Europawahl SPD erleidet katastrophale Niederlage
Hamburg - Angela Merkels Plan ging auf. Knapp zwei Jahre nach der Bundestagswahl galt die Entscheidung vor allem als Stimmungstest für die deutsche Innenpolitik. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge erhielt die Union 44,5 Prozent. Vor fünf Jahren waren es zwar noch 48,7 Prozent, doch trotz der verlorenen Stimmen erwies sich die Union als klarer Sieger der ersten Wahl im Europa der 25.
Die SPD war 1999 bereits auf lediglich 30,7 Prozent zurückgefallen. Das jetzige Ergebnis von 21,4 ist eine schallende Ohrfeige für die Regierungspartei. Die Grünen bekommen jetzt 11,9 Prozent. Vor fünf Jahren waren es noch 6,4 Prozent. Auch FDP und PDS haben mit jeweils 6,1 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde knapp übersprungen und können ins Europaparlament einziehen. Die Liberalen waren 1999 mit 3,0 Prozent gescheitert.
Der Jubel bei der Union war entsprechend groß: Als großartigen Erfolg für CDU/CSU bewertete der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Hans Gert Pöttering, den Ausgang der Europawahl. "Wir sind von Konrad Adenauer bis jetzt Angela Merkel die Europapartei Deutschlands", sagte Pöttering am Abend in der ARD. Natürlich hätten auch nationale Themen eine Rolle gespielt. Angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung müssten aber Politik und Medien künftig noch stärker darauf hinwirken, um der Europapolitik einen größeren Stellenwert zu verschaffen.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sieht im Ergebnis der Wahl ein klares Signal für einen Wechsel in der Bundespolitik. Es sei ein Zeichen dafür, dass die derzeitige Politik von Rot-Grün "nicht die Unterstützung der Menschen in Deutschland findet", sagte Merkel. Sehr wichtig an dem "tollen Ergebnis" sei zudem, dass die Union laut Hochrechnungen zusammen mit der FDP bundesweit auf eine klare absolute Mehrheit komme.
Müntefering kündigt Konsequenzen an
Die SPD hat ihre klare Niederlage bei der Europawahl eingestanden. Als "bitteres Ergebnis" bezeichnete SPD-Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering das schlechte Abschneiden seiner Partei bezeichnet. Den Sozialdemokraten sei es offenbar nicht gelungen, bei den Wählern ausreichend Vertrauen für den Reformkurs der Bundesregierung zu schaffen, sagte er in Berlin.
Müntefering kündigte Konsequenzen aus der Wahlschlappe an. In den anstehenden Sitzungen der SPD-Spitzengremien müsse "offen darüber geredet werden, was die richtige Politik ist", betonte er. Diese Positionen müssten dann aber von der gesamten Führung geschlossen getragen werden. Ein weiterer Grund für die schlechten SPD-Ergebnisse sei die schwache Wahlbeteiligung.
Der Grünen-Spitzenkandidat Daniel Cohn-Bendit sieht in dem zweistelligen Abschneiden seiner Partei bei der Wahl zum EU-Parlament einen großen Erfolg. Die Grünen seien die einzige Regierungspartei in Europa, die hinzu gewonnen habe, sagte Cohn-Bendit. Alle an einer Regierung beteiligten Parteien in anderen Ländern hätten Verluste hinnehmen müssen. Als Grund für das gute Ergebnis seiner Partei führte Cohn-Bendit an, dass die Grünen Europa ernst genommen und den Wahlkampf als "europäische Grüne" länderübergreifend geführt hätten. Seine Partei habe sich vor allem mit ihren Forderungen nach einem sozialen und ökologischen Europa sowie klaren Vorstellungen zur EU-Verfassung und zur Rolle Europas in der Welt hervorgetan.
Die FDP-Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin zeigte sich in der ARD mit dem sich abzeichnenden Ergebnis der FDP nach der ersten Prognose "absolut zufrieden". Sie freue sich sehr über das Resultat, das auf Grund der guten Arbeit der Partei errungen worden sei. Der Bundesparteitag habe zuletzt noch einmal gezeigt, wie entschlossen die Partei in den Wahlkampf gegangen sei, sagte sie.
Die Wahlbeteiligung war in Deutschland bei einer Europawahl noch nie so niedrig. 40,4 Prozent der Wahlberechtigten gingen heute zum Wahllokal - gegenüber 45,2 Prozent im Jahr 1999.
Überraschender Erfolg für Martin in Österreich
Abgestimmt wurde auch in 18 weiteren EU-Ländern. Wahlberechtigt waren fast 300 Millionen Bürger. Beim EU-Neuling Polen gaben bis zum Mittag gerade mal sechs Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In Ungarn waren es knapp 14 Prozent. In Zypern hingegen, dessen griechischer Teil ebenfalls erst seit Mai der EU angehört, wurde bis zum Mittag eine Beteiligung von mehr als 34 Prozent gemeldet.
Jörg Haider und seine in der Nationalregierung mitregierende FPÖ erlitten in Österreich nach Hochrechnungen eine schwere Niederlage. Die Partei brach ungeachtet des vor allem von Haider geführten Wahlkampfes um 17,3 Prozentpunkte ein und kam mit 6,1 Prozent nur noch auf Platz 5.
Danach kam die SPÖ auf 33,5 Prozent und lag damit um 1,7 Prozentpunkte über ihrem Ergebnis von 1999 und konnte damit ihre sieben Mandate halten. Die ÖVP legte um 2,0 Prozentpunkte auf 32,7 Prozent zu, verlor aber einen ihrer sieben Sitze. Der Kritiker der Spesenpraxis im EU-Parlament, Hans-Peter Martin, schaffte mit seiner Liste überraschend deutlich den Einzug in die Volksvertretung mit Sitz in Straßburg.
Die Liste Martin kam auf Anhieb auf 14,0 Prozentpunkte und zwei Mandate, während sich die Grünen um 2,0 Prozentpunkte auf 14,0 Prozent verbesserten.
Erfolg für Ministerpräsident in Griechenland
Die konservative Partei des griechischen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis hat Wählernachfragen zufolge einen deutlichen Sieg erzielt. Karamanlis' Partei Neue Demokratie erreichte demnach 42,5 Prozent der Stimmen. Sie hatte erst bei der Parlamentswahl im März die elfjährige Herrschaft der Sozialistischen Partei von Georgios Papandreou beendet. Diese erzielte laut dem privaten Fernsehsender Mega 35 Prozent.
Die Kommunistische Partei konnte demnach mit zehn Prozent der Stimmen rechnen, die Koalition der Linken mit fünf Prozent. Griechenland stellt im neuen EU-Parlament 24 Abgeordnete. Trotz einer bestehenden Wahlpflicht war mit einer geringen Wahlbeteiligung gerechnet worden.
Die dänischen Sozialdemokraten haben die Europawahlen in ihrem Land nach einer Prognose des Fernsehens klar gewonnen. Wie der Sender TV2 berichtete, erhielt die im eigenen Land oppositionelle sozialdemokratische Partei 33,5 Prozent der Stimmen und konnte damit ihr Ergebnis von 1999 fast verdoppeln. Die rechtsliberale Partei von Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen ging um 5,8 Prozentpunkte auf 18,7 Prozent zurück. Die in Dänemark traditionell starken EU-Gegner verloren ebenfalls klar.
Opposition siegt in Slowenien und Malta
Die ersten EU-Parlamentswahlen in Slowenien endeten mit einem Sieg oppositioneller Parteien und einer äußerst geringen Wahlbeteiligung. Nach Fernseh-Hochrechnungen haben die regierenden Liberaldemokraten (LDS) mit 23,6 Prozent zwar die meisten Stimmen erhalten. Zusammen aber sind die Oppositionsparteien stärker. Bis 16 Uhr hatten nur etwa 20 Prozent der rund 1,6 Millionen Wahlberechtigten abgestimmt. Experten meinten, am Ende dürfte die Beteiligung bei knapp 30 Prozent liegen.
Die in Malta regierenden Nationalisten haben ihre Niederlage bei der Europawahl eingeräumt. Generalsekretär Joe Saliba erklärte, die oppositionelle Arbeitspartei habe die Mehrheit errungen. Sie werde daher drei Sitze im EU-Parlament erhalten, die Nationalistische Partei dagegen nur zwei. Saliba erklärte, er sei von dem Ergebnis überrascht. Schließlich sei es doch die Regierung gewesen, die Maltas Beitritt zur Europäischen Union am 1. Mai vorangetrieben habe.
Beobachter erklärten hingegen, wahrscheinlich hätten viele Stammwähler der Regierungspartei diesmal aus Protest den Grünen ihre Stimme gegeben. Seit dem Beitritt leiden Geschäftsleute unter der Einfuhr von billigeren Produkten aus dem Ausland.
Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament in den Niederlanden hat die Regierung die Wahlen knapp gewonnen. Der regierende Christlich-Demokratische Appell (CDA) von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende lag nach Auszählung von rund 94 Prozent der Stimmen mit 24,4 Prozent einen Prozentpunkt vor der größten Oppositionspartei, der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA). Wegen der Knappheit des Ergebnisses kamen beide Parteien demnach auf je sieben der insgesamt 27 niederländischen Mandate. Die niederländische Regierungspartei CDA verlor nach vorläufigen Ergebnissen vom Freitag zwei ihrer bislang neun Sitze im EU-Parlament.