Gipfel zur Flüchtlingskrise Jetzt sollen die EU-Chefs persönlich ran

Kanzlerin Merkel, Österreicher Faymann: Informeller Gipfel am Mittwoch
Foto: HANDOUT/ REUTERSDie EU verhandelt jetzt auf höchster Ebene über die Flüchtlingskrise. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat für kommenden Mittwoch ein "informelles Sondertreffen" der Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingskrise einberufen. Kanzlerin Angela Merkel und Österreichs Regierungschef Werner Faymann waren mit einer entsprechenden Forderung zunächst auf Widerstand gestoßen, haben sich nun aber offenbar durchgesetzt.
Bei dem Treffen, das um 18 Uhr beginnt, soll es um die großen Fragen gehen:
- Wie stabilisiert man die Herkunftsländer?
- Wie lässt sich Geld für die Flüchtlingscamps in der Türkei, dem Libanon und Jordanien organisieren?
- Auf der Agenda dürfte auch der sogenannte permanente Notfallmechanismus stehen, den EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert: Flüchtlinge sollen bei künftigen Krisen nach einem vorher festgelegten Schlüssel auf die EU-Staaten verteilt werden
Zuvor aber sollen auf einem Treffen der EU-Innenminister, das nach wie vor am Dienstag stattfinden soll, umstrittene technische Fragen diskutiert werden.
Damit bleibt der Druck auf die Länder, die eine Aufnahme von Flüchtlingen bisher ablehnen, bestehen. Denn die Innenminister entscheiden mit qualifizierter Mehrheit. Sie ist erreicht, wenn 55 Prozent der EU-Staaten (also 16 von 28) zustimmen und sie gemeinsam mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung stellen.
Die Blockiererländer - allen voran Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen - könnten also überstimmt werden. Ein formeller Gipfel der Staats- und Regierungschefs hätte dagegen einstimmig entscheiden müssen.
Polen bietet Aufnahme von 9200 Flüchtlingen an
Die Minister hatten am vergangenen Dienstag bereits verbindlich beschlossen, 40.000 Flüchtlinge auf freiwilliger Basis zu verteilen. Die Einigung dazu war eigentlich schon im Sommer gefallen, doch noch immer ist kein einziger Mensch aufgrund des Vorstoßes umgesiedelt worden. Streit gab es dagegen über die Frage, ob weitere 120.000 Flüchtlinge auf freiwilliger Basis oder anhand von verbindlichen Quoten verteilt werden sollen. Insbesondere einige osteuropäische Staaten sind strikt gegen die Quoten.
Die Bemühungen von Deutschen, Franzosen und der luxemburgischen Ratspräsidentschaft richten sich nun darauf, Polen aus der Front der Blockadeländer herauszubrechen. Nach dem Treffen der Botschafter der sechs größten EU-Mitgliedstaaten am Mittwoch in Brüssel deutet sich eine Einigungsmöglichkeit an.
Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE hat Polen angeboten, 9200 Flüchtlinge aufzunehmen. Das sind mehr, als das Land nach dem Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Juncker eigentlich müsste. Allerdings besteht Warschau darauf, dass dies auf freiwilliger Basis geschieht. Während die Luxemburger Ratspräsidentschaft damit leben kann, drängen die Deutschen weiterhin auf eine möglichst verbindliche Festschreibung des Verteilmechanismus.
Auch innenpolitische Aspekte spielen eine Rolle
Die Unterhändler denken nach Informationen von SPIEGEL ONLINE nun über einen Kompromiss nach. So sollen sich in dem Beschluss weder die Wörter "freiwillig" noch "verbindlich" finden. Allerdings ist der Beschluss selbst am Ende verbindlich. Bedeutet: Wenn sich die Innenminister auf konkrete Aufnahmezahlen einigen, müssten diese auch umgesetzt werden. Formell hätten die Widerständler aber keiner Quotenregelung zugestimmt - und so ihr Gesicht gewahrt. Das wäre auch innenpolitisch von einiger Bedeutung.
Als sicher gilt, dass die Zahl 120.000 in dem Beschluss genannt wird. Umstritten ist noch, ob darüber hinaus auch die Zuteilung an die einzelnen Länder schriftlich in dem Dokument festgehalten wird.
Länder wie Polen drängen auch auf Ausnahme- und Übergangsklauseln. So könnte festgeschrieben werden, dass das Land nicht alle Flüchtlinge auf einmal aufnehmen muss, sondern ein bis zwei Jahre Zeit dafür bekommt. Auch hinter diesem Schritt steckt innenpolitisches Kalkül: In Polen finden am 25. Oktober Wahlen statt. Solche Extraklauseln helfen im Wahlkampf. Sie zeigen, wie hart man in Brüssel verhandelt hat.