

Rom - Es war eine Abrechnung mit den Anti-Terror-Praktiken der Ära George W. Bush. Im November 2009 verhängte ein Gericht in Mailand 23 Haftstrafen gegen US-Bürger, die für den Geheimdienst CIA arbeiteten. Seitdem liefen Berufungsverfahren - bis jetzt. Das höchste italienische Gericht bestätigte am Mittwoch die Sprüche gegen 22 CIA-Agenten und ein Mitglied der US-Luftwaffe.
Keiner der Angeklagten war bei den Urteilen anwesend - trotzdem haben diese massive Auswirkungen: Reisen die Verurteilten in Zukunft nach Europa, müssen sie mit einer Festnahme rechnen. Die längste Haftstrafe wurde gegen den ehemaligen Chef des Mailänder CIA-Büros, Robert Seldon Lady, verhängt. Er muss neun Jahre ins Gefängnis. Die übrigen Angeklagten wurden mit sieben Jahren Haft bestraft.
"Es ist ganz schlecht gelaufen", sagte Pflichtverteidigerin Alessia Sorgato. Sie deutete an, dass nun möglicherweise ein Auslieferungsverfahren folgen könnte. Die USA weigern sich jedoch bis heute, die CIA-Agenten auszuliefern - und dürften diese Haltung auch nach dem Spruch der Richter in Rom kaum ändern.
Der Hintergrund: Im Prozess ging es um die Entführung des Islamisten Abu Omar am 17. Februar 2003, der damals in Mailand lebte. Der gebürtige Ägypter wurde auf offener Straße überwältigt, in einen weißen Lieferwagen gestoßen, zum Militärflughafen Aviano gebracht und über den deutschen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein nach Ägypten ausgeflogen.
Dort kam er ohne Anklage und ohne Anwalt in Haft, wurde nach eigener Aussage von einheimischen Ermittlern gefoltert und erst am 11. Februar 2007 freigelassen.
Der radikale Prediger hatte in der Mailänder Islamisten-Szene gegen die USA gehetzt und selbst in Afghanistan gekämpft. Er soll zudem junge Dschihad-Rekruten angeheuert und an den Hindukusch geschickt haben.
Das Verfahren hatte großes Aufsehen erregt, weil es der erste Prozess zu geheimen Verschleppungen von Terrorverdächtigen in Folterstaaten durch die CIA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war.
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Die Urteile bleiben bestehen: Das höchste Gericht Italiens hat die Sprüche gegen mehr als 20 CIA-Agenten bestätigt. Sie ließen den muslimischen Geistlichen Abu Omar entführen und foltern. Auf dem Bild aus dem Jahr 2007 zeigt Abu Omar eine Narbe auf seinem Arm. Die Amerikaner sollen den gebürtigen Ägypter 2003 auf offener Straße in Mailand überwältigt und in einen Lieferwagen gestoßen haben.
Anschließend wurde er über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland nach Ägypten ausgeflogen und dort monatelang in einem CIA-Geheimgefängnis festgehalten - ohne Anklage, ohne Anwalt.
Abu Omar auf einem Bild mit seiner verschleierten Frau Nabila. Der Geistliche gab später an, während der Gefangenschaft gefoltert worden zu sein.
Ein undatiertes Archivfoto von Abu Omar. Ein Pazifist war der Imam nicht: Jahrelang hatte er in der Mailänder Islamisten-Szene gegen die USA gehetzt, selbst in Afghanistan gekämpft.
Selten zuvor ist eine verdeckte CIA-Operation so minutiös rekonstruiert worden wie bei dem Mailänder Prozess: Allein für den ersten Teil seines Plädoyers Anfang Oktober 2009 benötigte der Staatsanwalt Armando Spataro sieben Stunden. Fünf Jahre lang hat er in dem Fall ermittelt.
Das Urteil war das erste im Zusammenhang mit dem geheimen CIA-Programm zur außerordentlichen Überstellung von Terroverdächtigen ("secret renditions").
Nach zwei Jahren des Prozesses fällte Richter Oscar Magi das Urteil: Mit dem verhängten Strafmaß blieb er weit hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. 22 Angeklagte wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt - die Staatsanwaltschaft hatte bis zu 13 Jahre gefordert. Drei Amerikaner und sieben italienische Agenten wurden freigesprochen. Danach liefen jahrelange Berufungsverfahren - bis jetzt.
Staatsanwalt Spataro hat in den vergangenen Jahren zu spüren bekommen, welche Folgen so viel Ausdauer haben kann: Er wurde abgehört, der italienische Geheimdienst ließ ihn beobachten, es gab sogar Ermittlungen wegen Geheimnisverrats gegen ihn.
Bei dem Prozess sagte auch Abu Omars Ehefrau, Nabila Ghali, vor Gericht aus. Auf dem Bild verlässt sie im Mai 2008 das Gerichtsgebäude in Mailand.
"Gerechtigkeit für Abu Omar" steht auf einem Poster vor dem Mailänder Gericht.