Französischer Premier Valls "Ja, ich bin Kandidat"

Der französische Premier Manuel Valls will Präsidentschaftskandidat der Sozialisten werden. Doch erst muss der Reformer die Parteilinken überzeugen.
Manuel Valls

Manuel Valls

Foto: Mathieu Cugnot/ dpa

Für den Neustart war Manuel Valls an die Wurzeln seiner politischen Karriere zurückgekehrt: In Évry, wo er zehn Jahre lang als Bürgermeister und Abgeordneter amtiert hatte, erklärte er am Abend seine Kandidatur für die parteiinternen Vorwahlen. Anschließend wird Valls als Premier demissionieren, vier Tage nachdem Präsident François Hollande auf eine zweite Amtszeit verzichtet hatte.

"Liebe Landsleute, ich bin hier, in dem Saal, in dem ich geheiratet habe, in der Stadt meines Herzens, meiner Familie", sagt Valls am Abend. "Ich bin hier in der Stadt, deren Menschen mir so viel gegeben haben." Und er fügt hinzu: "Ja, ich bin Kandidat für die Präsidentschaft 2017. Ich habe die Überzeugung, die Kraft, die Vision."

Und setzt dann zu einer Wahlkampfrede an, als sei er schon der Auserwählte der Sozialisten. Innen- und Außenpolitik, Gleichheit, Religion, Wirtschaft - in den zwanzig Minuten bleibt kein Sujet ausgelassen. Vor allem aber gibt Valls den Mann, der alle Linken versammeln will und schiebt ein Mea Culpa an die Adresse seiner parteiinternen Gegner ein: "Ich habe manchmal harte Worte benutzt, jetzt müssen wir zusammenstehen."

Der Auftritt von Valls - Markenzeichen: eleganter Einreiher, Messerhaarschnitt -, ist der ersehnte Auftakt seiner Kampagne. Denn der 52-Jährige, der sich selbst als "Patriot, linker Republikaner, Franzose" bezeichnet, steht seit Längerem in den Startblöcken.

Valls hat sorgsam an seinem Bild als "präsidialer Politiker" gearbeitet: Er gibt sich dynamisch, pragmatisch, progressiv. Zugleich gilt er jedoch als ambitioniert und arrogant.

Rückblende zum Sommer 2013: Valls steht neben einem gefesselten Stier auf einer Rinderfarm in der Camargue. Vor Fotografen und laufenden Kameras greift er zu einem glühenden Eisen und brennt den Buchstaben "P" in das Fell des Tieres. "P wie Präsident?" sticheln die Reporter. "P wie Pierre, Besitzer der Farm", gibt Valls amüsiert zurück.

Offiziell dient der Ausflug in das südfranzösische Departement Gard für eine Rede über die Politik des Präsidenten. Doch der Macho-Auftritt am Vorabend des Nationalfeiertags ist eine bewusste Inszenierung: Sechs Jahre zuvor hatte sich Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy in ganz ähnlicher Cowboy-Pose ablichten lassen - ein Sieger im Galopp auf dem Weg zum Élysée.

Jetzt, dreieinhalb Jahre später, setzt Valls an zum Endspurt. Hinter ihm liegt die Karriere eines Einwandererkindes, der sich seine Erfolge Schritt für Schritt erkämpft hat.

Geboren 1962 in Barcelona, wächst der Sohn katalanischer Einwanderer in Paris auf, absolviert den Militärdienst und tritt schon mit 17 Jahren den Jungsozialisten bei. Nach einem Geschichtsstudium an der Pariser Sorbonne beginnt Valls den langen Marsch durch den sozialistischen Parteiapparat: Parlamentarischer Assistent, Regionalrat und dann, 1988, Kabinettsmitglied von Michel Rocard, seinerzeit Premier von François Mitterrand.

Der Cid von Évry

Fünf Jahre später übernimmt er die Pressearbeit der Sozialisten, 2001 wird er Bürgermeister von Évry und wenig später auch Abgeordneter des Departements Essonne. Hier, in der Banlieue vor den Toren von Paris, erwirbt sich der Katalane den Spitznamen "El Cid von Évry" - wie der Held aus der Zeit der Reconquista. Valls fördert die Aufrüstung der Polizei, die Installierung von Überwachungskameras, betreibt die Ausweisung von straffälligen Roma.

Zwar scheitert Valls 2011 mit seiner eigenen Bewerbung für die Kandidatur der Sozialisten; er erwirbt sich jedoch die Meriten als omnipräsenter Boss von Hollandes Wahlkampfzentrale, die er als straff organisierte "Kommandantur" anführt. Der erfolgreiche Einsatz beschert ihm nach dem Sieg Hollandes die Bestallung zum Innenminister.

Dort verschafft sich Valls das Renommee eines kompromisslosen Kämpfers gegen den Terror. Und pflegt zugleich das Image als Sonnyboy mit Homestorys für die Hochglanzpresse: Die idyllischen Fotostrecken zeigen Valls an der Seite von Ehefrau Anne Gravoin, einer anerkannten Violinistin. "Seine charmanteste Trumpfkarte", so das Magazin "Closer".

Die Popularität stört die Harmonie zwischen Hollande und Valls. Trotz dessen Berufung an den Kabinettstisch bleibt die Beziehung zwischen dem Präsidenten und seinem Protegé gespannt.

Hier der konfliktscheue Hollande, dort der unverblümte Valls, der keinen Hehl daraus macht, was er für nötig erachtet: Eine Wende nach skandinavischem Vorbild, die Überwindung von Frankreichs Blockaden, gepaart mit einer "realistischen Wirtschaftspolitik" - die Abschaffung der sakrosankten 35-Stunden-Woche inklusive.

"Die Linken sind rückständig"

Selbst als Hollande den erfolgreichen Innenminister 2014 zum Premier befördert, schwankt das Verhältnis zwischen Zutrauen und Eifersucht, zwischen Ergebenheit und Konkurrenzkampf. Vor allem gelingt es Valls nicht, die auseinanderdriftenden Flügel der Sozialisten auf einen gemeinsamen Kurs einzuschwören. Stattdessen verprellt Valls die radikalen PS-Genossen: Die Ansichten der Linken seien mit dem Kurs der regierenden sozialdemokratischen Realos unvereinbar.

"Es handelt sich um eine rückständige Linke, die sich an eine längst vergangene nostalgische Vergangenheit anlehnt", wettert Valls im Oktober 2014 gegenüber dem "Nouvel Observateur".

Hollande ist entsetzt. Dennoch schätzt er Valls als rackernden, loyalen Premier. Der kämpft für das (gescheiterte) Gesetz, mit dem der Präsident nach den Terroranschlägen Attentätern die Nationalität aberkennen wollte. Und Valls drückt - gegen den Widerstand in den eigenen Reihen - die Reform des umstrittenen Arbeitsrechts durch.

Hollandes Bekenntnisse: "Eine Schande"

Der endgültige Bruch kommt erst mit der Veröffentlichung des Buches "Ein Präsident darf so etwas nicht sagen". Die Bekenntnisse Hollandes über Weggefährten und Gegner, die Einblicke ins Privatleben - Valls sieht darin nicht nur einen kapitalen politischen Fehler, sondern auch ein moralisches Versagen. "Es ist eine Schande", bekennt er vor Journalisten.

Seither treibt die Vernunftehe auf die Trennung zu. Hollande, im Wissen, dass er keine Chance hat, verzichtet auf die Wiederwahl. Wenige Tage später verkündet Valls seine eigene Kandidatur. Doch selbst wenn Umfragen ihn derzeit an der Spitze sehen, der Kampf ist noch nicht entschieden: Er muss sich noch gegen ein halbes Dutzend Konkurrenten durchsetzen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten