftlich mächtigen Europäer durchaus selbst für ihre Sicherheit sorgen. "In der Praxis aber", meint Shapiro, "verlassen sie sich lieber auf die USA als aufeinander."

Die aktuelle Krise werde deshalb enden wie die vielen transatlantischen Krisen zuvor: Die Europäer beschwören das Ende der Partnerschaft, um wenig später wieder zur Tagesordnung überzugehen. So sei es gewesen, als die NSA unter Präsident Barack Obama das Handy von Kanzlerin Merkel anzapfte und als Kanzler Gerhard Schröder im Irakkrieg 2003 US-Präsident George W. Bush die Gefolgschaft verweigerte.

"Jetzt sind es 28 gegen einen"

Doch diesmal liegen die Dinge anders, meint David McAllister, Chef des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments. "Beim Irakkrieg war ein Teil der EU-Staaten für, der andere gegen Bush", sagt der CDU-Mann. "Aber jetzt sind es 28 gegen einen." Auch gehe es diesmal nicht nur um einen Streit in einer bestimmten Sachfrage: Die Politik der US-Regierung zeige, "dass sie auf die transatlantische Beziehung insgesamt keinen Wert mehr legt".

Donald Trump

Donald Trump

Foto: NICHOLAS KAMM/ AFP

Ein weiterer Unterschied zu früheren Konflikten liegt laut McAllister darin, dass die EU sich anschicke, die Abhängigkeit von den USA zu verringern und intern einiger zu werden. Ein Beispiel sei die Gründung der europäischen Verteidigungsunion Ende 2017. "Wir sind im vergangenen Jahr weiter vorangekommen als in Jahrzehnten vorher", sagt McAllister.

Doch bis zu einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, ganz zu schweigen von einem EU-Verteidigungsminister oder gar einer EU-Armee, ist es lang hin. Auch auf anderen Feldern tut sich trotz vollmundiger Ankündigungen wenig. Die ambitionierten Pläne von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron etwa, die EU wirtschafts- und finanzpolitisch stärker zu vereinen, werden in Berlin ausgebremst.

"Europa steht auf dem Spiel. Wir können nicht mehr länger diskutieren, wir müssen entscheiden und handeln", sagte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire neulich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen Olaf Scholz. Doch der reagierte kühl. Man müsse einen Schritt nach dem anderen machen. Was aus dem Aufbruch Europas geworden sei? "Ich glaube, dass wir dabei sind, diesen Aufbruch jetzt zu organisieren", meinte Scholz.

US-Regierung versucht EU zu spalten

Auch über das Auftreten gegenüber Trump sind sich Berlin und Paris uneins. Während die Franzosen auf eine harte Linie setzen, sind die Deutschen vorsichtig. Zwar wirken sich die Differenzen bisher nicht auf das tatsächliche Vorgehen der EU aus. "Aber die Amerikaner versuchen aktiv, die EU zu spalten", warnt SPD-Mann Lange. Wohl nicht umsonst droht Trump auch mit drastischen Zöllen auf deutsche Autoimporte. Das wirkt: Die kurzfristig drohenden Verluste, meint ein EU-Diplomat, sind Berlin offenbar zu hoch im Vergleich zu der eher vagen Aussicht auf die Früchte einer gemeinsamen EU-Außenpolitik.

In Brüssel kritisieren selbst CDU-Politiker das Vorgehen von Politik und Wirtschaftsverbänden in Berlin als zu lasch. Die Vergeltungszölle der EU etwa beträfen nur einen winzigen Teil des Warenverkehrs mit den USA - und seien damit eher "ein Symbol, dass wir uns nicht alles gefallen lassen", sagte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. Die Wirtschaftsverbände aber täten schon so, "als sei das der Untergang des freien Handels".

Bei der OECD-Konferenz in Paris hängt nun viel davon ab, ob sich die USA einer EU-Einheitsfront gegenübersehen - oder einer Ansammlung von Einzelstaaten, von denen jeder seine eigenen Interessen verfolgt. Sollte Letzteres der Fall sein, dürfte die Trump-Regierung leichtes Spiel haben.


Zusammengefasst: Die EU steht in dieser Woche vor wegweisenden Entscheidungen: Wie reagiert sie auf die Herausforderungen von US-Präsident Trump? In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob die EU in der Lage ist, außenpolitisch einig und entschlossen zu agieren - oder ob sie einmal mehr ihren markigen Worten keine Taten folgen lässt.

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