Kampf um Kommissionsspitze Merkel drohte mit Votum gegen Juncker

Nicht nur der Brite Cameron machte beim EU-Gipfel Front gegen Jean-Claude Juncker als nächsten Kommissionspräsidenten. Nach SPIEGEL-Informationen drohte auch Kanzlerin Merkel zunächst mit einem Nein. Das Votum des EU-Parlaments bezeichnete sie als "Kriegserklärung".
Merkel im Europawahlkampf: "Kriegserklärung" des Europäischen Parlaments

Merkel im Europawahlkampf: "Kriegserklärung" des Europäischen Parlaments

Foto: DANIEL ROLAND/ AFP

Hamburg - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Informationen des SPIEGEL beim EU-Gipfel am vergangenen Dienstag damit gedroht, den Luxemburger Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsidenten zusammen mit Großbritannien zu blockieren. Bei dem Treffen hatte der britische Premier David Cameron die Kanzlerin mit der Warnung unter Druck gesetzt, bei einem Mehrheitsvotum für Juncker könne er den Verbleib Großbritanniens in der EU nicht länger garantieren.

Merkel reagierte mit ihrer Warnung auf einen Vorschlag des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk. Dieser hatte gefordert, der Europäische Rat möge Juncker mit den Verhandlungen über die Bildung der nächsten EU-Kommission beauftragen. Merkel entgegnete daraufhin, sie werde mit ihrem deutschen Stimmenpaket dafür sorgen, dass eine Sperrminorität zustande komme und gemeinsam mit unter anderem dem britischen Premierminister David Cameron gegen Juncker votieren.

Das Votum des Europaparlaments für Juncker bezeichnete die Kanzlerin vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs als "Kriegserklärung". Dem widersprach der österreichische Bundeskanzler im Gespräch mit dem SPIEGEL scharf: "Ich wünsche mir, dass wir im Europäischen Rat im Juni Juncker vorschlagen. Wenn die Skeptiker nicht zu überzeugen sind, müssen wir Juncker mit qualifizierter Mehrheit durchsetzen."

Juncker selbst zeigte sich trotz des erheblichen Widerstands selbstbewusst. "Europa muss sich nicht erpressen lassen", sagte er der "Bild am Sonntag". Er habe die Unterstützung "einer breiten Mehrheit christdemokratischer und sozialistischer Staats- und Regierungschefs" in Europa und sei deshalb "zuversichtlich, Mitte Juli zum nächsten Kommissionspräsidenten gewählt zu werden". Nun komme es darauf an, "auch die übrigen Regierungschefs mit an Bord zu holen". Merkel hatte sich am Freitag erstmals öffentlich für Juncker starkgemacht und zuvor eine Festlegung vermieden.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Sonntag, er stelle sich auf Juncker als künftigen Präsidenten der EU-Kommission ein. "Ich sehe mit Zuversicht, dass sich die Debatte in diese Richtung entwickelt", sagte Steinmeier bei einem Besuch im Golfstaat Katar. Der SPD-Politiker verwies auf die Vereinbarung zwischen Konservativen und Sozialdemokraten, wonach Kommissionspräsident wird, wer im Europaparlament die größere Fraktion hinter sich vereinen könne. "Das ist nach Lage der Dinge Herr Juncker."

dab/AFP/dpa
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