Vierer-Gipfel in Rom Drei gegen Deutschland

Monti, Merkel, Rajoy, Hollande: Werden sie die Kanzlerin überzeugen?
Foto: LIONEL BONAVENTURE/ AFPNun soll also eine Riesenschlange den Euro retten. Italiens Regierung zumindest glaubt daran, in Paris und Madrid will man einen Versuch gern wagen. Deshalb wird Ministerpräsident Mario Monti an diesem Freitag alles daran setzen, auch die deutsche Kanzlerin bei einem Treffen in Rom für die "Anti-Spread-Riesenschlange" zu erwärmen. Bislang hat Angela Merkel zwar so gut wie alles, was von den Mittelmeerländern auf den Tisch gebracht wurde, als ungenießbar zurückgewiesen.
Aber ihre jüngste Idee finden die Italiener richtig gut und überzeugend. Sie geht so: Immer wenn die Zinsen für Anleihen notleidender Staaten über einen bestimmten Wert klettern - so wie jetzt für Spanien und Italien der "Spread", also die Zinsdifferenz zu deutschen Anleihen, dramatisch gestiegen ist - soll ein gemeinsamer Fonds diese Schuldpapiere haufenweise kaufen. Damit stiege die Nachfrage nach diesen Anleihen, der Zinsanstieg würde begrenzt und die betroffenen Länder aus der tödlichen Schulden-Zins-Spirale gerettet. Das Besondere daran ist, dass den Krisenstaaten geholfen wird, ohne dass diese um Hilfe bitten müssen. Und ohne dass sie schmerzhafte Bedingungen erfüllen müssen, wie etwa die Griechen. Den heldenhaften Part der Schlange könnte zum Beispiel der Euro-Rettungsfonds ESM übernehmen.
Noch hat die "eiserne Kanzlerin" - wie italienische Zeitungen sie gerne nennen - dazu nicht ausdrücklich nein gesagt. Aber entzückend kann sie auch diese Idee nicht finden. Denn die Schlange, die Schuldscheine frisst, bis die Zinsen sinken, muss ja gefüttert werden. Und knapp 30 Prozent des Futters muss Berlin beisteuern. Ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die Idee Montis bereits barsch kritisiert. "Wir brauchen nicht ständig neue Überlegungen in der Öffentlichkeit, als hätten wir nicht längst präzise Vereinbarungen getroffen", sagte er am Donnerstag in Luxemburg
Nur nein sagen geht nicht mehr
Doch auch Angela Merkel hat ein großes Problem: Sie kann nicht länger "allein gegen alle" spielen. Wenn die Euro-Länder sich nicht umgehend auf eine gemeinsame Strategie einigen, schlittert die Währungsunion immer tiefer in ihre längst existentielle Krise und wird am Ende auseinander brechen. Das wird nicht Hunderte, sondern Tausende von Milliarden Euro kosten, zahlbar in neuen D-Mark-, Lire- oder Franc-Scheinen.
Rund um den Globus herrscht Ärger über die europäische Rat- und Tatenlosigkeit. Statt ihre Probleme zu lösen, so der Vorwurf, stecken sie die ganze Welt an. Die Schuld daran wird vor allem den als engstirnig und egoistisch angesehenen Deutschen zugeschrieben. Das zeigte sich jetzt gerade wieder beim Meeting der 20 größten Industrie- und Schwellenländer im mexikanischen Los Cabos. Von US-Präsident Barack Obama bis zu den Regierungschefs von Indien, Brasilien, Argentinien und Russland gab es nur vernichtende Urteile über Merkels Politik, die die Weltwirtschaft in die Rezession führe. Nur die höflichen Chinesen enthielten sich kritischer Worte und lächelten still.
Die unbeugsame Position von "Mrs. No" aus Berlin ließ sich eine Weile durchhalten, als man sich dort nicht nur als Zahlmeister sah, sondern auch sicher war, das bessere Rezept zur Sanierung der überschuldeten Nachbarn zu haben. Das Berliner Nein stand gewissermaßen für "Das Beste für alle!". Dumm nur, dass das heute viele nicht mehr glauben wollen. Das Beispiel Griechenland führt vielerorts - jedenfalls außerhalb Deutschlands - zur Überzeugung, dass Merkels Krisen-Therapie nicht funktioniert. Wer so massiv Sparen und Kürzen muss, dass seine Wirtschaft weg bricht, kommt aus dem Schuldensumpf nicht heraus. Er rutscht tiefer hinein, lautet die Überzeugung der Merkel-Gegner. Angela Merkel wird nach Überzeugung ihrer Kritiker "einknicken" müssen.
"Die nächsten Tage sind entscheidend", mahnt Italiens Ministerpräsident Mario Monti. Für Freitagnachmittag hat er deshalb Frankreichs neuen Präsidenten François Hollande, seinen spanischen Amtskollegen Mariano Rajoy und Angela Merkel eingeladen, eine Roadmap für diese Tage zu entwerfen. Für Europa sei dieses Treffen der "Big Four", so Monti, "die letzte Chance". Sollte diese nicht ergriffen werden, befürchtet der italienische Regierungschef verheerende Folgen auf den Finanzmärkten. Vor allem die kriselnden Euro-Länder müssten dann mit "eskalierenden Spekulationsangriffen" rechnen, sagte er dem britischen "Guardian". Die Folgen wären nicht nur wirtschaftlich katastrophal, auch der politische Integrationsprozess würde stark beschädigt.
Bis zum EU-Gipfel Ende kommender Woche müssen die Euro-Partner sich verständigt haben, was sie tun wollen, um
- die Finanzmärkte zu beruhigen,
- ihre überschuldeten Banken zu retten oder abzuwickeln,
- die gigantischen Staatsschulden zunächst in den Griff zu bekommen und mittelfristig abzubauen,
- ihre Volkswirtschaften leistungsfähiger zu machen,
- die Wirtschaft kurzfristig auf Wachstumspfad zu bringen.
Vorschläge dazu gibt es genug. Das Problem ist, dass eigentlich alle - von den Euro-Bonds bis zur Bankenunion - letztlich auch nicht überzeugend sind. Vieles ist nicht zu Ende gedacht, anderes hat hässliche Nebenwirkungen. Und bei allem geht es ja nicht nur um das optimale Anti-Krisen-Mittel, es geht auch um den politischen Erfolg oder die Niederlage eines jeden Akteurs:
- François Hollande zum Beispiel verdankt seinen Wahlerfolg nicht zuletzt dem Versprechen, er werde die übermächtigen Deutschen in die Schranken verweisen und eine neue, ganz andere Euro-Politik durchsetzen. Ein 120-Milliarden-Euro-Wachstumspaket ist sein Aushängeschild - das wird er haben wollen.
- Rajoy, der Spanier, will Milliarden für seine Banken, aber diese neuen Verbindlichkeiten nicht im Schuldenbuch des Staates ausweisen müssen. Sonst treiben die Märkte sein Land auf den Weg Griechenlands.
Merkel darf zum Fußball
Ach ja, Griechenland! Ganz hart will Merkel bleiben, die als Gegenleistung zu den Finanzhilfen ausgehandelten Bedingungen müsse Griechenland erfüllen. Ohne Abstriche. Tatsächlich wird sie auch hier "einknicken" müssen. Was sie den Griechen bislang abfordert, funktioniert einfach nicht. Spanier, Franzosen, Italiener haben sich schon vor dem heutigen Treffen verständigt, man müsse Griechenlands Lasten etwas leichter machen, ihnen mehr Zeit für die verlangten Spar-, Streich- und Reformaufgaben lassen.
Und noch eines haben die drei Herren sich zum Treffen mit der Dame vorgenommen: Nicht gegen, sondern mit Angela Merkel eine Lösung zu suchen. Und um der schroffen Deutschen schon vorab die Laune ein wenig zu heben, haben sie den eigentlich für den Abend geplanten "Vierer-Gipfel" (wie er amtlich heißt) auf den frühen Nachmittag vorgezogen. So kann die Kanzlerin zum Spiel der deutschen EM-Kicker gegen Griechenland nach Danzig jetten.