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Franzose Fillon: Im Rennwagen, auf dem Bike, im Panzer

Foto: JEAN-FRANCOIS MONIER/ AFP

François Fillon Dieser Mann soll Europa vor Le Pen retten

Er fährt Autorennen und zeigt sich auch in der Politik nervenstark: François Fillon tritt wohl für Frankreichs Konservative zur Präsidentschaftswahl an. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen muss zittern.

"Fillon macht sie platt", "Fillon - Die Überraschung", "Fillon - Der Triumph" - am Morgen nach der ersten Runde der Vorwahlen von Frankreichs Konservativen feiern die Zeitungen den Sieger mit überschwänglichen Titelzeilen.

François Fillon, aktiver Amateurrennfahrer, vergleicht seinen unerwarteten Erfolg über die parteiinterne Konkurrenz mit einem Stück Motorsportgeschichte. "1969 ging Jacky Ickx auf der Strecke von Le Mans als Letzter ins Rennen - und kam als Erster an. Ich habe immer geglaubt, dass das ein Vorbild für den politischen Wettkampf ist, für den ich mich engagiert habe."

Für den Ex-Premier, der mit 44 Prozent die Konkurrenten Alain Juppé (28 Prozent) und Nicolas Sarkozy (20 Prozent) ausstach, ist es der Moment der Revanche.

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Franzose Fillon: Im Rennwagen, auf dem Bike, im Panzer

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Lange wurde er als Loser und Langweiler gehandelt, als steifer Aristokrat ohne Nähe zu Frankreichs Bevölkerung - in den Umfragen lag er abgeschlagen auf Platz vier. Jetzt glänzt Fillon als unangefochtener Held der Konservativen, dem Juppé die Nominierung in der Stichwahl am kommenden Wochenende kaum noch streitig machen kann.

Fillon steht für eine Mischung aus ultraliberalen Wirtschaftsreformen und stramm konservativer Ideologie. Diese Linie, über Monate stur trotz Umfrageschwäche verfolgt, wurde zu seinem Markenzeichen. Vor allem aber setzte sich Fillon mit seinem ruhig-sachlichen Habitus sowohl vom hyperaktiven Sarkozy ab wie vom altbackenen Juppé.

Im Video: Überraschungsverlierer Sarkozy

Nach dem Trump-Schock in den USA präsentierte sich Fillon zudem als Outsider und Systemkritiker. Dabei zählt der 62-Jährige seit Jahrzehnten zur politischen Elite Frankreichs.

"Bruch" mit liebgeworden Traditionen

Der Sohn eines Notars und einer Historikerin, studierter Jurist, zog schon mit 27 Jahren in die Nationalversammlung ein - seinerzeit der jüngste Abgeordnete des Parlaments. Fillon, ein Verehrer von General Charles de Gaulle, stieg bald ins Ministeramt auf und sammelte Erfahrungen in Ressorts wie Erziehung, Forschung und Soziales.

Sarkozy berief ihn nach seinem Sieg 2007 auf den Posten des Regierungschefs, wo Fillon fünf Jahre durchhielt - eine Seltenheit in Frankreich. Der Chef schätzte die Verlässlichkeit seines Premiers, auch wenn er den zweiten Mann der Republik abschätzig als bloßen "Mitarbeiter" beschrieb.

Eine Unterschätzung, die sich rächt. Denn Fillon, jetzt Abgeordneter von Paris, hat beste Chancen, sich bei der Präsidentenwahl im April 2017 gegen Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National (FN), durchzusetzen: Sollte der Konservative in der Stichwahl gegen die FN-Kandidatin antreten müssen, dürfte er nicht nur auf den Rückhalt des eigenen Lagers zählen. Selbst Sozialisten könnten sich angesichts der Alternative im zweiten Wahlgang zähneknirschend auf die Seite des Konservativen schlagen.

Obendrein gewinnt Fillon womöglich FN-Wähler für sich: Denn er verspricht nicht bloße Reformen, sondern einen radikalen Umbau der Republik - jenen Bruch mit liebgewordenen Traditionen, den Sarkozy schon 2007 angekündigt hatte.

Fillons Programm

  • räumt auf mit der 35-Stunden-Woche und begrenzt das Arbeitslosengeld auf 75 Prozent des Durchschnitteinkommens;
  • will die Anhebung des Rentenalters auf 65 Jahre;
  • fordert ein gestrafftes Arbeitsrecht, reduziert von 3000 Seiten auf 150 Seiten;
  • setzt auf die Streichung von 500.000 Stellen im Öffentlichen Dienst und Einsparungen von 100 Milliarden Euro
  • plant die Abschaffung der Vermögensteuer ("dumm, unmoralisch, zerstörend") und die Anhebung der Mehrwertsteuer.

Ziel der Runderneuerung à la Fillon: "Der Aufbau eines französischen Kapitalismus, der in und für Frankreich investiert."

"Politik ist kein Spektakel"

Mit der Schock-Therapie, vom Unternehmerverband gefeiert als "liberale, von Komplexen befreite" Linie, will Fillon die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs ankurbeln, auch gegen den Widerstand der Gewerkschaften. Schulden und Haushaltsdefizit will Fillon senken und die Arbeitslosigkeit bis 2022 von derzeit zehn auf sieben Prozent drücken. Kurz: Die Nation soll binnen zehn Jahren zur "ersten Wirtschaftsmacht Europas" aufsteigen.

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Präsidentschaftswahl 2017: Kampf der Republikaner

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Gesellschaftspolitisch ist der Kandidat hingegen im Milieu katholisch-nationaler Traditionalisten verortet. Er wolle die Familie "wieder zum Kern der Politik machen", hat er angekündigt. Zwar will er das Gesetz zur Homo-Ehe nicht rückgängig machen, aber Fillon ist etwa gegen die Adoption in gleichgeschlechtlichen Ehen.

Eindeutig auch die kalkulierte Stellungnahme zu Autorität und Ordnung im Erziehungswesen, dessen Mängel Fillon bündig auf den Einfluss linker Ideologen reduziert: "Das Versagen der Schule ist der Fehler einer prätentiösen Pädagogen-Kaste".

"Wieder stolz darauf, Franzose zu sein"

Diese Erzieher hätten "fortlaufend unser historisches Erbe heruntergemacht", konstatiert Fillon. Er verspricht die Rückkehr zu Aufnahmeprüfungen und will Rektoren zugestehen, künftig Lehrer und Schüler auszuwählen. Zweck der moralischen Wende: "Unsere Mitbürger sollen wieder stolz darauf sein können, Franzosen zu sein. Wir haben die Pflicht, dafür Gründe zu liefern."

Mit diesem Kanon nationaler, wertkonservativer Überzeugungen gewinnt Fillon Sympathisanten im ländlichen Raum, in den vernachlässigten Vorstädten und in der vom Abstieg bedrohten Mittelklasse - dem Klientel des Front National. Dabei setzte sich Fillon geschickt ab von den Scheindebatten der Konservativen, etwa um den Burkini (Fillon will das Verbot) oder Kantinenessen ohne Schweinefleisch für muslimische Schüler.

Stattdessen gewann er - gerade während der TV-Debatten - durch Seriosität. Wo Sarkozy giftete und grantelte, war Fillon zurückhaltend und vornehm. Wo Juppé zu weich, zu wendig auftrat, zeigte sich Fillon staatsmännisch prinzipienfest - präsidial eben. Typisch seine Replik an Fernsehmoderatoren, die die republikanischen Kandidaten zum gegenseitigen Schlagabtausch herausfordern wollten: "Politik ist kein Spektakel, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung."

Die Endrunde folgt am kommenden Sonntag.


Zusammengefasst: François Fillon gilt als Kandidat der französischen Konservativen fast schon als sicher. Er hat gute Chancen, auch im direkten Duell mit der rechten Marine Le Pen. Denn mit seinem wirtschaftsliberalen, sehr konservativen Programm schnappt er dem rechten Front National die Wähler weg. Und selbst die Sozialisten könnten ihn in einer Stichwahl unterstützen - wenn die Alternative FN heißt.

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