
Foreneinträge des Attentäters "Manchmal sind Menschen so gemein"
Berlin - war reich. Der heute 23-Jährige lebte zwischen 2005 und 2008 in einer Londoner Luxuswohnung im noblen Diplomatenviertel Bloomsbury. Am renommierten University College studierte er Maschinenbau. Er war Vorsitzender der islamischen Gemeinschaft der Universität. Als wohlerzogen, freundlich und begabt beschreiben sie ihn im Uni-Umfeld.
Das ist seine öffentliche Seite.
Wie dunkel es in ihm aussah, wie zerrissen er war, offenbarte der Mann, der am vergangenen ersten Weihnachtstag versuchte, einen US-Airbus zu sprengen, in einem islamischen Internetforum. Folgt man Abdulmutallabs Nickname "Farouk1986" durch die Seiten und Zeiten, ist ein einsamer jugendlicher Fußballfan zu erkennen, der sich dann - während seines Studiums in London - zum fanatischen Extremisten wandelt. Dschihadismus-Experte Evan Kohlmann hat alle Foreneinträge zu einem Download zusammengefasst (ZIP-Archiv, 1,7 MB).
Zwar lässt sich nicht mit letzter Gewissheit überprüfen, ob es sich bei "Farouk1986" tatsächlich um Abdulmutallab handelt. Doch es spricht viel dafür: Der Nickname entspricht der Kombination seines zweiten Vornamens mit seinem Geburtsdatum. Zudem decken sich viele seine Aussagen in den Foren über Aufenthaltsorte und Ausbildungsstätten mit dem, was er in der Vernehmung nach dem gescheiterten Attentat von sich preisgab.
"Manchmal sind Menschen so gemein"
Die mehr als 300 Einträge sind vor allem das Zeugnis eines verzweifelten Mannes, der seine "extreme Einsamkeit" beklagt, sich selbst als schüchtern und ruhig bezeichnet. "Selbst im Internet fühle ich mich nicht wohl, wenn ich einen Eintrag online stelle, da das etwas über mich aussagt," schreibt Abdulmutallab im Mai 2005. "Manchmal sind Menschen so gemein." Im Internet strebt er nach Freundschaft und Rat.
In früheren Einträgen erscheint Abdulmutallab noch als recht normaler Jugendlicher, der Fußball liebt und die Mannschaft von Liverpool unterstützt: "Liverpool ist mein Lieblingsclub." Mal fragt er sich, wie sein Club gegen Leverkusen gespielt hat, dann, im April 2005 schreibt Abdulmutallab übers englische Pokalfinale zwischen Manchester United gegen Arsenal London: "Phantastisch. Ein Hammer zu meiner Abschlussfeier."
Auch materiellen Träumen kann sich der Islamist nicht immer verschließen. "Wenn ich wählen müsste zwischen Großbritannien und den USA, es müsste das Vereinigte Königreich sein." Er habe eine "Familienhaus in London" und sei dort "sehr oft", schreibt er im Februar 2005. Und weiter: "Ich sollte lieber meine Klappe halten, weil ich vielleicht bald auf eine kalifornische Universität gehe."
Zeitgleich berichtet er über seine negativen Erfahrungen im eben noch gelobten England und beschwert sich über das dortige Schulsystem, das von den "Ungläubigen" eingerichtet worden sei. "Diese Leute kontrollieren uns einfach überall irgendwie. Wir müssen unser eigenes System haben", schreibt er und verweist auf Koran und Sunnah. Er gehe "üblicherweise" in die Zentralmoschee Londons im Regents Park.
Interesse an religiösen Fragen wächst
Im Laufe der Zeit scheint sich sein Interesse zu wandeln. Er widmet sich verstärkt religiösen Themen, gibt anderen Mitgliedern im Forum Tipps dazu, wie sie am besten den Koran auswendig lernen können, sucht selbst nach Rat. Und er verfasst Einträge wie diesen: "Lasst uns unsere Ehre und Religion retten, lasst uns auf Fußball verzichten und Sportarten treiben, die dem Islam förderlich sind." Abdulmutallab lässt sich über seine Phantasiewelt aus: "Ich stell mir vor, wie der große Dschihad stattfindet, wie die Muslime - groß ist Allah - siegen und die Welt beherrschen werden und wieder einmal das größte Reich errichten!!!" In anderen Interneteinträgen schreibt er über den Kampf mit seinen sexuellen Wünschen. "Wenn ich einsam bin, erwacht der natürliche sexuelle Trieb, und ich ringe darum, ihn zu kontrollieren."
Im Sommer 2005 reist er zu einem dreimonatigen Arabisch-Intensivkurs in den . In einem Foreneintrag schwärmt Abdulmutallab über die Einkaufs- und Essensmöglichkeiten in der Hauptstadt Sanaa. "Fast alles, was du haben willst", berichtet er. "KFC, Pizza Hut, Schawarmas, Italienisch, Chinesisch, Koreanisch." Überhaupt, der Jemen. Die Einwohner seien "so nett und gastfreundlich" und: "islamisch sittsam". Die meisten Frauen würden Schleier tragen. Der Jemen sei "ein guter Ort für Muslime und Nicht-Muslime, um Arabisch zu lernen". Es gebe viele Nicht-Muslime, "und sie haben wirklich viel Spaß".
Was die Moslems freier mache denn alle anderen auf der Welt, das sei die eine Quelle und der eine Gott - "und das ist unser Erschaffer, der weiß, wie wir am besten zu leben haben", schreibt er im Januar 2006. Als Mann wisse er sicher, dass nicht verschleierte Frauen "negative Effekte auf Männer" hätten. Er fühle "Scham", wenn er solche muslimischen Frauen sehe. Zudem sei es nicht erlaubt, Freundschaften zu pflegen mit dem anderen Geschlecht: "Außer wenn man übers Heiraten nachdenkt oder zusammen arbeiten muss."
Dazu wird es für Umar Farouk Abdulmutallab wohl nicht mehr kommen.