EU-Verfassung Abfuhr für Merkel in Prag

Die Weiterarbeit an der EU-Verfassung ist wichtigstes Ziel der Kanzlerin während der deutschen EU-Präsidentschaft. Bei ihrem Besuch in Prag stieß sie auf deutliche Vorbehalte beim tschechischen Nachbarn.

Prag - Das Werben blieb weitgehend vergeblich: Angela Merkel konnte die europa-skeptische tschechische Führung am Freitag Abend nicht umstimmen, als sie eine gemeinsame Anstrengung aller EU-Staaten für eine europäische Verfassung anmahnte. Es könne nur Fortschritte geben, wenn alle an einem Strang zögen, sagte Merkel am Freitagabend nach einem Treffen mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Mirek Topolanek.

Topolanek begrüßte zwar grundsätzlich den Vorstoß der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die Verfassungsdebatte wieder in Gang zu bringen. Tschechiens Präsident Vaclav Klaus brachte nach seinem Treffen mit Merkel aber klar seine ablehnende Haltung zur EU-Verfassung zum Ausdruck.

Merkel begann mit ihrem Besuch in Tschechien in ihrer Funktion als EU-Ratsvorsitzende ihre bilateralen Gespräche zur Wiederbelebung des Verfassungsprozesses. Das Gespräch mit dem tschechischen Regierungschef bezeichnete sie als "konstruktiv". Topolanek sagte, er habe eine "kurze, aber intensive" Diskussion mit Merkel geführt, in der es nicht um Vorbehalte und Probleme gegangen sei. "Wir haben vielmehr das gesucht, was uns verbindet und was die europäischen Staaten verbindet", sagte der Regierungschef.

Klaus äußerte nach seinem Treffen mit Merkel offen seine Vorbehalte gegenüber der EU-Verfassung. "Wir wissen beide, dass wir vorwärts gehen müssen und in kleinen Schritten vorankommen müssen", sagte der tschechische Präsident auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. "Ich denke nicht, dass diese kleinen Schritte im jetzigen Rahmen der so genannten europäischen Verfassung möglich sind. Und ich bin überzeugt davon, dass die Kanzlerin vom Gegenteil überzeugt ist." Die EU-Verfassung sei "keine Bewegung von einem Millimeter, sondern von einem Kilometer", fügte Klaus hinzu. Merkel sagte, es gebe unterschiedliche Ansichten, aber den gemeinsamen Willen, voranzukommen.

Die EU-Verfassung, die inzwischen von 18 der 27 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde, liegt seit dem "Nein" bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden im Jahr 2005 auf Eis. Merkels Ziel ist es, den Verfassungsprozess vor der nächsten Europawahl Mitte 2009 abzuschließen. Dafür will der deutsche Vorsitz bis Ende des Halbjahres einen "Fahrplan" erarbeiten.

Tschechien zählt zu den Kritikern der EU-Verfassung. Topolanek und Klaus befürworten es, in der Verfassungsdebatte noch einmal von vorne anzufangen. Klaus hatte erst am Donnerstag vor "schnellen, radikalen und abrupten" Lösungen für den ins Stocken geratenen Verfassungsprozess gewarnt und den Verfassungsvertrag "in seiner jetzigen Form" als "unannehmbar" bezeichnet. Neben Tschechien haben Polen, Großbritannien, Irland, Portugal, Dänemark und Schweden den Ratifizierungsprozess der EU-Verfassung auf unbestimmte Zeit verschoben oder ausgesetzt.

cai/afp/ap

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