EU-Parlament Grüne sprechen von Kuhhandel zugunsten Barrosos

Auf seiner ersten Sitzung hat das Europäische Parlament den spanischen Sozialisten Borell zum neuen Präsidenten gewählt. Vor der Wahl gab es Spekulationen, ob es Absprachen darüber gab, dass die Sozialisten im Gegenzug den Konservativen Barroso zum Kommissionspräsidenten küren werden.

Straßburg - In geheimer Wahl wurde Josep Borell mit 388 von 647 gültigen abgegebenen Stimmen im ersten Durchgang gewählt. Wahlberechtigt waren 732 Abgeordnete. Die beiden stärksten Fraktionen, die konservative Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialdemokraten (SPE), hatten vergangene Woche eine entsprechende Absichtserklärung zur Wahl Borells unterzeichnet.

Der Vereinbarung zufolge soll dem Parlament in den ersten zweieinhalb Jahren der Legislaturperiode der 57-Jährige Spanier vorstehen, der bei der Wahl im Juni erstmals in das Haus gewählt worden war. Zur Halbzeit soll ein Kandidat der Konservativen folgen. Für das Amt ist dann der jetzige EVP-Fraktionschef Hans-Gert Pöttering vorgesehen. EVP und SPE stellen zusammen 468 der insgesamt 732 Mandate. Für die absolute Mehrheit sind mindestens 367 Stimmen erforderlich.

Die Fraktionen der Liberalen und der Grünen haben den früheren polnischen Außenminister Bronislaw Geremek ins Rennen geschickt. Beide Fraktionen stellen zusammen aber nur 130 Mandate, so dass Geremek keine Chancen auf den Posten eingeräumt wurden. Der scheidende Parlamentspräsident, der liberale irische Abgeordnete Pat Cox, war bei der Wahl im Juni nicht mehr angetreten.

Unterschiedliche Einschätzungen gibt es in der Frage, ob die Einigung auf Borell zustande gekommen ist, weil die Sozialdemokraten Entgegenkommen bei der Wahl des EU-Kommissionspräsidenten gezeigt haben. Der grüne Europa-Spitzenpolitiker Daniel Cohn-Bendit rechnet mit einer Wahl des konservativen Portugiesen José Manuel Barroso zum EU-Kommissionspräsidenten. "Es scheint so, dass es sicher ist", sagte Cohn-Bendit im RBB-Inforadio. Es gebe eine Absprache zur Zusammenarbeit zwischen europäischen Sozialisten und Konservativen. Zwar werde so getan, als ob diese Abmachung nur für die Ebene des EU-Parlamentspräsidenten gelte, "aber es ist jetzt durchgesickert, dass da mehr verabredet wurde".

Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, sagte dagegen im ZDF, es gebe keine Parteien-Kungelei bei den beiden Wahlen. "Das sind ja zwei verschiedene Paar Schuhe." Die Wahl eines Parlamentspräsidenten sei eine Sache, die eines Kommissionspräsidenten eine andere. Das Abstimmungsverhalten der Sozialdemokraten hänge "ein Stück davon ab, wie Herr Barroso am Mittwoch hier im Parlament auftreten wird". Es sei eng für den Kommissionskandidaten.

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