Festgenommene Qaida-Verdächtige Norwegisches Terror-Puzzle

Norwegens Geheimdienstchefin Janne Kristiansen: Terrorplot mit unbekanntem Ziel
Foto: HOLM, MORTEN/ AFPBerlin - Ihr Ziel war es offenbar, Bomben zu bauen. Tragbar sollten die Sprengsätze sein, aber zugleich groß genug, um massenhaften Tod zu bringen. Als Basis sollte Wasserstoffperoxid dienen, derselbe Grundstoff, mit dem schon die Sauerland-Zelle in Deutschland experimentiert hatte.
Wo die drei in Norwegen lebenden Männer mutmaßlich zuschlagen wollten, ist unbekannt. Jedenfalls wurde die Absicht, die norwegische und US-amerikanische Ermittler ihnen unterstellen, vereitelt: Am Donnerstag wurden die drei Verdächtigen festgenommen, zwei in Norwegen und ein dritter, unter Mithilfe der deutschen Polizei, in Duisburg, wo er sich bei Verwandten aufgehalten hatte. Es handelt sich bei den Männern um einen Uiguren mit norwegischer Staatsangehörigkeit sowie einen Usbeken und einen kurdischen Iraker, die beide in Norwegen aufenthaltsberechtigt sind.
Noch sind erst wenige Details des Falles bekannt, der aber schon jetzt als der bislang ernsthafteste in Skandinavien aufgedeckte Terrorplot gilt. Die norwegischen Behörden sind wenig auskunftsfreudig, was vor allem an den noch unklaren internationalen Dimensionen des Falles liegt. Es gilt als denkbar, dass die Männer nicht in Norwegen selbst zuschlagen wollten, sondern im Ausland.
Verbindungen nach New York?
Fahnder waren der mutmaßlichen Zelle seit einem Jahr auf den Fersen; bereits im vergangenen Sommer war nach Informationen von SPIEGEL ONLINE bekannt, dass sich die Drei für Bombenbau interessierten. Eigentlich sollten sie noch weiter observiert werden, um möglichst ihr gesamtes Netzwerk zu enttarnen, heißt es in Norwegen. Ein Faktor für die frühzeitige Festnahme war, dass die Nachrichtenagentur AP Kenntnis von den Ermittlungen hatte.
Der 39 Jahre alte Uigure gilt den Sicherheitsbehörden derzeit als zentrale Figur. Es heißt, er habe bis in das Jahr 2001 oder 2002 zurückreichende Verbindungen zum Terrornetzwerk . Im Winter 2008/2009 soll er sich in der pakistanischen Unruheprovinz nahe der afghanischen Grenze aufgehalten habe, vermutlich habe er dort ein Trainingslager einer militanten Gruppe besucht. Die noch unbestätigte Hypothese lautet derzeit, dass der Uigure seine beiden mutmaßlichen Mitverschwörer rekrutierte; entsprechende Reisen der beiden anderen Männer sind bisher anscheinend nicht bekannt.
Der Fall hat möglicherweise weiter reichende internationale Aspekte. Laut der Nachrichtenagentur AP soll es Verbindungen zwischen dem norwegischen Anschlagsplan und anderen Plots in den USA und in Großbritannien geben. So etwa zu dem bereits eingestandenen Vorhaben von Nadschibullah Zazi, die New Yorker U-Bahn mit Sprengsätzen anzugreifen. Aber auch zu jüngst bekannt gewordenen mutmaßlichen Planungen von Radikalen in Großbritannien, ein Einkaufszentrum anzugreifen, wird AP zufolge von US-Beamten eine Verbindung gezogen. Auf welcher Grundlage diese Vermutung beruht, ist noch unklar.
Al-Somali gilt als möglicher Drahtzieher
Sie ist aber nicht völlig unplausibel. Zumindest Zazi hielt sich bisher bekannt gewordenen Informationen zufolge ebenfalls im Winter 2008/2009 in Waziristan auf, wo er Kontakt zu den pakistanischen Taliban gesucht haben soll, dann aber von al-Qaida rekrutiert worden sei. Sein Anschlagsplan soll auf die Initiative des im vergangenen Jahr durch eine US-Drohne getöteten Qaida-Kaders Saleh al-Somali zurückgegangen sein, der einigen Analysten als Operations-Chef für Anschläge im Westen galt.
Allerdings ist al-Qaida nicht die einzige militante Organisation, zu der es möglicherweise Querverbindungen gibt. Auch zur Turkestan Islamic Party (TIP), einer in China und in Waziristan operierende Gruppe, habe es möglicherweise Kontakt gegeben, heißt es in Sicherheitskreisen. Die TIP ist eine obskure Gruppe, bei der nicht gänzlich klar ist, ob sie identisch ist mit dem East Turkestan Islamic Movement (ETIM). ETIM hatte 2008 vor Anschlägen während der Olympischen Spiele in Peking gewarnt, die TIP bekannte sich vor kurzem zu einem Anschlag in China.
Es ist wahrscheinlich, dass die norwegischen, britischen und US-amerikanischen Ermittler über mehr Informationen verfügen, als sie derzeit offenlegen. Die Aufklärung der internationalen Verbindungen hat für sie Vorrang. Wie gerichtsfest die gesammelten Belege über den mutmaßlichen Plot der drei Verhafteten sind, wird vermutlich ein Prozess klären.
Die Terrorgefahr in Norwegen sei weiterhin gering, erklärte Norwegens Geheimdienstchefin Janne Kristiansen in Oslo, die Bevölkerung sei nicht in Gefahr gewesen. Das könnte eine weiterer Hinweis darauf sein, dass der mutmaßliche Anschlag in einem anderen Land stattfinden sollte. Norwegische Terrorexperten sehen zwar die Präsenz norwegischer Truppen und der Veröffentlichung dänischer Mohammed-Karikaturen in norwegischen Zeitungen als mögliche Begründungen für Terroranschläge. Aber Dänemark beispielsweise steht seit Jahren wesentlich mehr im Fokus dschihadistischer Propaganda. Dafür, dass Deutschland ein Ziel gewesen sein könnte, gibt es keinerlei Hinweise.