
Mordfall Israilow: Was wusste der österreichische V-Mann?
Exil-Tschetschene liquidiert Österreichischer V-Mann in Auftragsmord verwickelt
Es war 12 Uhr, als der Exil-Tschetschene Umar Israilow am 13. Januar 2009 in der Wiener Ostmarkgasse 2 zusammenbrach. Zwei Männer hatten ihn verfolgt, vermutlich auf ihn eingeschlagen. Dann fielen Schüsse - und die Täter ergriffen die Flucht.
Jener Mord am helllichten Tage hat für Entsetzen in Österreich gesorgt, aber auch darüber hinaus. Denn Ermittler gehen davon aus, dass kein geringerer als der Herrscher , , hinter der Bluttat steckt. In Ermittlungsakten wird er als "Hintermann" und "Auftraggeber" bezeichnet. Israilow hatte ihm öffentlich Folter vorgeworfen - offenbar wurde er deshalb erbarmungslos verfolgt.
Doch der Mordfall Israilow wirft nicht nur Licht auf die brutalen Methoden des Tschetschenen-Herrschers, sondern auch auf die österreichischen Behörden.
Israilow wäre vermutlich noch am Leben, hätten Österreichs Behörden die Warnungen ernst genommen, die Hilferufe, die Informationen, die ihnen vorlagen. Anwälte und Betreuer des Exilanten hatten immer wieder auf Schutz gedrängt, vergeblich. Selbst als ein Exil-Tschetschene sich den Behörden stellte, sich selbst bezichtigte, im Auftrag Kadyrows Israilow zu verfolgen, blieb Hilfe aus.
Österreichs Behörden droht Ärger
Wenn in wenigen Wochen der Prozess gegen die Haupttäter eröffnet wird, dann droht also nicht nur den Beschuldigten Ungemach, sondern auch den Behörden der Alpenrepublik. Welche Verantwortung tragen sie für den Tod des Flüchtlings?
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien, die dem SPIEGEL vorliegt, nährt aber einen noch schlimmeren Verdacht gegen Österreichs Dienste. Denn auf Seite 20 wird einer der mutmaßlich Tatbeteiligten als "Informant des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien" geoutet - Kosum J. Seit 2003 hat er seinen Wohnsitz in Wien, 2007 erhielt er offiziell Asyl. Spätestens 2008 wurde er Informant des Dienstes.
Doch Kosum war eben nicht nur Informant, offenbar war er auch mitverantwortlich für Israilows Tod. Laut Ermittlungen der Wiener Staatsschützer war Kosum J. jedenfalls "Bestimmungstäter" und "Fluchthelfer". Zahllose Telefonate würden dies belegen, auch sein Verhalten am 13. Januar. Wörtlich heißt es im Abschlussbericht der Polizei: "Als Conclusio aus der Gesamtbetrachtung des Tatablaufes ist anzunehmen, dass J. von Beginn an den kompletten Tatplan gewusst und mit geplant hatte."
Aber was hat er darüber seinem Mann beim Dienst erzählt?
Unmittelbar nach der Tat jedenfalls, um 12.07 Uhr, meldete sich Kosum beim Kontaktmann des Wiener Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Da hatte der Tschetschene die wohl dramatischsten Momente seines Lebens hinter sich. Wenige Minuten zuvor hatte sein Bruder Turpal den flüchtenden Israilow niedergestreckt, davon sind die Ermittler überzeugt. Wenige Tage nach der Tat setzte sich Kosum ab, laut Anklage hielt er auch während seiner Flucht Kontakt zum Verfassungsschutz, im November 2009 kehrte er nach Wien zurück, um sich dem Verfahren zu stellen.
Doch die Umstände seiner Rückkehr sind mysteriös. Wurde ein Deal mit ihm geschlossen? Von "Rückkehrmodalitäten" ist in den Ermittlungsakten die Rede. Er werde die ganze Geschichte aufklären, sagte Kosum angeblich telefonisch zu. Später machte er nur unpräzise Auskünfte. Er wurde auf freien Fuß gesetzt, aber kooperierte plötzlich nicht mehr.
Die Wiener Staatsanwaltschaft führt ihn weiter als Beschuldigten, aber das Verfahren gegen ihn wurde abgetrennt, Anklage nicht erhoben. Weiß Kosum zu viel?
Aufklärung ist jedenfalls möglich - es dürfte spannend werden, wenn der Kontaktmann beim Dienst in den Zeugenstand gerufen wird. Doch vorerst mauern die Behörden. Wenige Stunden lief die Vorabmeldung des SPIEGEL zu der Affäre über die Agenturen, da legte sich Rudolf Gollia, Sprecher des Innenministeriums von Österreich, fest: "Kosum J. war niemals ein Informant des Verfassungsschutzes. Weder auf Landes- noch auf Bundesebene."
Doch dem Dementi folgte einen Tag später ein zweites. "Ja, der Verfassungsschutz hatte vor und nach der Ermordung Israilows Kontakt zu Kosum J."