Sondertreffen in Brüssel EU-Innenminister beschließen Verteilung von 120.000 Flüchtlingen

Die EU-Innenminister haben sich auf die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa verständigt. Vier osteuropäische Länder stimmten beim Sondertreffen in Brüssel dagegen. Der slowakische Premier schimpfte auf das "Diktat der Mehrheit".
Innenminister und EU-Kommissar in Brüssel: Vier Gegenstimmen

Innenminister und EU-Kommissar in Brüssel: Vier Gegenstimmen

Foto: EMMANUEL DUNAND/ AFP

Die EU-Innenminister haben sich mit großer Mehrheit auf die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen innerhalb Europas geeinigt. Die Entscheidung fiel nach Informationen von EU-Diplomaten gegen die Stimmen von vier EU-Ländern. Sie sei "durch eine große Mehrheit von Mitgliedstaaten" gefasst worden, teilte die luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft auf Twitter mit.

Gegen die Umverteilung von Flüchtlingen aus stark geforderten Ankunftsländern wie Italien und Griechenland hatte sich bis zuletzt eine Reihe osteuropäischer Staaten gewehrt. Laut dem tschechischen Innenminister Milan Chovanec stimmten nun sein Land, aber auch Rumänien, die Slowakei und Ungarn dagegen. Finnland habe sich enthalten, twitterte er.

120.000 sind zwar nur ein kleiner Teil der Millionen Menschen, die derzeit nach Europa drängen. Doch der Streit über die Verteilung hat die EU dennoch vor eine Zerreißprobe gestellt.

Die Verteilung soll zunächst Griechenland und Italien entlasten, nicht aber Ungarn, das das Vorhaben ablehnt. Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière können von dem freigewordenen ungarischen Kontingent von 54.000 Personen auch andere Länder, die von der Flüchtlingskrise besonders betroffen sind, profitieren. Die EU-Kommission oder ein einzelnes Land könnten beantragen, dass von dort Flüchtlinge verteilt würden. "Das können alle Staaten in Anspruch nehmen, also auch Deutschland", so de Maizière. "Ob wir das tun, ist eine andere Frage."

Polen schert aus Viségrad-Gruppe aus

Polen, das zunächst ebenfalls Bedenken gegen die Verteilung hatte, scherte aus der Viségrad-Gruppe der Gegner aus und stimmte im Rat für das Vorhaben. "Für uns war wichtig, dass Polen dabei ist", sagte de Maizière. Deutschland soll nach bisherigen Plänen rund 31.000 der 120.000 Flüchtlinge aufnehmen.

Der slowakische Regierungschef Robert Fico sprach von einem beispiellosen Vorgang in der EU-Geschichte - und blieb bei seiner Protesthaltung: Solange er Ministerpräsident sei, würden verpflichtende Quoten zur Aufnahme von Migranten in seinem Land nicht umgesetzt, sagte Fico der Nachrichtenagentur Reuters. Er werde sich dem "Diktat der Mehrheit" widersetzen.

Bereits vor dem Entschluss hatten sich Vertreter der osteuropäischen Länder gegen den Beschluss gesperrt, nicht nur aus der Slowakei: Ungarn etwa, weil es kein Erstaufnahmeland an den EU-Außengrenzen sei. Auch aus Tschechien war zu hören, Prag würde zwar die Zahl von 120.000 akzeptieren, nicht aber eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen. Das müsse vielmehr freiwillig geschehen. Man lehne "unmissverständlich" jeden Versuch ab, einen "dauerhaften Mechanismus der Verteilung von Flüchtlingen" in der EU einzuführen, sagte Regierungschef Bohuslav Sobotka.

"Auch Ungarn muss Migranten aufnehmen"

Durch den bindenden Beschluss müsse auch Ungarn, das die Entlastung um 54.000 Flüchtlinge abgelehnt hat, bei der Verteilung von 120.000 Flüchtlingen einen Anteil übernehmen, betonte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Die Zahlen für andere EU-Länder seien leicht angepasst worden, "da Ungarn nach der Entscheidung von heute auch seine Zahl an Personen auf seinem Territorium zu verteilen hat", sagte Asselborn. "Auch Ungarn muss Migranten annehmen."

Die Zahlen seien von den EU-Staaten im Rat aber auf freiwilliger Basis angenommen worden. "Die Verteilungsschlüssel, wie sie die EU-Kommission vorgeschlagen hatte - die berühmten Quoten - stehen nicht länger im Rechtstext", sagte Asselborn.

Der luxemburgische Außenminister, der auch für Migration zuständig ist, verteidigte die Mehrheitsentscheidung im Ministerrat. Europa befinde sich in einer Notfall-Situation und habe handeln müssen, man habe nicht auf den Konsens aller EU-Staaten warten können. "Wenn wir das nicht getan hätten, wäre Europa noch mehr gespalten gewesen und seine Glaubwürdigkeit wäre unterminiert worden", betonte Asselborn.

Zusammengefasst: Nach wochenlangem Streit haben die EU-Innenminister bei einem Sondertreffen die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa beschlossen. Vier Länder (Tschechien, Slowakei, Ungarn und Rumänien) stimmten gegen die Quoten, Finnland enthielt sich.

mbe/vek/Reuters/dpa/AFP
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