Forderung an Nato-Partner USA bestehen auf mehr Ausbildern für Afghanistan
Istanbul - Die USA fordern von ihren Nato-Verbündeten mehr Engagement bei der Ausbildung der afghanischen Armee und Polizei. Bis zu 4000 Trainer und Mentoren müssten die Bündnisstaaten zusätzlich stellen, erklärten US-Diplomaten am Donnerstag vor dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Istanbul. 2010 sei "das Jahr der größtmöglichen Anstrengung", sagte der amerikanische Nato-Botschafter Ivo Dalder. US-Verteidigungsminister Robert Gates werde entsprechende Appelle an seine Kollegen richten, erklärte dessen Sprecher Geoff Morrell.
Die internationale Staatengemeinschaft will mit einer massiven Truppenaufstockung, einem zügigen Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte und mehr Hilfe beim zivilen Aufbau des Landes das Blatt im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban wenden. Die USA schicken 30.000 Soldaten zusätzlich an den Hindukusch, die anderen Nato-Staaten und verbündete Länder stellen 10.000. Derzeit sind schon 110.000 Frauen und Männer im Einsatz.
Ziel ist es, ab 2011 nach und nach der afghanischen Armee und Polizei die alleinige Verantwortung für die Stabilität des seit acht Jahren umkämpften Landes zu übertragen. Die afghanische Armee soll 171.000 Soldaten stark werden, die Zahl der einheimischen Polizisten soll bis 2011 auf 134.000 steigen.
Ab Mitte 2011 sollen die internationalen Truppen aus Afghanistan abziehen. Je schneller die Armee des Landes aufgebaut werde, umso eher könne der Übergang vollzogen werden und umso stärker könnten die internationalen Truppen reduziert werden, sagte US-Botschafter Dalder. Bis zur Truppenstellerkonferenz der Nato am 23. Februar wollen die Amerikaner auf feste Zusagen drängen.
Deutschland hatte in den vergangenen Wochen ein neues Konzept für Afghanistan vorgestellt. Nach langem Streit in der Koalition rang man sich zu 500 zusätzlichen Soldaten und einer Reserve von noch einmal 350 für Notfälle durch. Zudem soll die Mission umstrukturiert und komplett auf die Ausbildung der afghanischen Armee konzentriert werden. Aus bisher 280 Ausbildern, so jedenfalls das Planspiel, sollen im Handumdrehen 1400 werden, viele Details sind aber noch unklar.
Fest steht, dass der Einsatz gefährlicher wird, da die Deutschen ab Frühsommer auch das US-Prinzip des Partnering bei Armee- und Polizeitraining einführen wollen. Dabei werden die Rekruten nicht wie bisher im Camp ausgebildet, sondern bei Missionen. Auch wenn die deutschen Soldaten nicht alle Details des US-Modells übernehmen sollen, stimmte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Truppe schon auf höhere Risiken ein. Mit dem neuen Konzept, das glaubt jedenfalls Außenminister Guido Westerwelle (FDP), sind die Wünsche aus den USA befriedigt. Das dürfte ein Trugschluss gewesen sein, das jedenfalls lassen die Äußerungen aus dem Pentagon erahnen. Auf der Sicherheitskonferenz in München am Wochenende sollte er mehr erfahren.
Guttenberg erwiderte in Istanbul allerdings bereits, Deutschland sehe sich nicht in der Pflicht, noch mehr für die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte zu tun. Die Erhöhung auf 1400 Helfer sei schon ein "signifikanter Beitrag".
US-Verteidigungsminister fordert Finanzreform der Nato
Bei dem Treffen in Istanbul mahnte US-Verteidigungsminister Gates auch eine Finanzreform des Bündnisses an. Damit reagierte Gates auch auf eine Deckungslücke von mindestens 700 Millionen Euro im Nato-Haushalt dieses Jahres. Zugleich fehlt eine Milliarde Euro für die Finanzierung der afghanischen Armee.
"Wir geben Geld für eine Menge Dinge aus, für die wir es nicht ausgeben sollten", wurde ein ranghoher Pentagon-Beamter in Istanbul zitiert. Pentagon-Sprecher Geoff Morrell sagte, ein Großteil der Nato-Ausgaben sei "veraltet": Das Bündnis müsse vor allem ausreichend Geld für die Konflikte ausgeben, an denen es militärisch beteiligt sei.
Der erste große Testfall für den massiv verstärkten Kampfeinsatz steht in Südafghanistan bevor. Tausende US-Marineinfanteristen sollen in den kommenden Tagen die Taliban-Hochburg Mardschan im Zentrum der Provinz Helmand einnehmen. Nach Angaben der US-Armee haben sich bis zu 1000 Taliban-Kämpfer in der Stadt verschanzt. Der Einsatz wird auch zur Herausforderung für die afghanische Regierung. Sie müsste es nach einem Erfolg der US-geführten Truppen schaffen, die Stadt unter ihre Kontrolle zu bekommen. Es gebe täglich Hilferufe aus Mardschan, dass die Regierung mit den internationalen Truppen die Taliban vertreiben solle, sagte der afghanische Gebietsgouverneur Haji Zair. Die bis zu 100.000 Einwohner seien mit dem Abwurf von Flugblättern und Radiodurchsagen über die bevorstehende Offensive informiert worden.
Der Isaf-Oberbefehlshaber in Afghanistan, Stanley McChrystal, bezeichnete die aktuelle Lage als ernst, doch verschlechtere sie sich derzeit nicht mehr so wie im vergangenen Jahr. "Ich bin noch nicht so weit zu sagen, wir haben die Wende geschafft", sagte der US-General Journalisten in Istanbul.