Irak-Krieg Britische Soldaten wegen Foltervorwürfen angezeigt

Neue Foltervorwürfe gegen britische Soldaten im Irak-Krieg: Laut "SZ" und NDR geben mehr als 100 Iraker an, von Briten misshandelt und erniedrigt worden zu sein. Jetzt haben eine Menschenrechtsgruppe und Anwälte Strafanzeige beim Internationalen Gerichtshof gestellt.

London - Britische Soldaten sollen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Nach Überzeugung einer Menschenrechtsorganisation sollen sie während des Irak-Krieges Häftlinge gefoltert haben, melden die "Süddeutsche Zeitung" ("SZ") und der Norddeutsche Rundfunk (NDR). Die Organisation habe deshalb am Freitag mit einer Gruppe von Anwälten Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eingereicht.

109 ehemalige irakische Häftlinge haben angegeben, zwischen 2003 und 2008 von Briten misshandelt und erniedrigt worden zu sein. Das erklären laut "SZ" und NDR  die Berliner Nichtregierungsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und die Public Interest Lawyers (PIL), eine gemeinnützige Anwaltskanzlei aus Birmingham.

Das Dokument, das ECCHR und PIL nach Den Haag geschickt haben, umfasst 250 Seiten, heißt es. Es trägt den Titel "Die Verantwortung von Vertretern des Vereinigten Königreichs für Kriegsverbrechen - darunter systematische Misshandlungen von Gefangenen im Irak in den Jahren 2003 bis 2008". Die Organisation und die Kanzlei haben in dem Papier die Schilderungen von Misshandlungen und Demütigungen der mutmaßlichen Folteropfer gesammelt. Entscheidend sei laut "SZ" der Begriff "systematisch": Wenn alle der 109 ehemaligen irakischen Gefangenen zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Gefangenenlagern auf ähnliche Weise gequält wurden, dann liege der Verdacht nahe, dass die Misshandlungen angeordnet worden seien.

Die Anzeige richtet sich auch gegen hochrangige Generäle, ehemalige Verteidigungsminister und Staatssekretäre. Das britische Verteidigungsministerium bestätigte am Freitagabend auf eine gemeinsame Anfrage von "SZ" und NDR, dass es im Irak zu Misshandlungen durch britische Soldaten gekommen sei - in "wenigen Fällen". Den Vorwurf, britische Soldaten hätten "systematisch" gefoltert, wies ein Sprecher hingegen zurück.

Bereits der Abzug der britischen Truppen aus dem Irak hatte eine Welle von Klagen irakischer Ex-Gefangener ausgelöst, berichtete der britische "Independent" im Jahr 2009. Schon damals gaben frühere Häftlinge an, von britischen Soldaten gefoltert, erniedrigt und sexuell misshandelt worden zu sein. Britische Armeeangehörige sollen einem irakischen Gefangenen zudem damit gedroht haben,er solle in Guantanamo hingerichtet werden.

Im April 2004 war die Erniedrigung und Misshandlung von Gefangenen durch US-Soldaten in Abu Ghuraib durch die Veröffentlichung von Fotos bekannt geworden. Der Folterskandal ruinierte den Ruf der USA. Dessen Aufarbeitung war 2007 mit einem milden, letzten Urteil offiziell beendet worden. Der Haupttäter von Abu Ghuraib, der ehemalige US-Soldat Charles Graner, wurde 2011 wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen.

bos/dpa
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