EU-Kommission Verheugen nennt Oettingers Versetzung "Entsorgungsaktion"

EU-Kommissar Verheugen: "Blankes Entsetzen"
Foto: A2800 epa Olivier Hoslet/ dpaWashington - Günter Verheugen nutzte einen Auftritt vor dem Foreign Press Center in Washington, um sein Befremden über die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auszudrücken, den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger als seinen Nachfolger nach Brüssel zu schicken.
Noch sei nicht klar, ob der Christdemokrat Oettinger auch sein Portfolio erhalten werde, antwortete Industriekommissar Verheugen auf eine Journalistenfrage nach den Qualifikationen des Landespolitikers. Die Ressortverteilung innerhalb der EU-Kommission werde noch entschieden. Er kenne Oettinger seit langem, brauche dieser Unterstützung, stehe er zur Verfügung, sagte Verheugen.
Nach dem Ende des offiziellen Teils wurde der Kommissar deutlicher: "In Brüssel herrscht blankes Entsetzen über diese Personalie", berichtete er im Kreise mehrerer Journalisten. Die Kanzlerin habe weder ihn noch Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso dazu konsultiert. Ihre Entscheidung für Oettinger werde als rein "parteiinterne Entsorgungsaktion" angesehen. Es sei nicht nur fraglich, sondern eher unwahrscheinlich, dass Barroso den Deutschen mit einem ähnlich umfangreichen Portfolio wie ihn betrauen werde, sagte Verheugen.
Der Sozialdemokrat, der einst die EU-Erweiterung verhandelt hatte, ist zuständig für Unternehmen und Industriepolitik. Zudem fungiert er als Vizepräsident der Europäischen Kommission und koordiniert die Abstimmung zu besserer Wirtschaftskooperation mit den USA. Deswegen hält er sich diese Woche zu Gesprächen mit der Obama-Regierung in der US-Hauptstadt auf.
Verheugen sagte dem europapolitisch weitgehend unerfahrenen Oettinger Widerstand bei der Anhörung im EU-Parlament voraus, das seine Zustimmung erteilen muss. "Dort gibt es erhebliche Bedenken und Widerstand", so der Kommissar. Die Personalie werde keinesfalls reibungslos passieren.