Flughäfen Kontrollen zu lasch?

Experten rätseln noch, warum die an Bord der vier entführten Flugzeuge geschmuggelten Waffen nicht entdeckt wurden und wie sich Entführungen künftig verhindern lassen. Doch mit einem hundertprozentigen Schutz vor Selbstmordkommandos rechnet niemand.

Jeder Flugpassagier kennt das Prozedere: Das Handgepäck wird durchleuchtet, man läuft durch eine Schleuse mit Metalldetektoren. Und wenn es piept, nähert sich ein Sicherheitsmitarbeiter des Flughafens und fahndet nach verborgenen Waffen. Das sieht gründlich aus - und doch gelingt es Flugzeugentführern und Terroristen immer wieder, Stichwaffen, Pistolen oder gar Sprengstoff an Bord zu schmuggeln.

Meldungen über Schüsse an Bord eines der vier entführten US-Flugzeuge wurden bisher nicht bestätigt. Klare Aussagen gibt es nur über den Verlauf der Entführung eines anderen Flugzeugs: Die Passagierin Barbara Olson, Kommentatorin des Nachrichtensenders CNN, schilderte am Dienstag in zwei kurzen Gesprächen per Handy die dramatische Lage kurz vor dem Crash. Sie sprach von mehr als einem Entführer und sah als einzige Waffen lediglich Messer und Tapeziermesser.

Doch auch solche Waffen dürfen nicht ins Handgepäck und sollten im Normalfall entdeckt werden. Wie die Entführer sie ins Flugzeug brachten, ist noch unklar - entweder gab es bei den Kontrollen keinen Alarm, oder Verbindungsleute auf den Flughäfen sorgten dafür, dass die Attentäter gar nicht erst durch den Sicherheits-Check mussten.

Große Lücken, ungeduldige Passagiere

Fast gleichzeitig konnten die Terroristen auf drei verschiedenen US-Flughäfen unbehelligt an Bord von vier Flugzeugen gelangen - kein gutes Zeugnis für das Sicherheitssystem, das vor allem bei US-Inlandsflügen offenbar alles andere als streng ist. "Sehr lax" nannte Peter St. John, Experte für Flughafensicherheit an der Universität von Winnipeg, am Dienstag die Kontrollen.

"Bei Tests haben die Kontrolleure an den Bildschirmen regelmäßig Sprengsätze und Waffen in den untersuchten Gepäckstücken übersehen", sagte auch Chris Yates von der Fachzeitschrift "Jane's Aviation Security" in London. Das liege vor allem daran, dass die Mitarbeiter häufig wechselten und deshalb nicht genug Erfahrung hätten. Zur enormen Fluktuation trage auch bei, dass sogar "in Schnellimbissrestaurants wie McDonald's die Bezahlung teilweise noch besser" sei.

Israel: Notfalls muss der Flieger warten

Überaus gründlich dagegen gehen die Israelis vor. In Israel selbst gibt es keinen Flug ohne schärfste Sicherheitsvorkehrungen, ganz gleich wohin. Auch wer zum Beispiel von Frankfurt nach Tel Aviv will, muss mindestens drei Stunden vorher an einem besonderen Gate erscheinen. Und lernt eine Verhörsituation kennen: Zwei Interviewer fragen den Reisenden nacheinander aus - durchaus höflich, aber auch sehr gezielt ("Wie ist Ihre Reiseroute? Haben Sie den Koffer selbst gepackt? Wen kennen Sie in Israel?"). Oft zerlegen sie das gesamte Gepäck oder rufen sogar Gastgeber in Israel an. Erst dann geht es zum Einchecken. Überall, auch später im Flugzeug, tummeln sich bewaffnete Sicherheitskräfte in Uniform oder in Zivil.

Die aufwendige Prozedur der Israelis steht in krassem Gegensatz zu den international bislang üblichen, lückenhaften Kontrollen. Bei den Sicherheitssystemen gibt es widersprüchliche Anforderungen: Die Passagieren wollen gut geschützt werden - aber lange warten wollen sie nicht und werden schnell ungeduldig. Die Kontrollen sollen sorgfältig sein - aber die Maschinen auch zügig abgefertigt werden und die Sicherheitsgebühren möglichst niedrig liegen.

Peinliche Pannen auch in Deutschland

In Deutschland sind teils Bundesgrenzschutz-Beamte, teils private Sicherheitsdienste zuständig. In den letzten Jahren kam es mehrfach zu peinlichen Pannen: 1998 zum Beispiel tricksten Reporter des Senders ProSieben, die eine Übungshandgranate in einer Coladose versteckt hatten, Security-Mitarbeiter an drei Flughäfen aus. Und ein Jahr später zeigten sich die Kontrolleure überfordert, als ADAC-Mitarbeiter zum Test ausschwärmten - an gleich 13 von 20 Flughäfen konnten die Mitarbeiter unentdeckt ein Messer am Körper durch die Kontrollen schleusen.

Ähnliche Erfahrungen sammelte auch Klaus Formel, Mitarbeiter der Deutschen Flugsicherung in Bremen und seit 30 Jahren Fluglotse. Bei seinen Reisen hat er stets einen keltischen Talisman aus Metall dabei, der nur hin und wieder entdeckt wird - "durchaus beunruhigend", sagt Formel.

"Das gehört zum terroristischen Allgemeinwissen"

Auf Hijacking seien die Fluglotsen allerdings recht gut vorbereitet. Immer würden Entführungen, Abstürze und andere Bedrohungsszenarien simuliert, sagte Formel gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Bei einer Entführung kann der Pilot der Flugsicherung in Sekundenbruchteilen ein elektronisches Signal geben." Die Deutsche Flugsicherung in Bremen sei für den gesamten norddeutschen Raum zuständig und dort über jede zivile wie militärische Flugbewegung exakt informiert.

Um Terroranschläge zu verhindern, setzt Stefan Levedag vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt auf hoch entwickelte Technik. Neue Systeme könnten künftig mit der Flugsteuerung gekoppelt werden und vor Bergen oder Hochhäusern automatisch Ausweichbewegungen einleiten. Eine relativ schnelle Lösung wäre es auch, den Zugang von der Kabine zum Cockpit zu unterbinden, so Levedag. "Eingang und Toiletten müssten dann für die Piloten extra geschaffen werden, aber das ist lösbar."

Für Kamikaze braucht man keinen Pilotenschein

Gegen Selbstmordkommandos allerdings sind Piloten nach Auffassung der Pilotenvereinigung Cockpit letztlich machtlos. Der Vorsitzende Georg Fongern sagte, die Terroristen in den USA hätten die Geräte ausgeschaltet, die das Flugzeug für den Radar erkennbar machen. Wie das geht, gehöre "vermutlich zum terroristischen Allgemeinwissen". Zur Navigation seien keine besonderen Kenntnisse erforderlich: "Sie müssen nur nach oben und unten, nach rechts und links steuern können und dann auf das Ziel zuhalten." Dazu brauche man nicht einmal einen Flugschein.

Das deckt sich mit der Einschätzung von Klaus Formel. "Bei guter Sicht wie in New York reichen Kenntnisse des Flight-Management-Systems und des Cockpits, da muss man kein ausgebildeter Pilot sein", sagte der erfahrene Fluglotse. Wie sich die Terrorattacken genau zugetragen hätten, werde man erst nach Auswertung des Flight Recorders wissen, der die letzten 30 Minuten der Cockpit-Gespräche aufzeichne.

Jochen Leffers

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