- • Wahl der EU-Kommission: Ein Restrisiko bleibt
- • Wahl der neuen EU-Kommission: Ein Mal muss von der Leyen noch zittern
Das Europaparlament hat die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen am Mittwoch mit breiter Mehrheit bestätigt. Damit kann die neue Führung der Europäischen Union am Sonntag ihr Amt antreten. Von der Leyen ist die erste Frau, die Präsidentin der mächtigen europäischen Behörde wird.
Für von der Leyen ist dieser Tag sowohl der Höhepunkt ihrer politischen Karriere als auch der erfolgreiche Schluss einer langwierigen Prozedur. Eigentlich war von der Leyens Amtsantritt bereits für den 1. November geplant, doch drei ihrer ursprünglich vorgesehenen Kommissionskandidaten wurden vom Europäischen Parlament abgelehnt. Sylvie Goulard aus Frankreich, die Rumänin Rovana Plumb und der Ungar László Trócsányi fielen bei den Anhörungen durch.
Am Mittwoch stimmten 461 Abgeordnete für von der Leyens Team, 157 dagegen und 89 Parlamentarier enthielten sich. Bei ihrer eigenen Wahl zur Kommissionspräsidentin im Juli hatte von der Leyen nur neun Stimmen mehr als die erforderliche Mehrheit von 374 Abgeordneten erhalten. Bei der damals geheimen Wahl hatte es mutmaßlich viele Abweichungen von den jeweiligen Fraktionslinien gegeben.
Ihr Ziel der Geschlechterparität in der Kommission hat von der Leyen verfehlt: Der neuen EU-Kommission gehören 15 Männer und 12 Frauen (einschließlich von der Leyen) an.
Von der Leyen war im Sommer von den europäischen Staats- und Regierungschefs als Kandidatin nominiert worden, obwohl sie zuvor nicht als Spitzenkandidatin zur Europawahl angetreten war. Frans Timmermans und Margrethe Vestager, die Spitzenkandidaten waren, sind nun Vizepräsidenten der Europäischen Kommission.
Bei einem Treffen der Kommissionsvizepräsidenten soll Timmermans deutlich gemacht haben, dass es künftig wechselnde Mehrheiten im Parlament geben wird - eine deutliche Absage an eine informelle Große Koalition, die es in der vergangenen Legislaturperiode noch gegeben hatte.
Im Vorfeld hatte es Streit darüber gegeben, ob Großbritannien einen EU-Kommissar nominieren müsste, schließlich sind sie noch Mitglied der EU. Erst am 31. Januar will Großbritannien die Staatengemeinschaft verlassen. Die Nominierung eines Kandidaten lehnte Großbritannien aber ab - die EU-Kommission eröffnete daraufhin ein Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge . Auch, um sicherzugehen, dass ihre Beschlüsse nicht im Nachhinein angefochten werden können.
Von der Leyen hat im Parlament einen "Neustart Europas" gefordert. Die gelernte Ärztin und Mutter von sieben Kindern wurde in Brüssel geboren. Sie spricht fließend Englisch und Französisch. Die ersten Jahre ihres Lebens verbrachte sie in Brüssel. "Ich bin Europäerin gewesen, bevor ich später gelernt habe, dass ich Deutsche bin und Niedersächsin", sagt sie.
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Am 1. Dezember beginnt Ursula von der Leyens Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin. Ihr Team wurde nun vom Europaparlament bestätigt. In Deutschland war von der Leyen vor ihrer Nominierung unter anderem Verteidigungsministerin.
Künftig will von der Leyen mit drei mächtigen Vizepräsidenten arbeiten. Der Niederländer Frans Timmermans ist fortan für den Bereich Klimapolitik zuständigt. Timmermans ist seit 2014 Erster Vizepräsident der Europäischen Kommission. Diese Rolle soll er auch künftig ausführen - auf Augenhöhe mit Margrethe Vestager.
Die Dänin Margrethe Vestager als zweite geschäftsführende Vizepräsidentin bekommt neben dem Dossier Digitales den Wettbewerbsbereich, den sie schon in der bisherigen Kommission verwaltete. In Dänemark war Vestager unter anderem Innenministerin.
Dritter geschäftsführender Vizepräsident ist der Lette Valdis Dombrovskis, der "die Arbeiten für die Wirtschaft im Dienste der Menschen koordinieren" soll. Er ist als Kommissar gleichzeitig für Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion zuständig. Dombrovskis ist, wie Timmermans, seit 2014 Vizepräsident der EU. Bis 2013 war er lettischer Regierungschef.
Hinzu kommen fünf weitere Vizepräsidenten, die ressortübergreifend koordinierende Aufgaben wahrnehmen: Die Tschechin Vera Jourova soll als Vizepräsidentin für Grundwerte und Transparenz in Europa zuständig sein. Aktuell ist sie EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung.
Der Slowake Maros Sefcovic soll künftig für interinstitutionelle Beziehungen zuständig sein. Er ist seit 2009 Mitglied der EU-Kommission und seit 2010 einer ihrer Vizepräsidenten. Zuletzt war er für die Energieunion zuständig.
Die Kroatin Dubravka Suica übernimmt den Bereich Demokratie und Demografie. Seit 2013 ist sie Mitglied des Europäischen Parlaments - also seit dem EU-Beitritt ihres Landes.
Der Spanier Josep Borrell wird neuer EU-Außenbeauftragter. Er tritt damit die Nachfolge der Italienerin Federica Mogherini an. Seit Juni 2018 ist er spanischer Außenminister, von 2004 bis 2007 war er Präsident des EU-Parlaments.
Dem Griechen Margaritis Schinas will von der Leyen den Schutz dessen anvertrauen, "was Europa ausmacht". 2014 wurde er Chefsprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er soll zudem die geplanten Projekte in der Migrationspolitik koordinieren.
Der frühere französische Wirtschafts- und Finanzminister Thierry Breton soll Kommissar für den Binnenmarkt werden. Der Unternehmer war bis Ende Oktober Geschäftsführer des französischen IT-Dienstleisters Atos, von 2002 bis 2005 leitete er die France Télécom. Die erste Nominierte, Sylvie Goulard, war wegen laufender Ermittlungen in einer Scheinbeschäftigungsaffäre abgelehnt worden.
Adina Valean ist als Verkehrskommissarin vorgesehen. Seit 2007 ist sie Mitglied im Europaparlament. Die studierte Mathematikerin war vorher Mitglied mehrerer Stiftungen und Verbände, die unter anderem liberale Wirtschaftspolitik fördern. Die erste rumänische Kandidatin, Rovana Plumb, war wegen finanzieller Interessenkonflikte vom Europaparlament gestoppt worden.
Oliver Varhelyi wird Kommissar für Nachbarschaft und Erweiterung. Der ungarische Diplomat gehört zwar nicht der Fidesz-Partei von Viktor Orbàn an, gilt aber als loyaler Anhänger des ungarischen Regierungschefs. Einige Abgeordnete befürchteten bei ihm eine zu große Nähe zu Orban. Varhelyi war zum Zeitpunkt seiner Nominierung der ungarische EU-Botschafter. Orbans erste Wahl, Laszlo Trocsanyi, lehnten die EU-Abgeordneten ebenfalls wegen finanzieller Interessenskonflikte ab.
Der Belgier Didier Reynders, früher belgischer Außenminister, übernimmt die Zuständigkeit für das Ressort Justiz und Rechtsstaatlichkeit.
Janusz Wojciechoski aus Polen kümmert sich um Landwirtschaft. Gegen den früheren Richter ermittelt die europäische Antibetrugsbehörde Olaf wegen womöglich falscher Reiseabrechnungen.
Der Österreicher Johannes Hahn (r.) wird Kommissar für EU-Haushalt und Verwaltung. Zuletzt war Hahn für Erweiterungspolitik in der EU zuständig. Hier ist er im Gespräch mit dem niederländischen Außenminister Stephanus Blok zu sehen.
Das mächtige Handelsportfolio erhält der Ire Phil Hogan (links). Hier im Bild mit dem polnischen Premierminister Mateusz Morawiecki. Zuvor war Hogan EU-Agrarkommissar.
Der frühere italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni ist künftig für das Wirtschaftsressort zuständig.
Kommissarin für Inneres wird die Schwedin Ylva Johansson. In ihrer Heimat war sie zuletzt Arbeitsministerin.
Die Bulgarin Mariya Gabriel ist für den Aufgabenbereich Innovation und Jugend vorgesehen. Zuvor war sie EU-Digitalkommissarin. Sie ist das jüngste Mitglied der Kommission.
Kadri Simson aus Estland verantwortet fortan den Bereich Energie. Bis 2016 war sie Fraktionsvorsitzende der Zentrumspartei im estnischen Parlament.
Der Bereich Krisenmanagement wird künftig vom Slowenen Janez Lenarcic geführt. Er war unter anderem Botschafter seines Landes in der EU und Vertreter bei den Vereinten Nationen.
Virginijus Sinkevicius war Umweltminister in Litauen. In der EU-Kommission soll er ebenfalls für den Bereich Umwelt zuständig sein.
Der Sozialdemokrat Nicolas Schmit aus Luxemburg soll EU-Beschäftigungskommissar werden.
Stella Kyriakidou aus Zypern soll EU-Gesundheitskommissarin werden. Die Konservative ist langjährige Parlamentsabgeordnete auf Zypern.
Der Finnin Jutta Urpilainen will von der Leyen die Verantwortung für den Themenbereich internationale Partnerschaft übertragen.
Helena Dalli wurde von Malta nominiert und soll Kommissarin für Bürgerrechte und Gleichstellung werden. Diesen Posten hatte sie bereits in der Vergangenheit.
Die Portugiesin Elisa Ferreira übernimmt die Themen Kohäsion und Reformen. Ferreira war zuletzt Vize-Gouverneurin der portugiesischen Zentralbank.
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