Festnahme Kriegsverbrecher Karadzic in Serbien gefasst
Hamburg/Belgrad - Für viele Menschen auf dem Balkan steht er für die furchtbarsten Verbrechen in Europa seit 1945 - nun wurde der frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic nach langer Flucht gefasst. "Karadzic ist gefunden worden und in Haft", teilte der serbische Präsident Boris Tadic am späten Montagabend mit.
Der seit über einem Jahrzehnt flüchtige 63-Jährige sei von Sicherheitskräften festgenommen und dem Untersuchungsrichter in Belgrad vorgeführt worden, hieß es. Die Festnahme am Montagabend sei "eine Aktion der serbischen Sicherheitsdienste" gewesen, erklärte das Büro Tadics. Weitere Einzelheiten der Verhaftung wurden bislang nicht mitgeteilt.
Karadzic war gemeinsam mit dem früheren Militärchef Ratko Mladic der meistgesuchte Kriegsverbrecher des Balkan-Konflikts.
Der ausgebildete Psychiater Karadzic wurde seit zwölf Jahren vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen Völkermords gesucht. Er war während des Bosnien-Kriegs, in dem von 1992 bis 1995 etwa 100.000 Menschen getötet wurden, Führer der bosnischen Serben. Er wurde insbesondere wegen des Massakers von Srebrenica gesucht, bei dem im Juli 1995 rund 8000 Muslime umgebracht worden waren.
Karadzic war 1997 untergetaucht, nachdem er seine Machtposition eingebüßt hatte. Nach Darstellung des Uno-Tribunals in Den Haag ist er wie sein ehemaliger Militärkommandant Mladic von Helfershelfern in der serbischen Armee, Politik und im Geheimdienst gedeckt worden. Die USA hatten 1998 eine Belohnung von fünf Millionen Dollar für seine Ergreifung ausgelobt. Die in diesem Jahr gestürzte Regierung des Nationalkonservativen Vojislav Kostunica soll eine Verhaftung von Karadzic verhindert haben, lauteten die Vorwürfe des Tribunals weiter. Karadzic wird von großen Teilen der serbischen Bevölkerung immer noch als Volksheld angesehen.
In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo dagegen wurde die Nachricht von der Verhaftung Karadzics mit großem Jubel aufgenommen. Mit Autokorsos und Hupkonzerten feierten viele Menschen die Festnahme jenes Mannes, der die Belagerung und den Tod von rund 11.000 Menschen in Sarajevo mitzuverantworten hat.
Uno-Chefankläger Brammertz dankt Serbien
Der Chefankläger des Uno-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Serge Brammertz, dankte den serbischen Behörden für die Verhaftung. In einer Stellungnahme am Montagabend sprach er von einem "Meilenstein" der serbischen Zusammenarbeit mit dem Tribunal. Es sei ein wichtiger Tag für die Opfer des Krieges in Bosnien, die seit einem Jahrzehnt auf diese Verhaftung gewartet hätten.
Zudem zeige die Gefangennahme des früheren bosnischen Serbenführers, dass "niemand außerhalb des Gesetzes steht und früher oder später alle Flüchtigen zur Verantwortung gezogen werden". Der Uno-Chefankläger erklärte, "zu einem angemessenen Zeitpunkt" solle über den Zeitpunkt von Karadzics Überstellung an das Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag entschieden werden.
Die Europäische Union hatte die Kooperation Serbiens mit dem Uno-Tribunal in Den Haag zur Voraussetzung für Beitrittsverhandlungen zur EU gemacht. Die erst seit zwei Wochen amtierende neue serbische Regierung unter Führung proeuropäischer Parteien hatte die Verhaftung von Karadzic versprochen.
EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn lobte die Bemühungen der serbischen Behörden ebenfalls. "Es ist sehr wichtig für die serbischen Europa-Ambitionen", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Die Festnahme zeige die Ernsthaftigkeit der neuen serbischen Regierung.
Nach der Festnahme von Karadzic fahndet das Uno-Tribunal nun noch nach zwei mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechern: Karadzics frühere rechte Hand Mladic und dem früheren Serbenführer in Kroatien, Goran Hadzic.
flo/Reuters/AFP/AP/dpa