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Frankreich: Macron siegt bei Präsidentenwahl

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Frankreichs Wahlsieger Macron "Für ihn gibt es keine Schonfrist"

Emmanuel Macron verspricht den Aufbruch in eine "neue Ära": Doch mit Blick auf die Parlamentswahlen im Juni bereiten die geschlagenen Parteien schon die Revanche vor.

Am Morgen nach der Wahl zeigt Frankreich sein neues, junges Gesicht: Zeitungen, Fernsehsender und Internetportale illustrieren den Wahlsieg mit dem Porträt von Emmanuel Macron. "Gut gemacht", titelt "Libération", "Wagemut", überschreibt "La Nouvelle République" das Foto des 39-Jährigen, der "Figaro" zeigt den Wahlsieger mit der Zeile "Ein Sieg auf dem Vormarsch".

Der erste offizielle Auftritt folgt am heutigen Montag: An der Seite von Präsident François Hollande wird der frisch gekürte Macron an den Feierlichkeiten zum 8. Mai teilnehmen - dem Gedenken an den Sieg Frankreichs über Nazi-Deutschland.

Staatsmännisches Profil hatte Macron schon gleich nach dem Wahlsieg bewiesen. Mit einem Gang voller Symbolkraft durchquerte er den Hof des Louvre zur EU-Hymne "Ode an die Freude". Macron, allein im Moment des Sieges, mit ernstem Gesicht, gekürt für das höchste Amt der Republik.

Die ausgeklügelte Regie unterstreicht die Rolle des französischen Präsidenten: Inkarnation und Anführer der Nation, ausgestattet mit enormer Machtfülle und zugleich unter der Bürde einer kolossalen Verantwortung. Der Auftritt erinnert an den Weg François Mitterrands 1981 zum Pantheon - ein Mann im Angesicht seines Schicksals.

Francois Mitterrand am 21. Mai 1981 nach seiner Wahl zum französischen Präsidenten

Francois Mitterrand am 21. Mai 1981 nach seiner Wahl zum französischen Präsidenten

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So perfekt weihevoll die Inszenierung, so nüchtern Macrons Ansprache: Dank an die Anhänger seiner Bewegung "En Marche!" (EM), Appell für Zusammenrücken und Zukunftsvertrauen: "Ich werde auf alle Franzosen hören." Mit Pathos fügt er hinzu: "Europa und die Welt blicken auf uns. Man erwartet von uns, dass wir den Geist der Aufklärung verkörpern, für eine Welt mit mehr Humanismus, mehr Sicherheit, mehr Ökologie und Wachstum."

Zum Versprechen "Ich werde Euch dienen", formuliert Macron, ohne Euphorie und ohne triumphales Tremolo, die vielfache Warnung: "Unsere Aufgabe ist immens."

Keine Untertreibung. Natürlich verkörpert der 39-Jährige den Generationswandel - das Durchschnittsalter der vorherigen Präsidenten lag zum Amtsantritt bei 58 Jahren. Doch der Hoffnungsträger hat beileibe nicht alle Franzosen hinter sich. Ein Drittel der Wahlberechtigten enthielt sich; viele Franzosen trafen ihre Entscheidung für Macron aus Verlegenheit oder als Zeichen des Widerstands gegen die rechtspopulistische Kandidatin Marine Le Pen.

Rivalen bereiten sich auf Revanche vor

"Macron muss schon am ersten Tag durchstarten", warnt Dominique de Villepin, ehemaliger Premier der Konservativen. "Für ihn gibt es keine Schonfrist."

Schon rüsten die Rivalen zur Revanche. Bei den bevorstehenden Parlamentswahlen sieht sich Macron einer Phalanx von gleich vier Parteien gegenüber. Auf dem linken Flügel gelobt Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung "Frankreich der Aufsässigen" prompten Widerstand - just zwei Minuten nach Bekanntgabe von Macrons Sieg. Zugleich verspricht die geschlagene Le Pen, sie werde mit dem Front National eine "neue Formation" schaffen, als "stärkste Kraft der Opposition".

Auch die Sozialistische Partei (PS) verwehrt Macron "einen Blankoscheck". "Konstruktive Mitarbeit ist denkbar", so ihr Sprecher Jean-Christophe Cambadélis, aber ohne Aufgabe der eigenen Identität: "Das Land braucht alle seine Bürger, vor allem aber die der Linken." Die Republikaner, nach ihrem Debakel tief zerstritten, sinnen gleichermaßen auf Vergeltung. "Wir müssen uns neu aufstellen, damit wir bei Parlamentswahlen die Mehrheit bekommen", so der LR-Abgeordnete Jean-François Copé. Dann, so glauben die Konservativen, müsste Macron einen Republikaner zum Premierminister berufen.

Im Video: Paris-Korrespondent Stefan Simons mit einer Analyse aus Paris

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EM-Strategen hoffen, dass ihnen ein solches Postengeschacher erspart bleibt. Sie setzen darauf, dass sich der Sieg für Macron in einen Erfolg bei den Parlamentswahlen im Juni überträgt - wie oft zuvor in der Geschichte der Fünften Republik. Frankreichs Wähler, so die Erwartung, werden dem frisch bestellten Präsidenten, politisch folgerichtig, auch die nötige Zahl an Abgeordneten bescheren.

Ohne stabile Mehrheit im Parlament wird es nichts mit Reformen

Dafür fehlt Macron freilich der Apparat der etablierten Formationen: Konservative, Sozialisten und der Front National verfügen landesweit über ein Netz von alteingesessenen Honoratioren; "En Marche!" will hingegen weitgehend mit "neuen Gesichtern" antreten, Newcomern aus der Zivilgesellschaft ohne politische Erfahrung. Und obendrein war "En Marche!" bislang nur ein digitaler Präsidentenwahlverein, der sich jetzt zur Partei wandeln muss.

Grund genug für Macron einen Start mit furiosem Tempo zu planen, um seine Entschlusskraft zu beweisen: Mit einem Kabinett von rund 15 Ministern, paritätisch besetzt mit Männern und Frauen; mit Dekreten zur "Moralisierung der Politik"; mit Anweisungen zur territorialen Neuordnung, zur Ökologie und zur Sicherheit. Und mit einem gesetzlichen Statut für Ehefrau Brigitte, als "erste Dame" Frankreichs.

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Frankreich: Macron siegt bei Präsidentenwahl

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Dank solcher präsidialen Erlasse wird Macron zum Auftakt seiner Amtszeit zwar Dynamik an den Tag legen. Doch zum Regieren braucht der Staatschef langfristig eine stabile absolute Mehrheit. Andernfalls bleibt ihm nur eine wackelige Kohabitation mit seinen Gegnern. Die Verwirklichung seiner ambitiösen Reformen, die der Kandidat in seiner Polit-Biographie als "Revolution" beschreibt, bliebe damit Makulatur.

"Der Sieg ist nur eine Etappe", gesteht Macron am Abend in einer Videobotschaft an seine Fans: "Jetzt müssen wir Resultate bringen und unser Land transformieren. Ich zähle auf Euch." Überschrieben ist die E-Mail: "Alles beginnt."

Jubel über Macron-Sieg: "Wir haben Europa gerettet!"

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Zusammengefasst: Emmanuel Macron hat die französische Präsidentschaftswahl gewonnen. Aber der 39-Jährige hat längst nicht alle Franzosen hinter sich. Aber damit er seine ambitionierten Reformen umsetzen kann, braucht er auch im Parlament eine Mehrheit. Auf die hoffen Macron und seine Bewegung "En Marche!" bei den Wahlen im Juni, doch die geschlagenen Parteien rüsten bereits zum Gegenangriff.

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