EU-Türkei-Gespräche Eiszeit zwischen Ankara und Brüssel

Türkische Minister Celik und Cavusoglu, EU-Außenbeauftragte Mogherini und Erweiterungskommissar Hahn
Foto: JOHN THYS/ AFPEs wäre womöglich eine Chance gewesen, den Riss zwischen der Türkei und der EU zu verkleinern - oder zumindest zu verhindern, dass er noch weiter aufreißt. Doch nach dem Besuch des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu und des EU-Ministers Ömer Celik in Brüssel steht fest: Die Regierung in Ankara ist keineswegs gewillt, im Streit mit der EU einzulenken. Und auch die EU beharrt auf ihren Positionen, insbesondere was die Lage der Menschenrechte in der Türkei betrifft.
Man habe einen "ehrlichen, offenen und konstruktiven Dialog" geführt, erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstag nach dem Treffen mit den beiden türkischen Ministern, was so viel heißt wie: Man hat sich die Meinung gesagt. Vor Journalisten ging das anschließend weiter. Man wolle "konkrete Schritte im Bereich von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Demokratie, Medienfreiheit sehen", sagte Mogherini. Das gelte auch für die Lage von Menschenrechtsaktivisten und Oppositionspolitikern. "Ankündigungen reichen nicht."
Doch in dem Konflikt, in dem es unter anderem um die Freilassung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner und des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel geht, gibt es weiter keine Anzeichen einer Lösung. Man habe kein Problem mit Oppositionspolitikern, sagte Cavusoglu. Aber manche von ihnen unterstützten Terrororganisationen wie die kurdische PKK - und da müsse man eben unterscheiden. Und das gehe so: "Wenn wir denken, dass die Opposition vollständig der PKK hilft, ist das falsch."
Mit der gleichen Methode beurteile man Pressevertreter: Es gebe "echte Journalisten" und "Pseudo-Journalisten, die Terroristen helfen". Die deutsche Regierung sieht das völlig anders: Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) etwa sprach von "abwegigen Vorwürfen von Terrorpropaganda, die offensichtlich nur dazu dienen sollen, jede kritische Stimme in der Türkei zum Schweigen zu bringen".
Vorwürfe an die Bundesregierung
Cavusoglu tat dagegen, als könne er die ganze Aufregung nicht verstehen. Wenn man einen Journalisten erwische, "reagieren alle sofort empfindlich, es gibt einen großen Aufschrei, und die Türkei wird unter Druck gesetzt", meinte Cavusoglu. "Das ist so etwas wie ein neuer Trend." Ähnlich äußerte er sich zur Inhaftierung von Taner Kilic, dem Türkei-Chef von Amnesty International. Sie bedeute nicht, dass man etwas gegen Amnesty - eine "glaubwürdige Organisation" - habe: "Hier geht es nur um ein Individuum", so Cavusoglu.
Zudem sei auch er schlecht von Deutschland behandelt worden. Seine Erlaubnis, zum G20-Gipfel nach Hamburg zu kommen, sei widerrufen und sogar seine Hotelreservierung gestrichen worden - "auf Druck der deutschen Polizei", sagte Cavusoglu laut Übersetzung. "Was sind das für europäische Werte?"
Mogherini und Hahn lauschten den teils minutenlangen Monologen ihrer Gäste mit meist versteinerten Mienen. Dennoch bemühten sie sich, eine Eskalation zu vermeiden - obwohl die EU durchaus Möglichkeiten hätte, die Gangart gegenüber Ankara zu verschärfen. Sie könnte etwa die Beitrittsverhandlungen offiziell einfrieren, was etwa das EU-Parlament und ranghohe Politiker einiger Mitgliedstaaten schon lange fordern. Denkbar wäre auch, die geplante Erweiterung der seit 1996 bestehenden Zollunion mit der Türkei auf Eis zu legen, was ein weiterer Rückschlag für die ohnehin gebeutelte türkische Wirtschaft wäre.
"Der Präsident der Türkei verlangt Respekt"
Doch Mogherini betonte: "Die Türkei ist bleibt ein Beitrittskandidat." Europaminister Celik bezeichnete diesen Status gar als "Rückgrat aller Beziehungen" zur EU und forderte die Eröffnung neuer Beitrittskapitel, und zwar ausgerechnet zu den Bereichen Justiz und Grundrechte. Dann, so Celik, könne man die entsprechenden Fragen "stärker im Detail diskutieren". Hahn lehnte das rundheraus ab. Die Mitgliedstaaten hätten im Dezember beschlossen, dass bis auf Weiteres keine neuen Kapitel eröffnet werden - und das habe man zu respektieren.
Einstweilen will man weiterreden - und zwar miteinander "und nicht übereinander", sagte Mogherini. Allerdings: Noch während seine beiden Minister in Brüssel mit Mogherini und Hahn sprachen, warf der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Deutschland öffentlich vor, in seinem Land Spionage zu betreiben.
Darauf angesprochen, erklärte Celik, dass Erdogan nur auf Provokationen der Gegenseite reagiere. So habe die Bundesregierung verhindert, dass Erdogan per Video zu Anhängern in Deutschland spricht - während sie das Gleiche sogar dem Anführer einer Terrororganisation erlaubt habe. "Wir sprechen hier vom Präsidenten der Türkei", so Celik. "Der Präsident der Türkei verlangt Respekt, wenn man mit ihm spricht. Wenn man ihn nicht respektiert, hat er die Pflicht, sein Land und seine Bürger zu beschützen."
Zusammengefasst: Die EU hat mit der Türkei auf hoher Ebene Gespräche geführt, die jedoch weitgehend ergebnislos verliefen. In der Frage der Menschenrechte und insbesondere in Bezug auf inhaftierte Menschenrechtler und Journalisten gibt sich Ankara hartleibig. Die EU ist bemüht, den Konflikt nicht noch weiter eskalieren zu lassen - geht aber auch nicht auf die türkische Regierung zu.