
Chinas Rüstung: Flugzeugträger und Tarnkappenbomber
Flugzeugträger-Test Pekings Rüstungspläne alarmieren Washington
Hamburg - Der Pazifik gilt seit dem Zweiten Weltkrieg als wichtige Einflusssphäre der USA. Hier kreuzen die Vereinigten Staaten mit ihrer schweren Flotte. Um ihre Ansprüche in der Region deutlich zu machen, ist die US-Marine regelmäßig bei seinen Verbündeten zu Gast. So ankert derzeit der Flugzeugträger "USS George Washington" in Thailand. Lange Zeit galt es als undenkbar, dass ein anderes Land Ansprüche geltend machen könnte.
Seit China seinen ersten Flugzeugträger am Mittwoch auf eine erste Testfahrt schickte, ist Washington sichtlich beunruhigt. Der Schritt der chinesischen Marine wurde in den USA aufmerksam verfolgt. "Chinas Militär lässt seine Muskeln spielen", schrieb "USA Today". "Troubled Waters", textete das US-Magazin "Time" über einen Online-Bericht: "Aufgewühlte See: Warum Chinas Marine Asien nervös macht".
Die Nervosität reicht aber offenbar bis ins Weiße Haus. "Wir würden jede Art von Erklärung begrüßen, die China uns zu der Frage gibt, warum es so eine Ausrüstung benötigt", sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums am Mittwoch. Die US-Regierung sei besorgt, dass China bei seinen Militärprogrammen nicht eine vergleichbare Transparenz walten lasse wie dies die USA gewähren würden. Transparenz würde zwischen Ländern Vertrauen schaffen.
Transparenz? Peking legt darauf offenbar keinen allzu großen Wert. Zwar waren Chinas Modernisierungs- und Aufrüstungsarbeiten an dem Flugzeugträger, den das Land 1998 von der Ukraine gekauft hatte, bekannt - das lag aber vor allem daran, dass sich das mehr als 300 Meter lange Schiff schlicht und einfach nicht vor US-Satelliten verbergen lässt. Offiziell jedoch hielt sich die chinesische Regierung lange Zeit mit Angaben zu dem Flugzeugträger zurück, der zu Zeiten der Sowjetmarine den Namen "Warjag" trug. So wird etwa das Flugzeugträgerprogramm mit keinem Wort im Weißbuch erwähnt, das Peking im März vorlegte. Erst vor wenigen Wochen gab Generalstabschef Chen Bingde bekannt, dass die "Warjag" künftig als Trainingsschiff eingesetzt werden solle.
Testflug eines Tarnkappen-Kampfjets zum Peking-Besuch von Gates
Die Modernisierungsarbeiten an dem früheren Schiff der Sowjetmarine sind offenbar nicht alles: Berichten zufolge treibt Peking seinen Ausbau der Seestreitkräfte längst weiter voran und konstruiert in einer Werft in Shanghai zwei eigene Flugzeugträger - die dazugehörigen Kampfjets werden demnach bereits getestet.
Es ist nicht das erste Mal, dass China die Regierung in Washington mit seinen Rüstungsplänen irritiert. Ausgerechnet während des Peking-Besuchs des damaligen US-Verteidigungsministers Robert Gates im Januar lancierten chinesische Medien die Nachricht vom ersten Testflug eines Tarnkappen-Kampfjets. Der Bomber vom Typ J-20 donnerte nur wenige Stunden bevor Gates mit Staatschef Hu Jintao zusammentraf in den Himmel. Dabei war Washington davon ausgegangen, dass China deutlich länger mit der Entwicklung brauchen würde. Damals warnte zudem Admiral Robert Willard, Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Pazifik, dass Peking eine ballistische Rakete entwickelt habe, die mit einem Schlag einen Flugzeugträger versenken könne.
Überraschte US-Militärexperten
Die Vehemenz, mit der China seine Streitmacht modernisiert, überraschte damals selbst Experten. So räumte US-Marinegeheimdienstchef Jack Dorsett ein, dass das Pentagon Pekings Tempo im Verteidigungssektor unterschätzt habe. "Wir liegen in vielen Dingen richtig, aber einiges haben wir dennoch falsch beurteilt", sagte Dorsett.
Die militärischen Ambitionen Pekings beunruhigen zudem die Nachbarn Chinas. Bereits seit mehreren Monaten streitet China mit den Philippinen und Vietnam um den Grenzverlauf im Südchinesischen Meer. Zuletzt kam es immer wieder zu Attacken Chinas auf philippinische und vietnamesische Forschungsschiffe. Der chinesische Flugzeugträger - so die Sorge der philippinischen und vietnamesischen Regierung - könnte den Konflikt weiter verschärfen.
Bei dem Streit geht es unter anderem um die Spratly-Inseln. Es sind winzige Eilande, auf die neben China, Vietnam und den Philippinen auch Taiwan, Brunei und Malaysia Anspruch erheben. Der Grund ist denkbar einfach: In den seichten Gewässern vor den Inseln werden Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet. Der philippinische Präsident Benigno Aquino drohte zuletzt damit, den Konflikt mit China vor den Internationalen Seegerichtshof in Hamburg zu bringen.
Mit Vietnam streitet China zudem über die Paracel-Inseln. Angaben aus Hanoi zufolge hat die chinesische Marine in der Vergangenheit die Boote vietnamesischer Fischer festgesetzt, zudem soll ein vietnamesisches Forschungsschiff von einem Boot aus China gerammt worden sein. Die USA solidarisierten sich damals mit den Ländern. "Wir haben ein nationales Interesse an der Freiheit der Schifffahrt, ungehindertem wirtschaftlichen Fortschritt und Handel und der Einhaltung internationaler Gesetze", sagte der damalige US-Verteidigungsminister Gates im Juni. Die Botschaft galt China.
Pekings militärischer Aufschwung scheint unaufhaltsam. Einer Studie des Washingtoner World Security Institute zufolge ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis China über Satelliten verfügt, mit denen ballistische Raketen in ihr Ziel gelenkt werden können. Der Verteidigungsetat des Landes wird auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt, bei den USA waren es 700 Milliarden Dollar. Internationalen Militärexperten zufolge verfügte China 2010 unter anderem über 1320 Kampfflugzeuge, 65 U-Boote, 27 Zerstörer und 240 Nuklearsprengköpfe. Der Flugzeuträger "Warjag" ist nur ein kleiner Bestandteil des chinesischen Rüstungsprogramms - aber einer, der die Nachbarn im Pazifik und die USA weiter beunruhigt. Die "Asia Times" berichtete, das Schiff solle künftig den Namen "Shi Lan" tragen. Damit würde der Flugzeugträger nach einem chinesischen Admiral benannt, der 1681 Taiwan eroberte - und nach chinesischer Lesart ist Taiwan eine abtrünnige Provinz.