EU-Referendum in Polen "Wir sind Bürger Europas"

Erst wurde gezittert, dann atmeten die EU-Befürworter auf. Mit einem klaren Ja haben sich jene, die sich an der Volksabstimmung beteiligten, für einen Beitritt Polens zur EU entschieden. In Warschau feierten vor allem junge Menschen auf den Straßen der Hauptstadt.



Warschau - Nach dem offiziellen Endergebnis des zweitägigen Referendums vom Wochenende entschieden sich 77,5 Prozent der Wähler für den EU-Beitritt. 22,5 Prozent stimmten mit Nein. Die Wahlbeteiligung lag bei 58,8 Prozent und übertraf damit noch optimistische Erwartungen. Für die Gültigkeit war eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent nötig.

Im polnischen Präsidentenpalast und der Regierungskanzlei kam es am Sonntagabend zu Jubelszenen. Auf den Straßen und Plätzen Warschaus feierten Hunderte vor allem junger Leute den Ausgang des Referendums.

"Wir sind Bürger Europas!" rief Ministerpräsident Leszek Miller nach Bekanntgabe der ersten Prognosen. Der wahre Sieger des Referendums sei das polnische Volk. Nach Tausenden von Stunden harter Arbeit "haben wir in Kopenhagen den Schlüssel zur EU erhalten, in Athen wurde uns die Tür geöffnet, und heute machen wir den ersten Schritt in das europäische Haus", sagte Miller. "Wir sind Zeugen eines der größten Tage in unserer Geschichte."

Lob für den Papst

"Wir kehren nach Europa zurück" sagte Staatspräsident Aleksander Kwasniewski. "Wer hätte davon noch vor zwölf Jahren geträumt?" fragte er im historischen Säulensaal, in dem 1989 in den Gesprächen am Runden Tisch die demokratische Wende in Polen eingeleitet wurde. Besonders hob Kwasniewski die Rolle von Papst Johannes Paul II., "unserem großen Landsmann und Ratgeber", hervor. Die Polen hätten sich in der demokratischsten möglichen Form für den EU-Beitritt entschieden, betonte Kwasniewski. "Bravo für Polen! Wir sind in der europäischen Familie."

"Lasst uns feiern", sagte auch der frühere Präsident und Gründer der Gewerkschaft Solidarität, Lech Walesa. "Wir haben einen Erfolg erzielt."

Schlaflose Nacht

Die polnische Europaministerin bekannte am Sonntag, sie habe die ganze Nacht vor Sorge nicht schlafen können. "Dies ist für mich der schwierigste Tag im ganzen Integrationsprozess", sagte Danuta Hübner, als sie in Warschau ihre Stimme abgab. Wäre die Wahlbeteiligung von 50 Prozent unterschritten, dabei aber eine Mehrheit an Ja-Stimmen erzielt worden, hätte noch das Parlament den Beitritt beschließen können.

Widerstand gegen den EU-Beitritt gab es vor allem auf dem Lande, wo am Samstag die Beteiligung besonders niedrig ausfiel. Warschau erreichte bis Samstagabend mit 34 Prozent den landesweit höchsten Wert.

Polen ist mit 38 Millionen Einwohnern der größte der zehn Staaten, die im Mai kommenden Jahres in die Europäische Union aufgenommen werden sollen. In fünf Ländern - Malta, Slowenien, Slowakei, Ungarn und Litauen - hat die Bevölkerung dem Beitritt schon zugestimmt. In Tschechien findet das EU-Referendum am 13. und 14. Juni statt, in Estland und Lettland im September. In Zypern entscheidet allein das Parlament.

Schröder gratuliert

Bundeskanzler Gerhard Schröder gratulierte den Polen zum Ausgang des Referendums. "Es stand nie in Frage, dass Polen zu Europa gehört. Die Entscheidung unserer polnischen Nachbarn bedeutet, dass Polen nun auch zur Europäischen Union gehören wird", heißt es in einer Erklärung Schröders, die in der Nacht zum Montag in Berlin veröffentlicht wurde. Er sei sicher, dass die hervorragenden deutsch- polnischen Beziehungen durch den EU-Beitritt eine neue Dynamik im Geiste der gegenseitigen Solidarität und der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft Europas erfahren werden, erklärte der Kanzler.

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