Flüchtlingspolitik Osteuropäer lassen Merkel hängen

Kanzlerin Angela Merkel und der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki
Foto: MARKUS SCHREIBER/ AFPDa waren es nur noch elf: Von den ursprünglich 14 Staaten, mit denen Bundeskanzlerin Angela Merkel Abkommen zur Rückführung von Flüchtlingen und Migranten führen will, haben sich drei mittlerweile von den deutschen Plänen distanziert - mehr oder weniger deutlich.
Es gebe "keine neue Vereinbarung zur Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen EU-Ländern", sagte der polnische Außenamtssprecher Artur Lompart am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. "Polen verfolgt eine sehr restriktive Asylpolitik und wird daran nichts ändern." Sein Land verfahre hier "genauso wie Tschechien und Ungarn".
Tschechien und Ungarn hatten bereits am Samstag klargemacht, dass sie keine Zusage für Abkommen mit Deutschland gegeben hätten. "Deutschland ist nicht an uns herangetreten, und in diesem Augenblick würde ich ein solches Abkommen auch nicht unterzeichnen", hatte der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis erklärt. "Wir planen keine Verhandlungen", sagte Babis laut einer Regierungsmitteilung. "Es gibt keinen Grund zu verhandeln. Wir lehnen dies entschieden ab."
Die Bundesregierung bleibt dagegen bei ihrer Darstellung, wonach die Tschechen sich offen für ein Abkommen gezeigt hätten. "Von tschechischer Seite war die Bereitschaft ausgedrückt worden, ein Verwaltungsabkommen über verbesserte Zusammenarbeit bei Rücküberstellungen gemäß Artikel 36 der Dublin-Verordnung zu verhandeln", sagte ein deutscher Regierungssprecher am Sonntag. "Wir nehmen die Äußerungen aus Prag bedauernd zur Kenntnis."
Munition für Seehofer
Ob ein Abkommen mit Tschechien und anderen osteuropäischen Staaten damit auch für die Zukunft völlig ausgeschlossen ist, bleibt offen. Womöglich sind die heftigen Worte aus Prag sogar schon ein Teil der Verhandlungen. Auch bei der Aussage aus Polen bleibt zunächst offen, ob die dortige Regierung künftige Verhandlungen über ein Abkommen kategorisch ablehnt oder sich nur eine bessere Verhandlungsposition schaffen will.
Dennoch dürften die Zurückweisungen der Osteuropäer CDU-Chefin Merkel im internen Streit mit der Schwesterpartei CSU besonders ungelegen kommen. Schließlich will die Kanzlerin in diesen Tagen sowohl in der CDU als auch in der CSU mit ihren Erfolgen vom EU-Gipfel aus der vergangenen Woche werben. Und zu diesen Erfolgen gehören nach Lesart der Bundeskanzlerin nun mal auch die angeblichen "Zusagen auf politischer Ebene" von 14 EU-Staaten, Rückführungsabkommen zu schließen. Diese Abkommen sollen es ermöglichen, Migranten und Flüchtlingen schnell in den jeweiligen EU-Staat zurückzuführen, in dem sie zum ersten Mal registriert wurden.
Sollte es Merkel gelingen, solche Abkommen zu schließen, würde sie den Forderungen von CSU-Chef Horst Seehofer weit entgegenkommen. Seehofer und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder monieren seit Wochen, dass Flüchtlinge, die in anderen EU-Ländern bereits registriert wurden, an der deutschen Grenze nicht sofort abgewiesen würden. Auch wenn die Fallzahlen laut Experten derzeit nicht hoch, hat sich die CSU das Thema als wichtigstes für den bayerischen Landtagswahlkampf ausgesucht - und riskiert dafür sogar ein Auseinanderbrechen der Bundesregierung. Auch die jahrzehntelange Fraktionsgemeinschaft mit der CDU steht auf der Kippe.
Eine Vorentscheidung zu all diesen Fragen könnte bereits an diesem Sonntag fallen. Bereits am Samstagabend hatten sich Merkel und Seehofer zu einem Krisengespräch im Kanzleramt getroffen. Am Sonntagnachmittag wollen CDU und CSU getrennt über das weitere Vorgehen beraten. Die Nachrichten aus Warschau, Prag und Budapest dürften dabei eher Munition für Seehofer als für Merkel sein.