Stubbs Kandidatur gegen Weber Außenseiter, aber smart

Alexander Stubb
Foto: imago/ ScanpixAlexander Stubb weiß, wie man einen überraschenden Auftritt hinlegt. Erst wünscht er Manfred Weber auf Deutsch viel Glück für sein Vorhaben, Spitzenkandidat bei der Europawahl zu werden, dann wechselt er ins Französische und lobt den Chef der europäischen Volkspartei (EVP). Schließlich referiert der 50-Jährige, wo aus seiner Sicht die größten Herausforderungen für die EU liegen, auf Englisch.
Die Zuhörer bei der Sitzung des Parteipräsidiums vor knapp zwei Wochen in Brüssel verstanden Stubbs kurze Rede so, wie sie gemeint war: als Ansage, dass er Weber herausfordern und ebenfalls antreten werde, um Spitzenkandidat für die Europawahlen im kommenden Mai zu werden.
Am Dienstag ist es soweit: Im Straßburger Europaparlament will Stubb seine Kandidatur bekanntgeben. Gleichzeitig nimmt er fünf Wochen unbezahlten Urlaub als Vizechef der Europäischen Investitionsbank (EIB), um für sich Wahlkampf zu machen. Rechtlich verpflichtet wäre er dazu nicht, wie er sagt.

Manfred Weber
Foto: Emmanuel Dunand/ dpaDie EVP kürt ihren Spitzenkandidaten Anfang November in Helsinki. Da Europas Christdemokraten voraussichtlich als stärkste Parteienfamilie aus der Europawahl hervorgehen werden, stehen die Chancen nicht schlecht, dass ihr Spitzenkandidat danach Nachfolger von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident wird. So wie es aussieht, läuft es auf einen Zweikampf Stubb gegen Weber hinaus.
"Ich bin der Außenseiter, das ist mir bewusst", sagt Stubb und zerlegt mit schnellen Schnitten ein Schnitzel. Stubb sitzt bei einem Italiener im Brüsseler Europaviertel. Er nimmt nur ein wenig Gemüse zum Fleisch, keine Kartoffeln, keine Nudeln. Der Mann läuft Marathon, eine Zeitlang schrieb er im Magazin der Fluglinie Finnair eine Kolumne über gesundes Leben. 2016 absolvierte Stubb den Ironman in Hawaii, nicht ohne seine Erlebnisse bei Schwimmen, Radfahren und Laufen danach stolz in der "Financial Times" zum Besten zu geben . "Ich konnte mich kaum noch bewegen", sagt er.
Auch mal ein Rotwein-Post bei Twitter
Obwohl vier Jahre älter als Weber, wirkt Stubb jugendlicher als der Niederbayer, auch in Sachen Selbstvermarktung liegt er vorn. Im Gespräch erfährt man schnell die Höhepunkte aus Stubbs Lebenslauf: High School in den USA, Studium am Europa-College in Brügge, Doktorat an der London School of Economics.
An seiner Kandidatur feilt Stubb seit Monaten, vor wenigen Tagen hat er kleine Videos fertig gedreht, die nun über die sozialen Netzwerke flimmern sollen. Mit seinem Team ist er per WhatsApp-Gruppe verbunden. Wer Stubb auf Twitter folgt, erlebt einen Mann, der rastlos durch Europa jettet, seine Follower aber auch daran teilhaben lässt, wenn er sich mal ein Glas Rotwein gönnt.
Scharf seziert er Webers Schwachstellen. "Wer Kommissionspräsident werden will, dem müssen die Staats- und Regierungschefs zutrauen, mit Donald Trump zu telefonieren", sagt er. Stubb war Finanzminister in Finnland und für ein knappes Jahr sogar Premier. Weber dagegen hat im Europäischen Parlament Karriere gemacht, an einem Kabinettstisch saß er noch nie.
Die Deutschen werden für Weber stimmen
Politisch gehört Stubb zum liberalen Flügel von Europas Christdemokraten, mit Rechtsauslegern wie Viktor Orbán hat er keinerlei Berührungspunkte. Im Rennen um die Stimmen auf dem Parteitag könnte das ein Vorteil sein, wenn es darum geht, die Unterstützung jener EVP-Parteien zu erhalten, die, wie Luxemburger oder Niederländer, Orbán am liebsten aus der EVP verbannen wollen.
Sicher, sagt Stubb, die Mehrheit der EVP-Fraktion wird hinter ihrem Chef stehen, doch das sind eben nur ein Viertel der Delegierten. Klar ist auch, dass die Deutschen mit großer Mehrheit ihren Mann wählen werden. Danach wird es spannend: Bei den nordischen Ländern, Balten und all denen, die meinen, die Deutschen seien in der EU ohnehin mächtig genug, rechnet sich Stubb gute Chancen aus. Nicht umsonst werden oft Politiker aus kleinen EU-Ländern Kommissionschef, sie verstehen die Behörde auch als ihre Interessenvertretung im Brüsseler Machtpoker.
Der Finne liebt es, von seinem engen Draht zur EU-Prominenz zu erzählen, zu Angela Merkel beispielsweise. Als er, eben frisch im Amt, zu seinem ersten Europäischen Rat kam, gab ihm die Kanzlerin ein paar Tipps. Wenn es mal schwierig werde in der Heimat, einfach die Nachrichten nicht beachten, sagte Merkel. Und: "Geh zu deinen eigenen Leuten." Noch heute schickt Stubb ihr SMS.
Wenn die SMS mit "Elmar-Honey" beginnt
Er macht keinen Hehl daraus, dass er nichts zu verlieren hat, auch wenn die Sache mit dem Spitzenkandidaten schiefgeht. Weber ist der Favorit des Establishments, EVP-Parteichef Joseph Daul wäre es sogar am liebsten, wenn es zu überhaupt keiner Kampfkandidatur käme.
Stubb sieht in seiner Bewerbung auch einen gewissen Werbeeffekt, wenn es nach der Europawahl im Mai um andere Spitzenpositionen in der EU geht. Um die Nachfolge Federica Mogherinis als Chefdiplomatin etwa. "Ich habe nichts zu verlieren", sagt er. "Die Partei muss entscheiden, wer besser geeignet ist, eine Kampagne in mehreren Sprachen zu führen und gegen Populisten wie Salvini, Orbán oder Le Pen zu bestehen."
Auch bei Webers Getreuen wirbt der Finne um Unterstützung. So erreichte Elmar Brok, einer der dienstältesten CDU-Leute im Europaparlament, zuletzt eine SMS. Die Botschaft: Es wäre doch schön, wenn Brok dabei wäre, wenn Stubb seine Kandidatur in Straßburg verkündet. Doch es ist nicht Stubbs Ansinnen, das Brok schmunzeln lässt. Es ist die Anrede in der Kurznachricht: "Elmar-Honey".