Beppe Grillo bei Europawahl Der entzauberte Clown

Beppe Grillo im Wahlkampf: Doch kein Kopf-an-Kopf-Rennen
Foto: ANDREAS SOLARO/ AFPGlück gehabt. Italien, das drittgrößte Land in der Euro-Zone, ist Beppe Grillo nicht auf den Leim gegangen, dem Anti-Politiker mit seinen absurden Forderungen. Staatsschulden? Einfach nicht mehr bezahlen. Verträge mit Europa? Ignorieren. Reformen? Quatsch. Wir stellen alle namhaften Politiker, Manager, Journalisten vor ein Internet-Gericht. Da werden sie dann von der Community abgeurteilt. Und weg sind sie.
Alles, was Beppe Grillo, Anführer der Fundamental-Opposition Fünf-Sterne-Bewegung, im Wahlkampf über die großen Plätze gebrüllt hat, klingt so einfach - und ist so töricht. Ein Sieg des "Narren", wie sein Gegenspieler, Ministerpräsident Matteo Renzi, Grillo nennt, hätte die ohnehin schon unübersichtlichen politischen Verhältnisse Italiens endgültig ins Chaos kippen lassen.
Die Wahlforscher hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorhergesagt. Doch hat sich Renzis Demokratische Partei mit fast 41 Prozent durchgesetzt. Die Forza Italia des Expremiers Silvio Berlusconi kam auf fast 17 Prozent. Grillos Truppe aber erreichte mit rund 21 Prozent einen zweiten Platz - man stelle sich vor, Martin Sonneborn hätte seine Spaßpartei Die Partei in Deutschland auf Platz zwei geführt.
Ab Montag, das hatte Grillo bereits angedroht, hätten seine Gefolgsleute im Falle eines Wahlsiegs den Amtssitz des Staatspräsidenten belagert. So lange, bis der das Parlament aufgelöst, dem Land Neuwahlen verordnet hätte. Oder aber einer aus Grillos Fünf-Sterne-Bewegung mit der Regierungsbildung beauftragt worden wäre. Selbst der Name eines möglichen Fünf-Sterne-Premiers war schon im Umlauf: von einem Luigi Di Maio schrieben italienische Medien. Unbekannt, unwichtig, er hätte ohnehin nur tun und sagen dürfen, was sein Chef Grillo befohlen hätte.
"Ragazzi, habt ihr es immer noch nicht kapiert?"
Dass Grillos Bewegung gut, aber nicht herausragend abschneiden würde, war abzusehen. Gewaltig war der Zulauf zu seiner letzter Wahlkampf-Veranstaltung auf der einstigen Hochburg der Linken in Rom, der Piazza San Giovanni. Dort riefen selbst Fünf-Sterne-Aktivisten dem Vordenker der Bewegung, dem wortkargen, presseabstinenten Gianroberto Casaleggio, zu: "Gianroberto, diese Masse ist verrückt!" Der gab zurück: "Ragazzi, habt ihr es immer noch nicht kapiert? Dies ist nur der Anfang, wir werden uns alles nehmen."
Diese Gefahr ist erst einmal gebannt. Jetzt hängt es von Renzi ab - dem "Dummchen", wie Grillo ihn im Wahlkampf schmähte -, ob die Mehrheit der Italiener wirklich noch einmal von einer parlamentarischen Demokratie zu überzeugen ist.
Denn das Liebäugeln mit einem, der die totale Säuberung des verrotteten Systems verspricht, ist verständlich. Jeden Tag lesen die Italiener in der Zeitung von neuen Skandalen, davon, dass sich Politiker, Bankiers, Unternehmer, Staatsbeamte - und oft auch Mafiosi - zum Schaden der Allgemeinheit bereichert haben. Egal, wen man wählt, so denken viele Italiener, sie greifen sowieso in die Kasse.