Flüchtlinge im Mittelmeer EU verlängert Marinemission "Sophia" vor Libyen

Die EU-Marinemission "Sophia" geht in die Verlängerung. Italien hat seine Blockade in letzter Minute aufgegeben. Der politische Streit um die Migranten auf der Mittelmeerroute geht dennoch weiter.
Deutsche Marinesoldaten fahren zu einem Schlauchboot mit Flüchtlingen auf dem Mittelmeer (Archivbild vom April 2017).

Deutsche Marinesoldaten fahren zu einem Schlauchboot mit Flüchtlingen auf dem Mittelmeer (Archivbild vom April 2017).

Foto: dpa

Der EU-Militäreinsatz vor der Küste Libyens wird verlängert. Wie der SPIEGEL aus EU-Diplomatenkreisen erfuhr, hat nun auch Italien zugestimmt. Damit kann die Marinemission "Sophia", die ansonsten am 31. Juli zu Ende gegangen wäre, zunächst bis Ende 2018 weitergehen. Zugleich wird die Operation ausgeweitet. So sollen die Aktivitäten der libyschen Küstenwache und Marine nach deren Ausbildung durch die EU beobachtet werden. Auch die Überwachung der Gewässer soll ausgeweitet werden; ein Ziel ist das Unterbinden illegaler Ölexporte.

Der Beschluss sollte eigentlich schon am vergangenen Montag bei einem Treffen der EU-Außenminister fallen. Italien hatte dort eine Einigung allerdings blockiert. Der Hintergrund: Von den mehr als 110.000 Menschen, die nach Zahlen des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR seit Jahresanfang über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind, landeten über 93.000 in italienischen Häfen an. Italien fordert deshalb mehr Solidarität der EU-Partner - und wollte, so hieß es in EU-Kreisen, durch die Blockade der "Sophia"-Verlängerung Zugeständnisse erzwingen.

Neue Mittel für die eigentliche Operation erhält Italien nun zwar nicht. Dennoch wird es anderer Stelle mehr Geld geben, etwa für den seit Ende 2015 von der EU ins Leben gerufenen "Emergency Trust Fund for Africa". In diesen Topf - an dem auch Italien beteiligt ist - will Deutschland in diesem Jahr zusätzlich drei Millionen einzahlen. Im kommenden Jahr gibt Berlin weitere zwölf Millionen für ein bislang noch nicht gänzlich umrissenes Projekt zum Schutz der libyschen Küste. Dies erfuhr der SPIEGEL aus Regierungskreisen in Berlin.

Angedacht ist auch die Einrichtung eines Lagezentrums in Libyen. Derzeit gibt es dort wegen des Bürgerkriegs keinen effektiven Grenzschutz, die Ausbildung libyscher Grenzschützer begann allerdings schon in diesem Frühjahr.

"Sophia" ist allerdings auch umstritten, und nicht nur in Italien. Denn während das eigentliche Ziel die Bekämpfung von Schleppern vor der libyschen Küste ist, nehmen die Militärschiffe auch zahlreiche Migranten auf. Nach Ansicht von Kritikern lockt das zusätzliche Migranten an, was wiederum das Geschäft der Schlepper befördere.

Der belgische Außenminister Didier Reynders forderte deshalb, dass die "Sophia"-Schiffe künftig auch in libyschen Gewässern gegen die Schlepper vorgehen. Dafür aber wäre eine Genehmigung der libyschen Regierung notwendig - doch eine solche gibt es in dem Bürgerkriegsland bisher nur in Ansätzen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte es gar zum "obersten Ziel", keine EU-Präsenz in libyschen Hoheitsgewässern zu haben.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz wiederum verlangt, dass die "Sophia"-Schiffe gerettete Migranten nicht mehr auf das italienische Festland bringen. Die Regierung in Wien hat bereits mehrfach mit Grenzkontrollen am Brenner gedroht. Andere, darunter Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, warnen davor, Migranten nach Libyen zurückzubringen, solange sich die Zustände in den dortigen Lagern nicht verbesserten.

Schulz hält Lage in Italien für "hochbrisant"

In Deutschland rückte die Lage der Flüchtlinge durch die jüngsten Äußerungen von Martin Schulz wieder in den Fokus. Der SPD-Kanzlerkandidat nannte die Lage in Italien "hochbrisant" und warnte vor einer Wiederholung der Flüchtlingskrise vom Sommer 2015. CDU und CSU halten Schulz dagegen vor, das Thema wegen der schlechten Umfragewerte der SPD aufzugreifen.

Im CDU-geführten Bundesinnenministerium ist man zudem darum bemüht, die Zahl von mehr als 90.000 Migranten, die im ersten Halbjahr in Italien ankamen, zu relativieren. In etwa die gleiche Zahl hätte im ersten Halbjahr 2017 auch Deutschland erreicht, heißt es. Im Sommer 2015 sei diese Zahl in Deutschland "zeitweise in einer Woche oder mehr erreicht" worden, heißt es.

Noch diese Woche wird Schulz sich in Italien über die Lage informieren. Am Donnerstag reist der SPD-Kanzlerkandidat nach Rom und spricht dort mit dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni. Anschließend will er weiter nach Catania auf Sizilien - und ein Camp für Flüchtlinge besuchen.


Zusammengefasst: Die EU verlängert die Marinemission "Sophia" vor der Küste Libyens, nachdem Italien seine Blockade aufgegeben hat. Im Gegenzug bekommt Italien Geld für Grenzschutz- und Flüchtlingsprojekte. Das Grundproblem ist damit allerdings keineswegs gelöst: Nach wie vor kommen jeden Monate Tausende von Libyen über das Mittelmeer nach Europa - und die überwältigende Mehrheit landet in Italien.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren