Drama auf der Balkanroute
Obdachlose Geflüchtete müssen in abgebranntes Lager zurück
Seit Tagen kämpfen in Bosnien Hunderte Flüchtlinge aus dem abgebrannten Aufnahmelager Lipa um ihr Leben. In letzter Sekunde präsentierten die Behörden eine Lösung – doch jetzt müssen die Obdachlosen zurück in die Kälte.
920 Migrantinnen und Migranten an der bosnisch-kroatischen Grenze müssen die Nacht in einem abgebrannten und ungeheizten Flüchtlingslager verbringen. Das sagte der Missionschef der Internationalen Organisation für Migration (IOM) Peter Van der Auweraert dem SPIEGEL.
»Um 16 Uhr hat die Polizei die Migranten aufgefordert, die Busse zu verlassen und sie zurück ins abgebrannte Camp Lipa eskortiert«, so Van der Auweraert. Dort stünden noch einige wenige Bürocontainer und ein Zelt, aber der Rest des Camps sei zerstört. »Eigentlich gibt es dort nichts mehr«, so Van der Auweraert. Die Geflüchteten müssen nun erneut bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ums Überleben kämpfen.
Das abgebrannte Lager Lipa
Foto: DADO RUVIC / REUTERS
Insgesamt 2000 Geflüchtete harren seit Tagen ohne Obdach an der Grenze zu Kroatien aus, weil die Behörden keinen Platz in existierenden Flüchtlingscamps für sie finden. Ein Feuer hatte das als Übergangscamp gedachte Lager Lipa kurz vor Weihnachten zerstört. Stunden zuvor hatte sich IOM nach einem Streit mit den Behörden dazu entschlossen, das Lager räumen zu lassen, weil es ohnehin nicht winterfest war. Die Organisation konnte die Sicherheit der Geflüchteten nicht mehr garantieren.
Einige Geflüchtete wanderten Richtung Bihać, um sich dort in Grenznähe in verlassenen Häusern durchzuschlagen. 920 blieben im abgebrannten Camp Lipa, das auf knapp 800 Metern Höhe liegt.
Am Dienstag, nach tagelangem Schneefall, präsentierte die Regierung Bosnien-Herzegowinas dann einen Lösungsvorschlag. Die Geflüchteten sollten in Bussen in eine ehemalige Kaserne in Bradina in der Nähe von Sarajevo gefahren werden – knapp 250 Kilometer von Lipa entfernt.
Doch die Busse fuhren nie los, die Geflüchteten mussten die Nacht in den Bussen verbringen. Der Grund: Regionale Behörden und aufgebrachte Anwohner protestierten in Bradina gegen den Transfer. Bis jetzt habe es bei sämtlichen Verhandlungen keine Lösung gegeben, so Van der Auweraert.
In Bosnien stehen große Teile der Bevölkerung den Flüchtlingen inzwischen feindselig gegenüber, seitdem das Balkanland zum Durchzugsgebiet auf der sogenannten Balkanroute wurde. Weiterziehen können die Männer und Frauen aber auch kaum. Kroatien riegelt die grüne Grenze mit EU-Hilfe brutal ab. Wer es doch ins Land schafft, bekommt in der Regel keine Chance auf einen Asylantrag – sondern wird mit Gewalt zurückgeprügelt.
Foto: Kemal Softic / AP
Viele der Migrantinnen und Migranten in Lipa haben bereits zahlreiche Versuche hinter sich, die Grenze zu überqueren. Der IOM-Missionschef spricht von einer »verzweifelten« Situation. Der Zustand der Geflüchteten werde schnell immer schlechter. Über Nacht fürchtet er weitere Erfrierungen und Atemwegserkrankungen.