Euro-Gipfel in Straßburg Merkel pfeift Sarkozy zurück

Angela Merkel bleibt hart: Beim Dreiergipfel mit Frankreichs Sarkozy und Italiens Monti ließ die Kanzlerin Wünsche nach Euro-Bonds oder einem stärkeren Engagement der Europäischen Zentralbank abblitzen. Trotzdem kann sie die Debatte darüber nicht mehr stoppen.
Euro-Gipfel in Straßburg: Merkel pfeift Sarkozy zurück

Euro-Gipfel in Straßburg: Merkel pfeift Sarkozy zurück

Foto: ERIC FEFERBERG/ AFP

Straßburg - Kanzlerin Angela Merkel gibt in der Euro-Krise nach wie vor den Ton an. Das bewies sie beim gemeinsamen Mittagessen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Italiens Ministerpräsident Mario Monti am Donnerstag.

Gastgeber Sarkozy verkündete nach dem Treffen in Straßburg, dass das Trio sich geeinigt habe, keine Kommentare mehr zur Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Euro-Krise abzugeben. Stattdessen bekannten sich die drei Regierungschefs zur Unabhängigkeit der EZB - so wie von Merkel gewünscht.

Sarkozys Beidrehen kam überraschend, denn seit Wochen fordert die französische Regierung, dass die Zentralbank europäische Staatsanleihen in großem Stil aufkaufen soll, um die ausufernden Zinssätze zu drücken. Noch am Donnerstagmorgen waren aus Paris klare Forderungen gekommen. Die EZB müsse eine wesentliche Rolle bei der Euro-Rettung spielen, um das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen, hatte der französische Außenminister Alain Juppé gesagt. Anfang der Woche hatte bereits Premierminister François Fillon gesagt, Deutschland müsse verstehen, dass die Rolle der EZB weiterentwickelt werden müsse.

Doch Merkel scheint beim Mittagessen deutlich geworden zu sein. Jedenfalls traute Sarkozy sich in der Pressekonferenz nicht, die Forderung zu wiederholen. Stattdessen sagte er, man habe einen "positiven Kompromiss" gefunden. Und der lautet: Mund halten. Merkel hielt befriedigt fest: "Der französische Präsident hat eben gesagt, dass die europäische Zentralbank unabhängig ist."

Auch in der zweiten Streitfrage, den Euro-Bonds, bewegte sich Merkel keinen Millimeter. "Die halte ich für nicht notwendig", sagte sie. Damit entwertete sie Berichte, wonach der deutsche Widerstand gegen Euro-Bonds bröckele. Am Mittwoch hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine Machbarkeitsstudie vorgelegt, in der drei Modelle für gemeinschaftliche Staatsanleihen erörtert werden. Sowohl Italien als auch Frankreich hatten sich in der Vergangenheit für Euro-Bonds ausgesprochen. Doch wiederholten Sarkozy und Monti diese Forderungen in der Pressekonferenz nicht.

Das Mittagessen diente der Vorbereitung des EU-Gipfels am 8. Dezember, wo die nächsten Schritte der Euro-Rettung beschlossen werden sollen. Angesichts der sich verschärfenden Schuldenkrise beginnt das Treffen einen Tag früher als geplant.

Sarkozy kündigte an, dass Deutschland und Frankreich in den kommenden Tagen gemeinsame Vorschläge für eine EU-Vertragsänderung vorlegen werden. Damit soll die Euro-Zone zu einer Fiskalunion mit automatischen Sanktionen gegen Haushaltssünder ausgebaut werden.

Welche Elemente das Paket enthalten wird, ist noch unklar. Merkel betonte jedoch, dass die EZB nicht darin vorkommen werde. Das sei "ein ganz anderes Kapitel". Auch sei ein Beschluss über eine Fiskalunion keine ausreichende Bedingung, dass Deutschland Euro-Bonds zustimmen würde. Sie nannte es ein "falsches Zeichen", die unterschiedlichen Zinssätze der Euro-Länder außer Kraft setzen zu wollen. Schließlich seien sie nützlich, um zu zeigen, wo noch Reformen nötig seien.

Sarkozy sagte, die Gespräche mit Merkel über die Vertragsänderung seien "weit fortgeschritten". Doch deutete er an, dass er auch Zugeständnisse von der Deutschen erwarte. Es wäre falsch, nur über strengere Haushaltsdisziplin zu reden, sagte der Franzose. Vielmehr gehe es um ein "Gesamtpaket".

Die Märkte kann Merkel nicht kontrollieren

Nicht nur dies stellt in Frage, wie lange Merkel ihren Widerstand noch aufrechterhalten kann. Während sie ihre EU-Kollegen weitgehend im Griff zu haben scheint, hat sie keinerlei Kontrolle über die Finanzmärkte. Und die könnten früher oder später radikales Handeln erzwingen.

Der gescheiterte Anleihenverkauf der Bundesregierung am Mittwoch wird bereits als Zeichen gesehen, dass die Schuldenkrise nun auch den vermeintlich sicheren Hafen Deutschland erreicht hat. Die Regierung hatte nur Schuldscheine im Wert von 3,6 Milliarden Euro statt der anvisierten sechs Milliarden Euro loswerden können. Von wohlmeinenden Stimmen wurde der peinliche Vorfall mit dem unattraktiven Zinssatz von zwei Prozent erklärt. Andere jedoch sahen eine Eskalation der Vertrauenskrise.

In der Londoner City dominiert jedenfalls die Skepsis. "Internationale Anleger machen einen Bogen um Europa", sagte Bill Blain vom Brokerhaus New Edge. "Vor ein paar Wochen hieß es, China werde europäische Anleihen kaufen. Davon ist keine Rede mehr". Passend zur negativen Stimmung stufte die Rating-Agentur Fitch Portugals Bonität auf Ramschstatus herunter. Moody's hatte dies bereits im Sommer getan. Dabei hatte der IWF der portugiesischen Regierung vergangene Woche erst bescheinigt, sie sei auf einem guten Weg, die Sparziele zu erfüllen.

Nicht zum ersten Mal sind Merkel und Sarkozy daher vor einem EU-Gipfel Getriebene der Märkte. Ob die Ankündigung einer Fiskalunion ausreicht, um die Anleger zu beruhigen, darf bezweifelt werden. In den Finanzzentren der Welt herrscht die Meinung vor, dass die EZB wie die Federal Reserve in den USA oder die Bank of England die Notenpresse anwerfen sollte. Der Druck auf Merkel wird nicht nachlassen, und bis zum 8. Dezember ist es noch lange hin.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die Bundesbank sei der Hauptkäufer bei einer Anleihenauktion der Bundesregierung gewesen. Diese Aussage stimmt nicht. Die Bundesbank führt lediglich im Auftrag der Finanzagentur des Bundes die Anleihenauktion aus. Jene Schuldscheine, die keinen Käufer fanden, werden in der Folge auf dem Sekundärmarkt vertrieben. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren