

Die geplante Verteilung von 160.000 Flüchtlingen innerhalb der EU könnte scheitern. Davor warnt der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn nach einem Besuch in Griechenland im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
"Wenn die Flüchtlinge in Griechenland nicht Asyl beantragen, kann das Verteilungssystem nicht funktionieren", sagt der Minister. "Europa bietet jedem Verfolgten das Recht, um Schutz nachzusuchen. Aber die Flüchtlinge müssen sich hier auch an unsere Gesetze halten."
Luxemburg hat derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne. Der Beschluss der EU-Innenminister von Ende September, 160.000 Flüchtlinge von Griechenland und Italien auf andere EU-Staaten zu verteilen, geht nicht zuletzt auf Asselborns Initiative zurück.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt große Hoffnungen in den Verteilmechanismus. Mit dem Vorhaben soll nicht nur Griechenland und Italien geholfen werden, die mit Registrierung und Unterbringung der Flüchtlinge überfordert sind. Auch Deutschland soll dadurch entlastet werden. Flüchtlinge, die aus Griechenland beispielsweise nach Estland oder Frankreich verteilt werden, machen sich nicht auf der Balkanroute auf den Weg nach Deutschland, so Merkels Kalkül.
Bislang 19 Flüchtlinge von Italien nach Schweden verteilt
Das Problem ist nur, dass der Verteilungsmechanismus bislang in der Praxis nicht funktioniert. Zwar konnten sich EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulus und Außenminister Asselborn bei ihrem Besuch auf der griechischen Insel Lesbos davon überzeugen, dass die Griechen inzwischen ordentlich registrieren und auch die Fingerabdrücke der Flüchtlinge aufnehmen. Keine einfache Arbeit, da auf Lesbos derzeit noch immer rund 4000 syrische Flüchtlinge aus der Türkei ankommen - täglich.
Doch der zweite Schritt des Verfahrens funktioniert nicht: Derzeit stellt kaum ein Flüchtling in Griechenland einen Antrag auf Asyl. Ein solcher Antrag ist aber Voraussetzung, dass die Verteilung starten kann.
"Die Flüchtlinge glauben den Schleusern mehr als den Beamten vor Ort", sagt Asselborn. Statt in Griechenland um Asyl zu bitten und auf die organisierte Weiterreise in andere EU-Länder zu warten, zögen sie weiterhin selbst weiter, erst mit der Fähre von Lesbos aufs Festland - und dann über den Balkan nach Deutschland.
Vielleicht mit gutem Grund: Bislang ist in der Praxis erst eine Verteilaktion durchgeführt worden. Am Freitag vorvergangener Woche startete ein Flugzeug von Rom nach Stockholm. Am Flugsteig drängte sich zwar viel politische Prominenz, an Bord waren jedoch gerade mal 19 Flüchtlinge aus Eritrea. Ein zweiter Flug, der Flüchtlinge von Griechenland nach Luxemburg bringen soll, ist noch nicht gestartet.
Nach monatelangen Diskussionen und vor dem Hintergrund Tausender Neuankömmlinge täglich steht die Zahl der Verteilung also bei 160.000 minus 19.
Ein guter Grund für die Warnung aus Luxemburg.
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Enger Unterschlupf: Flüchtlinge warten im kroatischen Grenzort Trnovec und schützen sich in einem Container vor dem Regen.
Kroatisch-slowenischer Grenzübergang: Hunderte Flüchtlinge haben hier die Nacht auf Montag verbracht und im Regen ausgeharrt.
Die Situation an der Grenze hat sich verschärft, nachdem die slowenische Polizei rund 2000 Menschen gestoppt hat, die von Kroatien aus einreisen wollten.
Die Aufnahmekapazitäten seien erschöpft, heißt es. Slowenien will nur noch bis zu 2500 Flüchtlinge pro Tag aufnehmen, registrieren und dann nach Österreich weiterleiten.
Wenige Ausnahmen: Etwa 150 Menschen ließ Slowenien inzwischen ins Land - sie wurden als besonders verletzlich eingestuft.
Die übrigen wartenden Flüchtlinge versuchen, sich mit Plastik-Umhängen vor dem Regen zu schützen und entfachen Feuer, um sich zu wärmen.
Man bemühe sich um ein "koordiniertes Vorgehen", hieß es dazu von der Polizei.
Eine Mutter füttert ihr Baby, das mit einer Folie vor der Nässe geschützt wird. Die slowenische Regierung klagte angesichts der Zustände: "Das Verhalten Kroatiens ist unannehmbar".
Tatsächlich könnte sich die Lage weiter verschärfen: Die geplante Verteilung von 160.000 Flüchtlingen innerhalb der EU drohe zu scheitern, warnte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn.
Decken dienen als Zeltersatz: Im Oktober reisten täglich durchschnittlich 5100 Flüchtlinge aus Kroatien nach Slowenien ein.
Viele der Hilfesuchenden werden im Gezänk um Aufnahmezahlen sich selbst überlassen -wie hier an der kroatisch-slowenischen Grenze .